Lonesome Rider
Garys Viecher besaßen noch mehr Fähigkeiten, weil es in Kanada - anders als in Australien - echte Fleischfresser gibt, die eine Gefahr für Schafe und Rinder darstellen, so z.B. der Grizzly, der Braunbär oder der Puma, hier cougar genannt. Neben diesen imposanteren Tieren gibt es natürlich kleinere - etwa die, die in Afrikafilmen als Dritte am Mahl teilnehmen: Löwe zuerst, Hyäne danach und Neffe Schakal am Ende. Die Kojoten in Kanada sehen nicht nur wie Schakale aus, sie gehören zu dieser edlen Familie. Mit denen hatten meine Hunde viel zu schaffen. Kojoten mögen zwar weit weniger imposant aussehen als Löwen oder Leoparden, als Jäger lassen sie diese aber dumm aussehen. Klein, aber fein. Von wegen feiger Schakal …
Der einsame Ritt
Wer in Deutschland die Landschaft auf eigene Faust und beritten erkunden will, muss entweder viele Scheinchen machen oder noch mehr Scheinchen für ein eigenes Pferd anlegen. Danach kommen diverse Versicherungen etc. hinzu, damit man nicht etwa gebrechliche Omas beim Spaziergang im städtischen Park über den Haufen reitet. Wer das Verhalten von zivilisierten Pferden in der plötzlichen Freiheit kennt, das sind die armen Tiere, die in zu kleinen Boxen irgendwo in der Stadt vor sich hin dämmern, oder gar bei Reitschulen ihr Leben im Ständer fristen, wundert sich über so viele Maßnahmen nicht.
Mit Pferden, die in der Freiheit leben, bis man sie zum Reiten sattelt, verhält es sich anders. Da kann man einen einsamen Ritt riskieren, ohne viel zu auf Spiel zu setzen. So hatte ich im Okavango bei etwa 500 km Ritt im Wildgebiet weniger Probleme als in einer einzigen Reitstunde in der Halle. In Yarramalong könnten es sogar 2.000 km gewesen sein - ohne einen einzigen nennenswerten Vorfall.
Gary hat mir jedenfalls angeboten, ich könne allein oder mit meiner Tochter in die Prairie ziehen. Geprüft hatte er die Sache allerdings insgeheim, indem er mir einmal den falschen Weg zur Ranch angab und mich aufforderte, allein zurück zu reiten. Als ich doch recht schnell ankam, fragte er, ob ich nicht mal auf eigene Faust losziehen möchte. Nicht ganz, ich musste zwei Hunde Marke australian shepherd mitnehmen, die einer besonderen Hunderasse abstammen und wirklich besondere Fähigkeiten aufweisen.
Was die können, hatte ich bereits in Australien erlebt, als wir auf einer einsamen Farm reiten wollten. Die Pferde sah man undeutlich am Horizont grasen. Die Farmerin machte ihrem Hund ein Zeichen und ging ihren Enduro holen. Der Hund sauste davon und hielt sich rechts, während die Chefin links wegdüste. In der Ferne sah man, wie die beiden die Pferde einkreisten und zurück brachten. Sie musste nicht einmal hinter den Pferden sein. Als der Hund die Tiere vor uns aufmarschieren ließ, hatte sie den Enduro schon längst abgestellt.
Noch schöner kann man die Fähigkeit dieser Hunde erleben, wenn man einem Schäfer zuschaut, wie er seine Schäflein zusammen trommelt. Er reitet mit dem Hund als Mitfahrer zu den Schafen. In der Nähe der Herde angekommen, springt der Hund vom Pferd runter und galoppiert weiter - über die Rücken der Schafe, bis er das andere Ende der Herde erreicht. Dann staucht er die armen Viecher förmlich zusammen, bis sie dicht beieinander stehen.
