Nicht immer Hai, aber öfter …

 

Wofür man früher auf die Malediven gefahren ist, muss nicht erklärt werden. Sie waren so etwas wie das Abenteuer des kleinen Tauchers, der sich wie die Großen der Zunft fühlen wollte. Nicht nur der eigenen, Tropenabenteuer, Lagerfeuerromantik, u.v.a.m. Und das kam nicht von ungefähr, ein kleines Abenteuer war die Sache schon. Aber auch für Leute, die sich weder um Abenteuer noch um Romantik scheren, waren die Malediven erste Wahl zum Tauchen. Obwohl ich vorher viele Sahneplätze der Taucherwelt gut gekannt hatte, war ich noch vor dem ersten Tauchgang begeistert. Vor allem davon, dass ich hier nie eine Sorte Taucher getroffen habe, der man besser nicht begegnet. Das sind die Taucher, die zwar keine sind, aber angeben, dass sie in den exotischsten Stellen der Welt getaucht sind. Bereits beim ersten Tauchgang müssen sie Farbe bekennen. Und sehen blass aus!

Da diese Leute früher auch in Rudeln aufgetaucht sind, konnte es auch gefährlich werden, wenn man sich an der Rettungsaktion beteiligen musste. Ein besonders betroffener Club, Club Med, der aus zwei Gründen hart getroffen war, Tauchen war „schick“, Urlaub mit Med noch schicker, hatte sich ganz rabiate Methoden einfallen lassen, diese vor dem ersten Tauchgang zu entlarven und aus dem Verkehr zu ziehen. Die neuen Gäste mussten sich unter Wasser im Kreis hinsetzen und warten, bis von hinten einer kam und mit der Maske verschwand. Man durfte weder Panik zeigen noch irgendwie eine Aufregung. Einfach sitzen bleiben und weiter nuckeln. Danach durfte man den Taucharzt aufsuchen, der ein paar weitere aus dem Verkehr zog.

Die genialste Lösung hatte sich ein Berliner namens Dieter ausgedacht. Dazu musste er selber nicht einmal ins Wasser steigen. Dem Neuankömmling sein Zeugs, heute auch Tauchequipment bzw. -outfit genannt, wurde am Ende einer Bojenleine in 15 m deponiert. Tief. Man musste ohne Ausrüstung tauchen und sich da unten anziehen. Wer das heil überstand, durfte einfach weiter tauchen. Die anderen krabbelten an der Leine hoch und wurden von Dieter in die Kneipe verfrachtet. Er war von Hauptberuf Kneipier.

Warum die Malediven vor solchen Leuten verschont geblieben sind, verdanken sie zunächst dem dürftigen Angebot an sonstigen Vergnügen. Dies trifft heute zwar nicht mehr zu, das Angebot reicht bis hin zur Spitze des Luxus für reiche Honeymooner, aber auch solche Taucher gibt es nicht mehr, weil das Tauchen nicht mehr so schick ist. Normal …


Wer will, kann sich trotzdem eine Insel aussuchen, die ohne Luxus auskommt. Sie wird meistens von Tauchern bevölkert, die den Sport eben als normal ansehen. Entsprechend unaufgeregt sind die Lehrer, denen die unangenehme Kundschaft nicht so sehr zusetzt wie an anderen Orten. Man kann also richtig relaxed tauchen. Zudem bieten die Inseln in jeder Tiefe, die einem einfällt, tolle Ansichten. Manchmal habe ich mich gefragt, warum ich überhaupt in die Tiefe muss. Meinen tollsten Mantaschwarm habe ich vor Bathala in nur 3 m Tiefe gesehen. Nach meiner Abreise soll genau dort ein Walhai erschienen sein, den auch die Zurückgebliebenen nicht sehen konnten, weil sie tauchen waren.

Von Fischreichtum zu reden, ist bei diesen Inseln ziemlich überflüssig. Man schwimmt manchmal richtig in einer Fischsuppe. Ein beliebter Ort für eine aufregende Mischung von Bouillabaisse, lebend, war früher eine Stelle namens Fishhead. Diese soll ihren Namen davon erhalten haben, dass dort die Fischer nur Köpfe aus dem Wasser gezogen haben. „Der alte Mann und das Meer“ grüßt. Dort unten waren Haie. Als die Touris kamen, wurde eine neue Sportart geboren, Haie füttern, allerdings mit einem Fisch im Mund. Dieses Spektakel wurde später verboten, blieb aber den Haien fast ewig im Hinterkopp.

Immer wenn der Anker eines Schiffes runter ging, läuteten in der guten Stube der Haifamily die Glocken. Kinder, es gibt was zu fressen. Und nu standen sie da und warteten auf die komisch angezogenen Typen, die seltsam blubberten. In etwa 12 m Tiefe hatte die Natur, oder ein Trupp böser Taucher, eine Tribüne gebaut, wo man wie im Stadion nebeneinander saß und die Haiparade abnahm. Die Fische kamen manchmal so nahe, dass man ihre Augenfarbe erkennen konnte. Sie waren alle etwa zwei Meter lang und Grauhaie. Bis auf die omnipräsenten Riffhaie habe ich dort keine anderen gesehen. In Fishhead existierte wirklich eine Haigarantie für mindestens zehn Jahre.

