Die Eroberer der Welt

 

In Coron Bay kann man erleben, was einer stolzen Streitmacht, gut geschützt, passieren kann, wenn ein anderer cleverer ist. Ich schwamm tagelang in trüben Gewässern, die einst eine Großmacht getragen haben, im Schummerlicht im Bauch von Wracks, die nicht nur ein Loch an Deck aufwiesen. Ein amerikanischer Admiral hat hier mehr als einen Traum zerstört. Wie schön wäre es, wenn man George Bush diese Wracks vorführen könnte, damit er erkennt, dass es immer eine andere Macht gibt, die Macht über einen ergreift.

Die Inselwelt im Süden von Busuanga und Coron ist wie gemacht für Ausspannen, Relaxen, überhaupt, um sich geschützt zu fühlen. Das hatten auch die Japaner gedacht, als sie beschlossen, eine Nachschubflotte zwischen den Inseln zu verstecken. Der böse Feind, die Amerikaner mit ihren Trägerschiffen, konnte nicht in diesen Gewässern operieren. Daher brauchten die Schiffe nicht einmal Flak, um sich zu schützen. Wozu auch? Ich kannte einige Menschen, die in einer solchen Mission unterwegs gewesen waren, als sie von eigenen Fliegern angegriffen wurden. Als die Angreifer erkannt wurden, musste die Besatzung entscheiden, ob sie das Wenige, was sie besaß, gegen die eigenen Kameraden einsetzen sollte. Die kühle Kalkulation sagte aus, dass ein abgeschossener Flieger etwa so teuer käme wie das eigene, etwas in die Jahre gekommene Schiff. Sie ließen sich versenken. Glücklich, wer dabei den Tod fand, denn die meisten anderen sind in der Psychiatrie gelandet.

Denen von Coron Bay ist diese Behandlung erspart geblieben. Niemand soll das Stahlgewitter überlebt haben. Die Flieger haben ganze Arbeit geleistet. Manche haben sich freilich etwas überarbeitet, denn sie mussten etwa in ihrer doppelten Reichweite operieren und landeten auf dem Rückweg ungewollt da, wo sie die Japaner hin geschickt hatten. Es soll zwar nicht so heftig gebumst haben wie zwei Jahre zuvor in Guadalcanal, aber die japanischen Verluste waren an Schiffen vergleichbar. Der geringere Lärm ging darauf zurück, dass die Amerikaner keine Schiffe verloren haben. Ein Fanal wie Guadalcanal war das hier nicht, eher ein einseitiger Untergang.

Wie immer bei solchen Ereignissen, unterscheiden sich die Angaben mächtig, auch die Zahl der versenkten Schiffe. Ich habe Zahlen zwischen 12 und 18 gefunden. Manche der hier „versenkten“ Schiffe sind auch in Manila versenkt worden. Wer sich nicht für die Taucherei, sondern für die Herkunft der Tauchziele interessiert, kann sich bei den Archiven der US-Navy bedienen, die vor einigen Jahren geöffnet worden sind.

Wer diese Unterlagen betrachtet, sollte sich vorher einmal in die Lage der Japaner versetzen, die sich gut geschützt fühlten, bis das Feuer vom Himmel regnete. Nicht schlecht ist übrigens, sich ein Trägerschiff in Friedenszeiten anzusehen, um den Eindruck später mit dem zu vergleichen, was man unter Wasser zu sehen bekommt. Es lohnt sich wirklich!

In Busuanga musste ich dauernd an die Bismarck denken. Auch sie war Stolz einer Streitmacht, die viel von der Welt erobern wollte. Als sie vom Stapel lief, gab es auf der ganzen Welt kein mächtigeres Schlachtschiff. Aber die Zeit der Seeschlachten hatte bereits ihr Ende gefunden, ehe die Erbauer von Bismarck dies bemerkt hatten. Am Ende wurde die Bismarck von museumsreifen Flugzeugen versenkt. Johnny Horton sang einst: In May of 1941 the war had just begun/The Germans had the biggest ship that had the biggest guns/The Bismarck was the fastest ship that ever sailed the sea/On her decks were guns as big as steers and shells as big as trees … Granaten dick wie Bäume, aber auch sie konnten das Schiff nicht retten. Churchill told the people put every ship asail/ Cause somewhere on that ocean I know she's gotta be/ We gotta sink the Bismarck to the bottom of the sea/ We'll find the German battleship...

