Vor 1998 hatte El Niño schon mal hart zugeschlagen, 1983. In den Jahren 1982/1983 litt Australien unter einer der übelsten Dürreperioden seiner Geschichte. Als wir den Kontinent überflogen, erzählte mir der Nachbar, ein Australier, dass die braunen Dreiecke da unten die leeren Wasserspeicher der Farmer seien. Die größeren, die Staudämme, waren auch bis zu einem Minirest zusammen geschrumpft.

Die verheerende Dürreperiode hatte zahlreiche Schaf- und Rinderzüchter in den wirtschaftlichen Ruin getrieben. Da die Futtervorräte schnell verbraucht waren, musste ein Großteil der Farmer ihr Vieh billigst verkaufen, mit hohem Kostenaufwand verbundenen Transport in bessere Weidegebiete veranlassen, oder ihre Tiere erschießen, bevor sie verhungerten.

Der trockenste Kontinent war ausgetrocknet. In Melbourne sah man nur grau-rote Farbe, die des Sandes aus der Wüste. Wasser gab es reichlich, aber nur im Meer. Das Trinkwasser hatte man bereits in November rationiert, am 24. November war auch das totale Feuerverbot ausgesprochen worden. Anfang Februar hatte sich das jährliche Regendefizit der Sommerperiode auf 75% aufsummiert.

Der Nachmittag des 8. Februar sollte Zeuge eines der mächtigsten Sandstürme in der Geschichte von Australien werden. Die zweitgrößte City des Kontinents wurde von einer 300 m hohen Schicht Sandsturm bedeckt, der für etwa eine Stunde totale Finsternis herrschen ließ. So etwas hatte ich nicht einmal in Filmen gesehen. Wenn, dann hätte ich es für eine künstlerische Verfehlung gehalten. Als Großstädter war es mir nicht möglich, das Ausmaß der Bedrohung zu erkennen. Solche Leute wie ich denken wie die „Neckermann-Touris“, alles ist organisiert, alles wird schon werden. Selbst wenn Bewaffnete aus der Wüste auftauchen, denkt man an Animateure und nicht an Killer. Von Waldbränden hören wir allenfalls, wenn im Sommer ein paar Büsche abbrennen oder in der Ferne - Kalifornien, Griechenland oder Kalimantan - die Flammen wüten. Aber selber mitten drin?

Mit einer verlorenen Jacke, war ich noch der große Gewinner des Tages. Diese hatte ich gerade aus dem Koffer geholt und zur Feier des Tages angezogen. Sie war um 15.00 Uhr noch hell beige. Nach etwa einer Stunde Herumirren in Sand und Asche hörte die Farbe auf rötlich braun. Das Auto fanden wir während des Infernos nicht, sondern eine Kneipe, wo wir den Sand runterspülten.

An diesem Nachmittag hatte ein Wüstensturm den Rauch und die Asche in Richtung Melbourne gefegt, angereichert durch den Wüstensand. Die große Hitze dauerte etwa zwei Stunden. Der Sturm baute große Feuerfronten auf, von denen eine die Feuerwehrleute von hinten angriff und 12 von ihnen tötete. Die Gesamtrechnung wurde später auf 47 Tote im Staat Victoria allein berechnet, 3.700 Gebäude und etwa 2.100 Quadratkilometer Land wurden verwüstet. Am Ende konnten die Feuerwehren nur noch zuschauen, wie das Feuer seinen Weg zum Ozean bahnte. Die schönsten Städtchen am Ozean sahen aus wie Mondlandschaften. Nach zwei Stunden drehte der Wind wieder und die laue Luft von der See kühlte die Stadt schlagartig ab.

Australier, hart im Nehmen, und Naturkatastrophen gewohnt, wurden durch den Aschermittwoch 1983 so hart getroffen wie den Zyklon Tracy, der 1974 ganz Darwin verwüstet hatte. Nicht einmal die Niederlage in Gallipoli 1915 hat deren Seelen derart tiefe Blessuren verpasst. Ash Wednesday, ein christlicher Feiertag, besitzt sein dem 16. Februar 1983 eine ganz neue Bedeutung - für Australier… Vielleicht auch für uns!