Jagdszenen aus Cariboo
Ich verließ die Farm in Schritt mit den Hunden im Gefolge. Kaum war ich in einen Waldweg eingebogen, an dessen Seite sich eine grüne Bergwiese ausbreitete, galoppierten die Hunde an mir vorbei und versuchten kleine Männchen einzufangen, die im Gras standen. Diese putzigen Gestalten hören zum einen auf den Namen gopher wie Erdhörnchen, zum anderen gehören sie zu der Familie Prairiehund, ohne freilich etwas mit einem Hund zu tun zu haben, genetisch meine ich. Diese hier hatten mit meinen Hunden alle Hände voll zu tun. Obwohl die Hunde echte Schäferhunde sind und sich beim Schäfer auch so benehmen, spielten meine ständig in der Gegend rum. Während ich etwa 50 - 60 km am Tag ritt, müssen die Hunde etwa das Doppelte davon zurückgelegt haben.
Die Szenen erinnerten mich an die Sandaale im Meer. Aus der Ferne sieht man eine wogende Wiese. Wenn man sich nähert, wird die Wiese vorne tiefer, um gänzlich zu verschwinden, wenn man sich darüber befindet. Wenn man aber zwischen den Beinen nach hinten schaut, wächst die Wiese wieder in die Höhe. Die Sandaale verlassen ihre Schlupflöcher. So ähnlich verhalten sich die Nager Marke Erdhörnchen und Prairiehund. Aus der Ferne entdeckt man viele Tierchen, die ihre Köpfe in die Luft strecken. Beim Nähern schlüpfen sie in ihre Höhlen, die sie sofort verlassen, wenn die Gefahr vorbei ist. Gefahr gibt es für die immer, auch von oben. Greifvögel aller Art bevölkern die Luft und die Baumwipfeln.
Während man kaum Sandaale fangen kann, indem man zurück schwimmt, gelang es meinen beiden Hunden im wahrsten Sinne des Wortes spielend, die armen Kerle so einzufangen. Zuerst galoppierten sie mit höchster Präzision und Geschwindigkeit an den Höhlen vorbei, wobei einer von den beiden plötzlich einen Haken schlug und Sekunden später zurück war - bei dem armen Geschöpf, das die Gefahr vorbei wähnte.
Dann trotteten die beiden gemütlich zurück und legten die Beute vor meinem Pferd auf den Boden, aber immer bereit, erneut zuzupacken. Da die Tierchen meistens fast unverletzt waren, zumindest körperlich, konnte ich sie den Hunden abnehmen und wieder Richtung Höhle entlassen.
Bei ihren Hetzgalopps erreichten die Hunde ein Tempo, mit dem kein Pferd auch nur annähernd mithalten konnte. Wenn sich alle Gejagten rechtzeitig in die Höhle haben zurückziehen können, rannten sie einfach weiter den Hügel hoch und verschwanden zeitweilig. Was die dahinter anstellten, haben sie naturgemäß nicht verraten.
Eines Tages sah ich, wie eine kleine Hundemeute von einem Hügel herunter zu uns lief. Rätselhaft war nur, was eine mir bis dato gänzlich unbekannte Hundetruppe hier suchte. Als sie näher kam, sprang einer meiner Begleiter los und jagte die Kerle davon. Er verschwand mit den anderen Hunden hinter dem Hügel. Komisch, dass keiner der Tiere aus der Gruppe bellte. Am nächsten Tag merkte ich bei einer Wiederholung der Szene, dass wir gar keinen Hunden begegnet waren. Kojoten! Ein einziger Hund schlägt eine ganze Meute wilder Kojoten in die Flucht? Wow! Vielleicht stimmt es doch, dass Schakale feige sind?
Die Landschaft war indes zu schön, um seine Zeit mit solchen Überlegungen zu vergeuden. Man musste einerseits die Augen offen halten, um nicht in die Nähe eines Bären zu kommen. Andererseits bot allein die prächtige Vogelwelt derart schöne Ansichten, dass ich die nicht allzu ergiebigen Charakterstudien zurück stellte. Die Wahrheit habe ich ohnehin einige Abende später erfahren, von den Kojoten. Sie standen mit den Hunden auf Du! Die Jagdszenen waren allesamt gestellt. Verwandt sind sie ja ohnehin, canis und canis latrans.
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde