Top Gun wohnt hier nicht mehr
Top Gun wohnt hier nicht mehr
Mein Kindheitstraum von der Fliegerei hatte einen realen Hintergrund, der Widerstand der Frau Mama auch. Wir wohnten in einer Gegend, in der die Sowjets als erste einfallen würden, wenn der Krieg losgeht. Während der Libanonkrise von 1958 hörten wir ständig die Geräusche der nieder gehenden Bomber und deren Jäger, die zum Glück nur übten. Nachts bohrten die Flakscheinwerfer ihre Finger in den dunklen Himmel, der feindlichen Bombern Schutz gewähren würde. Also? Nix wie hin zur Luftwaffe. Die hatte ihr aller neues Spielzeug, die F 84 mit schallnaher Geschwindigkeit. Kleine Jungs mögen solche Kisten.
Mamas Bedenken kamen daher, dass die F 84 zwar meistens erfolgreich flogen, aber manchmal nicht. Dann gab es eine Beerdigung erster Klasse und eine schöne Pension für die Witwe. Bei uns und in den Nachbarländern geschah dies häufiger als in den USA. Die stellten eine Untersuchung an, deren Erfolg mein späteres Berufsleben beflügeln sollte. Die Untersuchung ergab, dass nicht das Wetter, das Benzin oder die Dummheit unserer Piloten schuld war, sondern deren Schädelform. Während die Ami-Piloten sehr sorgfältig aus schön aussehenden Männern wie Tom Cruise alias Top Gun ausgesucht wurden, waren unsere Piloten alle mit einem Quadratschädel gesegnet. Zudem liefen sie auf kürzeren Beinen - nicht etwa weil sie häufiger logen, sondern aus ethnischen Gründen -, über denen ein längerer Rücken zu tragen war. Die Ami-Piloten trugen aber die gleichen Helme und Overalls wie unsere. Ergo? So wurde die Wissenschaft geboren, mit deren Hilfe Software auch für Normalos benutzbar wurde (abgesehen von Bills Produkten Marke MS).
Als man dann die Kleidung unseren Quadratschädeln angepasst hatte und die Overalls nicht mehr schlabberten, gingen die Unfälle schlagartig zurück. Das war der Erfolg des Labors, das ich mit einer Gruppe Kollegen in Dayton besucht habe. Dort wurden auch die Auswahlverfahren für die edelsten Soldaten der USA ersonnen und erprobt. Jeder Kerl ein Maverick (Filmname von Tom Cruise)! Sowas wollte ich auch werden, auch wenn der Film noch nicht gedreht war, nicht einmal geplant. Und wie beweist man, dass man Top Gun ist? Richtig, ab zur Schule der Luftwaffe und die Aufnahmeprüfung bestehen. Einer meiner Lehrer sagte meinem Freund und mir, wir hätten große Chancen. Stolz waren wir … nur nicht die bösen Mamas. Sie wurden auch nicht davon überzeugt, dass der Sohn einer Nachbarin jeden Abend den Dampfer seiner Verlobten ein Stückchen mit seiner F 84 begleitete. Mann, war das schön, wie ein Jetpilot Küsschen verteilt und der Angebeteten fröhlich zuwinkt. Man sah auch seine Lippen bewegen, verstehen konnte man seine Worte nicht, verständlicherweise unverständlich …
Ich weiß nicht, was danach gekommen wäre, weil ich ein hoffnungsloser Pazifist bin und nicht einmal ein Pferd unsanft mit der Gerte bearbeiten kann. Meine Bomber wurden später aus Papier gefaltet, mit Liebesbriefen beladen und über den Schulhof in den Garten einer Schönheit geschickt. Der erfolgreichste davon ist vom Dach des Empire State Building quer über Manhattan geflogen. Aber als Beruf habe ich mir etwas ähnliches wie die Leute von dem besagten Labor ausgesucht.
Wir wurden im Labor sehr nett empfangen, allerdings nicht die Chinesen, verständlich, die kopieren alles, und die Japaner, weniger verständlich, die kopieren doch nicht mehr. Manches an den Aufgaben war gleich geblieben, andere Dinge hatten sich aber grundlegend geändert. So konnte sich mein Traumflieger F 84 nicht einmal 2 Stunden in der Luft halten und man brauchte daher nicht an bestimmte Bedürfnisse zu denken, die einen beim Ballern und so stören. Die B2 aber erreicht jeden Punkt der Erde und kann notfalls durch Luftbetankung auch zwei Tage in der Luft bleiben. Da muss man schon auf manche Bedürfnisse achten. Wissenschaftliche Entwicklung einer fliegenden Untertasse, ich meine Kloschüssel, so hatte ich mir meinen Beruf nicht vorgestellt. Man stelle sich einen Looping vor … Gerade in der Schüssel gelandet, kriecht das Zeug einem den Rücken hoch! Den Piloten bleiben die Freiheiten versagt, die der Rekordflieger, die Pfuhlschnepfe E7, bei ihrem nonstop Flug über 11.500 km von Alaska nach Neuseeland offen gestanden haben. Auch die Rußseeschwalbe, die bis drei Jahre in der Luft bleiben kann, erledigt alles wie im Flug.
Doch die größte Enttäuschung folgte, als wir die mächtige Zentrifuge besichtigten, auf der die Möchtegern-Piloten beschleunigt und wieder abgebremst werden. Kann sich einer einen 150 kg Fettsack vorstellen, den man mit 10 g abbremst? Garantiert nicht! Dem Kerl eilten die Eingeweide fast einen Meter voraus, natürlich noch unter der Haut. Bloß, wieso experimentieren die da mit Fettsäcken? Top Gun musste doch schlank und rank sein. Und jetzt das! Das Geheimnis war schnell gelüftet: Die Air Force braucht viele Piloten, um die Kanzeln zu füllen, aber das amerikanische Volk gibt nicht so viele schlanke Adonisse her. Also, anstelle quadratschädeligen Südländern Top Guns Kampfhelme zuzuschneidern, müssen die Kollegen zusehen, wie sie Knödelfriedhöfe flugfähig machen. Was der Sowjetarmee die Vodkaflasche, ist der Air Force der BigMac. So menschlich können Soldaten werden! Vielleicht, vielleicht dürfen wir hoffen, dass die Piloten einst so schwer werden, dass die Bomber nicht mehr fliegen dürfen. Bis dahin sorgt die Wissenschaft dafür, dass der Traum mancher zum Albtraum anderer wird.