Australien Melbourne 1983

Dann kam der legendäre Tag, den die Australier nicht mehr vergessen werden: Aschermittwoch. Anders als in bayerischen Bierzelten bestimmte eine große Trockenheit das Klima in der Stadt. Die Luftfeuchte war auf ca. 6% (!) gefallen. Während eines Vortrags, den ich besuchte, kam einer auf den Vortragenden zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dieser schmiss sein Manuskript weg und rannte wortlos aus dem Saal. Seine Eltern waren vom großen Feuer eingeschlossen worden.

Als wir das Gebäude der Uni betreten hatten, betrug die Temperatur draußen ca. 20º C und die Luft war klar. Als wir es zwei Stunden später verließen, war es zwar immer noch Tag. Wir fanden aber nicht einmal unser Auto wieder. Sand und Asche hatten die Luft verdunkelt, die jetzt 43 ºC warm geworden war.

El Niño um den Globus

Ein Freund aus Cupertino, in Silicon Valley, freute sich immer riesig, wenn er in Deutschland war. Über das Grün. Sein Land sei so gräulich braun - oder bräunlich grau -, wie dem auch sei, eben nicht gerade freundlich gefärbt. Das Land ist doch freundlich gefärbt und schön grün, aber nur an der Küste, wo man aber andere Unfreundlichkeiten erleben kann. Eine Temperatur von 9º C mitten im August zum Beispiel. Während ganz Kalifornien förmlich verbrennt, bedecken an der Küste Nebelschwaden die Landschaft und lassen keine Freude aufkommen. Deswegen wurde San Francisco so spät entdeckt.

Schuld daran ist der Kalifornienstrom, der kaltes Wasser - brrrr - vom Norden an der Küste entlang führt, und sich vom Land erst da verabschiedet, wo sich die Schönen und Reichen am Strand tummeln, Malibu oder so. Dieser ist u.a. auch schuld daran, dass hier die Redwoods gedeihen, sofern sie die Zivilisierung Amerikas überstanden haben. Redwoods benötigen ein Klima wie im Erdaltertum, als die Welt, so sie aus dem Wasser rausguckte, flach wie eine Flunder war. Die Temperaturen verteilten sich gleichmäßig, der Nebel auch, weil sie nicht eben allzu hoch waren, das Land wie die Temperaturen.

Nur zwei Landschaften auf der Erde, der Westen der USA und ein Stück Land in China, können sich rühmen, Platz für den einst herrschenden Baum zu bieten. Schuld sind die Menschen daran nicht, sondern die Kontinentalverschiebung, die die Welt gefaltet hat. Allerdings haben die Amis aus einst 800.000 ha Redwood nur 35.000 ha übrig gelassen. Alles was zugänglich war, verschwand auf ewig. Bis auf Muir Woods, ein Wald, den ein listiger Mann namens Muir gekauft und dem Bund vermacht hat. Dadurch sind die Bäume den Baumschubsern entkommen. Death Valley ist nicht der einzige Ort in den USA, wo der Tod lauert. Muir ist der Erfinder von Nationalparks.

Spiel mir das Lied vom Tod! Kein Lied könnte besser zu dieser Landschaft passen. Tal des Todes - keine Übertreibung. Man zähle alle Klischees aus Western und sonstigen Wüstenfilmen zusammen, und hat immer noch nicht Death Valley beschrieben. Der Ort ist ein sog. Hitzepol, sagen wir mal was die Arktis für niedrige Temperaturen ist, ist Death Valley für hohe. Der trockenste Ort von ganz USA (nur von da?) ist er auch. Hierher kommt nichts von dem Küstennebel von Kalifornien. Man lästert, alle 5 Jahre fielen hier 20 cm Regen, wobei die Strecke die Entfernung von Tropfen zu Tropfen ist. Damit ist die horizontale Entfernung gemeint.