Welch ein Gegensatz zu Marybeth. Sie war einst eine sanfte Lady gewesen und könnte wahrscheinlich nicht einmal eine einzige der Kanonen von Bismarck tragen. Früher hat sie Gemüse und Fisch zu den Menschen gefahren, jetzt fährt sie Touris zu einem der großen Gräber von Großmachtträumen. Gemüsedampfer und Schlachtschiffe schwimmen zwar auf dem gleichen Weltmeer, sie trennen aber Welten.

Ich werde vermutlich nie wieder in ein Wrack tauchen, es sei denn, jemand bezahlt mir eine Reise nach Truk, jetzt Chuuk, wo eine andere japanische Flotte begraben liegt. Das ist aber eine andere Geschichte.

Gedanken an die Bismarck

Versenkte Großmachtträume

Auf einem der großen Wracks begegnete mir bei 29 Metern eines der bizarrsten Lebewesen, die nicht in der Tiefsee leben. Eigentlich ist es eine Seenadel bzw. Nadelpferdchen. Das Tierchen ist aber derart „fetzig“ ausgebildet, dass man es Fetzenfisch nennt. Seine Schönheit erhält er durch seine Tarnkappe, in dem Gestrüpp sieht man es nicht, weil es nach Gestrüpp ausschaut. Die Begegnung war auch deswegen aufregend, weil man Fetzenfische nur aus Australien kennt, wo sie in maximal 20 m Tiefe leben. Wie kam dieser auf die Philippinen?

Die Fetzenfische sind nicht nur fetzig anzusehen. Ihre Bewegungen zu beobachten ist ein Erlebnis für sich. So friedlich sie auch aussehen und wirken, für kleine Krebschen, die sie gerne knacken, stellen sie Seemonster dar, daher ist der englische Name Leafy Seadragon gar nicht so falsch. Fetzenfische sind entfernte Verwandte des Stichlings und gehören zur Ordnung Gasterosteiformes, Unterordnung Seenadelartige. Die hier abgebildete Art lebt wohl nur in australischen Gewässern und im Seegras, wie alle Seenadeln es gerne tun. Sie gilt als gefährdete Art, weil vermutlich nur etwa 700.000 Exemplare existieren. Und das obwohl der Papa die Eier nicht nur ausbrütet, sondern die Kleinen sorgsam aufzieht.

Auf den Wracks sind die Seenadeln oder Fetzenfische nicht die einzigen Erscheinungen, die Frieden ausstrahlen. Bei den ehemals bewaffneten Schiffen rosten zuerst die Maschinengewehre und Schnellfeuerkanonen in Klumpen und werden von Korallen in bizarre Formen verwandelt. Im Laufe der Jahrzehnte mutieren die früheren Monster langsam aber sicher zu einem Riff, halt mit einer seltsamen Form.

Auf den Malediven setzt man Wracks auch gezielt für den Naturschutz ein. Man versenkt ein Schiff und füttert dort einige prominente Fische wie große Rochen an. Diese wissen bereits nach ein paar Wochen, dass die röchelnden komischen Gestalten, die von den anderen, schwimmenden Schiffen kommen, keine Gefahr bedeuten. Die sonst so scheuen Tiere kann man an solchen Stellen sogar anfassen. Sie gleiten auch mal über den Bauch eines liegenden Tauchers. So brauchen viele Taucher nicht zu den natürlichen Riffen. Besser kann man seinen Schrott nicht loswerden.

Friedliches auf einem Wrack

Wer die Welt noch sonst erobern wollte, sollte sich zuerst Gedanken darüber machen, ob es sich überhaupt noch lohnt. Die Weltmeere sind leer gefressen, die ach so mächtigen Löwen in Afrika verschwinden leise von der Bildfläche. Borneo wird in eine Palmölplantage verwandelt. Im Süden meiner Heimat, wo zur Lebenszeit der ältesten Person, die ich kannte, Löwen gelebt haben, dehnen sich unendliche Treibhäuser aus, in denen Tomaten ohne Geschmack gezüchtet werden. Dort, wo zu meiner Kindheit noch Leoparden lebten, bedecken Touristensilos kilometerweit die Landschaft. Unweit von da hat einst ein siegreicher Feldherr mit einem Spruch Weltruhm erlangt: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren.“ Er hieß Pyrrhus. Der nächste könnte B... heißen.