Unter dem Einfluss von El Niño entfaltete sich etwas, was man sonst in Lourdes erwartet, ein Wunder. Für Monate mussten sich die Wüstenechsen Stiefel anziehen. Ob sie auch Regenschirme trugen, konnte nicht zuverlässig gesagt werden, weil die Wiesen meterhoch wuchsen und blühten. Wie das aussah, zeigt ein Bild in Spiegel Online, allerdings aus dem Jahre 2005. Wunder gibt es immer wieder. Sogar ein See, der alle 100 Jahre nur einmal erscheinen soll, Lake Manly, war wieder da. Typisch für den Spiegel, nach deren Angaben soll der See gar vor 10.000 Jahren ausgetrocknet sein. Na, ja!

Nicht nur Death Valley hatte sein Bild geändert, sondern ganz Kalifornien. Das hässliche Braun-Grau meines Freundes war verschwunden. Grün wie ein Traum - California Dreaming - sah alles aus. Nur die Fremdlinge in der Flora, wie Eukalyptus-Bäume, sahen noch fremder aus, weil ihre Heimat Australien insgesamt trockener ist als die Kontinente. Hier standen sie nun. Allerdings glücklicher als die Verwandtschaft in der Heimat, weil denen das Wasser leider nicht bis zum Hals stand, sondern unter den Wurzeln weg verschwand. Was ist hätte in Death Valley erleben können, sah ich in Australien in voller Wucht.

Fassifern Valley nennt sich ein Gebiet so um die 100 Meilen vom Pazifik, Great Barrier Reef, entfernt und wo wirklich nichts an Meer oder Tropen erinnert, die kurz im Norden anfangen. Hier sind nicht Eskapaden von Paris Hilton oder Boris Becker das Tagesgespräch, sondern der Regen, soweit er sich dazu herablässt, dieses Land zu beglücken. Da dies nicht zum Alltag gehört, mit und ohne El Niño, hat man sehr früh an einen Staudamm gedacht, schon 1916, und diesen 1961 fertig gestellt. Lake Moogerah, dessen See, sah Anfang 1990 unendlich aus und versorgte nicht nur zwei Orte mit Wasser, sondern die ganzen Farmen drumherum.

Dann begann sich der Regen rar zu machen. Im Jahr 1997 sah Lake Moogerah wie Bodenseh aus, man konnte den Boden komplett sehen, weil nur noch 1 % des Wassers drin war. Dieses Restwasser kannte nur noch ein Leben, die giftigen Blaualgen. Selbst für das Vieh zu schade zum Trinken. Die Farmen sahen aus wie blühende Landschaften von Helmut Kohl und standen zum Verkauf, zu ähnlich günstigen Konditionen, wie sie die deutschen Banken in die Knie zwangen, die in Ostdeutschland groß in den Wohnungsbau investiert haben.

Fassifern Valley, wo wir einst etliche Safaris geritten sind, war am Ende. Erst hatte 1982/1983 El Niño zugeschlagen und Australien an den Rand des Ruins gebracht, und jetzt das. Eines der trockensten Wasserbecken in Australien, das will was heißen!

Nutznießer gibt es aber auch. Der afrikanische Strauß, der in Europa nur mühsam Fuß gefasst hatte, als Fleischlieferant, erfreut sich bester Gesundheit. Vor allem kann er sich nicht verstecken, weil hier zwar Wüste entstanden ist, aber ohne Sand.

Eine der jüngsten Nachrichten aus der Gegend meldet, dass sich die Bürger von Towoomba, einer Stadt am Ende des Fassifern Valley, geweigert haben, ihr Abflusswasser in Trinkwasser zu verarbeiten.

Australien Fassifern Valley

Bis Hong Kong, wo ich mich auf die Reise nach Borneo vorbereitete, reichte der Dunstkreis des großen Feuers im Frühjahr 1998 nicht. Fast nicht… Aufgrund der seit Monaten wütenden Waldbrände – Brandrodungen waren wegen starker Winde außer Kontrolle geraten – auf den Inseln Borneo, Sulawesi und Sumatra sowie Neuguinea, hatte die Luftverschmutzung in den südostasiatischen Staaten Singapur, Malaysia, Indonesien, Thailand, Brunei, Papua Neuguinea sowie auf den Philippinen gesundheitsgefährdende Rekordwerte bereits September 1997 erreicht. Örtlich betrug die Sicht nur noch zwischen zehn und 50 Meter; Millionen Menschen litten an Entzündungen der Atemwege; viele Schulen, Fabriken und Behörden müssen vorübergehend geschlossen werden. Ein Ende der Brandkatastrophe wurde erst mit Beginn der Regenzeit Anfang November erwartet. Diese kam, allerdings zu schwach auf der Brust, um alle Brände zu löschen.

Die Waldbrände auf Borneo hatten mittlerweile weit größere Gebiete tropischen Regenwalds verwüstet als noch  vor wenigen Jahren geschätzt. Die mehrere Monate wütenden Waldbrände hatten auf Borneo große Landstriche zerstört. Doch im Frühjahr brannten noch große Flächen. Durch die starke Rauchentwicklung war die örtliche Bevölkerung immer noch angehalten, Rauchschutzmasken zu tragen.

Kalifornien Death Valley
Malaysien Borneo und Sipadan

Als ich Ende Mai auf Borneo landete, war die Luft noch ziemlich voll Rauch, die Brände wüteten aber nicht mehr, Dank der Regenzeit, die reichlich spät ankam. So kam ich auf den zweifelhaften Genuss der täglichen Dusche, etwa zwei Stunden volles Rohr! Der Hut hing mit der Krempe noch unter die Nasenspitze, das Hemd nass. Nur die Regenjacke war trocken, weil im Rucksack in einer Tüte verstaut. Es lohnte sich nicht, die anzuziehen, weil man dann gleich von innen nass wurde.

Mir war noch nicht bewusst, dass sich das Ende von einem der besten Tauchspots der Erde, manche sprechen vom besten, angekündigt hatte, Sipadan sollte nur Wochen nach meiner Reise der weltweiten Korallenbleiche zum Opfer fallen. Noch konnte man die riesigen Büffelkopfpapageienfische bewundern, so etwa 90 kg, oder zwischen großen Schildkröten schnorcheln. Der Ort war wie geboren zum Tauchen.

Eine beispiellose Korallenbleiche hat auf Sipadan wie in ausgedehnten Gebieten die bunte Welt in eine Art Death Valley verwandelt. Die Wissenschaftler brachten das Ereignis mit dem El Niño 1997/98 in Zusammenhang und deuteten als Vorzeichen künftiger Ereignisse bei einer weiteren Erwärmung. Die Korallenbleiche wurde aus insgesamt 32 Ländern und Inselstaaten berichtet, hauptsächlich im Pazifik, Indischen Ozean und der Karibik. Auch das australische Große Barrier-Riff war ernsthaft betroffen. Ich war einer der letzten paar hundert Menschen, die die Pracht noch in voller Schönheit erleben durften. Die nächsten werden erst unsere Urenkel sein, in 100 Jahren, so es die denn gibt.

Wann sich die Riffe erholen werden, ist umstritten. Manche sehen den Untergang als endgültig an, während andere Hoffnung schöpfen, weil sich manche Riffe bereits nach Monaten in besserem Zustand zeigten. Leider glaube ich das nicht, habe ich doch den Untergang eines Reviers, zwar ohne Korallen, aber mit etwa 60 m Sicht erlebt. Als Jugendlicher konnte ich noch vor unserem Haus tauchen und Fischschwärme aus großer Entfernung beobachten. Noch bevor ich 30 wurde, betrug die Sicht nur noch fünf Meter. Nur die Muscheln freuten sich. Sie werden größer, dicker und fetter. Nur noch Touristen, die die Welt unter Wasser nicht kennen, essen diese. Und finden sie lecker. Besser ergehen wird es Korallen leider nicht durch unsere Verschmutzung, sie sind keine Muscheln.

genug, es gibt fröhlichere Orte