Die Haiparade war aber nicht alles. Manchmal schwammen riesige Schulen von Barakudas darunter oder dahinter. Und alle üblichen Verdächtigen des Tropenmeers dazu. Es war, wie gesagt, Fischsuppe angesagt. Sie bewegte sich gemächlich vor sich hin, bis plötzlich ein Fisch einen kleinen packte. Im Nu schossen alle Fischfamilien durcheinander. Sekunden später, wieder Suppe, langsam gerührt …

Taucher mögen üblicherweise trübes Wasser nicht, was kein Wunder ist. Man kann weder gut sehen, noch fotografieren. In Fishhead habe ich allerdings erlebt, dass auch trübes Wasser reizvoll sein kann. An einem Nachmittag trübte sich das Wasser noch während des Tauchgangs merklich ein. In unserer Nähe war es aber noch klar. So erlebten wir ein seltenes Schauspiel, bei dem Fischschwärme aus der Wolke heraus auftraten, ihr Gastspiel abgaben, um anschließend wieder zu verschwinden. Danach waren andere Fische dran. Besonders toll sahen Schwärme mit etwa ein Meter langen Barrakudas aus. Sie sehen imposant und bösartig in die Menge. Wenn ein zwei Dutzend Fischmäuler mit Furcht erregenden Zähnen aus dem Nebel heraus schwimmen, kann man auf Hitchcock lässig verzichten.

Eines Tages wurde ich Zeuge eines Spektakels, das aber verboten sein sollte. Es kamen etwa 15 Italiener, die sich bei 20 m Tiefe im Kreis postierten, mit einem Berg Fischköpfe in der Mitte. Sie schalteten die Scheinwerfer ein und richteten ihre Kameras auf den Haufen. Nur wenige Minuten später, Haie! Diese schwammen aber nicht so gelangweilt rum, vielmehr schossen sie aus allen Richtungen über die Köpfe der Italiener hinweg in die Mitte. Eine riesige Fressorgie hatte ihren Lauf genommen. Ich selbst habe mich hinter Korallen versteckt. Man kann ja nie wissen. Angeblich werden Haie wild, wenn sie Blut riechen. Die Story ist vermutlich so wahr wie die von den Piranhas, die ein Rind binnen Minuten zum Skelett abnagen.

Als die Fischköpfe aufgegessen waren, ordneten sich die Haie zusammen und schwammen wie unbeteiligt davon. Grauhaie sehen dabei aus als wären sie aus hartem Material. Sie bewegen ihre Flossen kaum, während die Riffhaie eher schlängelnde Bewegungen vollführen. Am schönsten sehen aber Seidenhaie und Leopardenhaie beim Schwimmen aus.

Fishhead heißt  heute immer noch so, es sollen aber die Haie fehlen. Vermutlich ist die Family nach Italien ausgewandert und lebt von ihrer Filmgage. Wer weiß?

Und noch ein paar Fische mehr

Creatures of the night

Angeblich darf man auf den Malediven nachts nicht tauchen. Stimmt vielleicht. Ich bin aber auf mindestens vier Inseln nicht nur in der Nacht, sondern auch noch über die Nacht in den nächsten Morgen getaucht. Zwei Mal ist aber mir passiert, dass der Nachttauchgang ein Dämmerungstauchgang war. Dieser muss nicht schlecht sein, aber nichts geht über Tauchen in der tiefen Nacht. Daher, bitte vor der Buchung klären, was ist?

Während in der Dämmerung noch die Tagwesen ihr Unwesen treiben (fressen), kommen die Geschöpfe der Nacht langsam in die Gänge. Zuerst machen sich die Langusten auf den Weg, um lecker Aas zu finden. Dann beenden die Barakudas den üblichen Teil der Jagd und eröffnen einen unnatürlichen, die Jagd auf die Taucher. Nicht dass sie diese beißen täten, nein, sie jagen im Licht der Taucherlampen. Wenn keine Taucher da sind, weil sie im Boot beim Abendessen sitzen, gehen sie im Licht der Tauchboote ihrer Beschäftigung nach.

Die Korallen falten ihre Polypen aus und fangen auch mit der Jagd an. Da sie sich nicht bewegen können, fällt die Beute magerer aus. Ein wahnsinnig aufregendes Schauspiel findet nur einmal im Jahr statt, die Korallenblüte, coral spawning. Diese wurde erst vor 20 Jahren wissenschaftlich dokumentiert. In der Nacht der Nächte geben alle Korallen gleichzeitig ihre Eier und Spermien frei. Man kommt sich vor wie im Nebel. Das ganze Meer füllt sich mit dem Nachwuchs, der sich langsam aus dem Staub macht, um sich woanders ein Häuschen zu bauen. So bewegen sich Leute fort, die ihr Haus nicht einfach auf dem Rücken mit sich tragen.

Von diesen Tieren die ärmeren Verwandten, die Nacktschnecken, machen sich auch auf den Weg. Wohl die größte und bekannteste von ihnen, die spanische Tänzerin, sieht man nur in der Nacht. Wo sie sich sonst aufhält, verrät sie nicht. Anders beim Gorgonenhaupt, einem Tier, das wie eine Baumwurzel ausschaut, wenn es denn gesehen werden will. Tagsüber sieht es aus wie eine Sellerieknolle. Nachts rollt es eine Vielzahl an Armen aus und fängt sich seinen Dinner.

Nachts tun andere das, was Menschenkinder tun, wenn sie Kinder haben wollen, oder meistens keine. So eine Tintenfischhochzeit dauert manchmal einen ganzen Tauchgang lang, und das ohne die Mittelchen, die auch Menschen das Vergnügen verlängern sollen. Noch besser sieht die Hochzeit der Kalmare aus, die sich auch viel Zeit nehmen. Wie sie sich mit den vielen Armen umarmen, wieder zurück fahren und wieder vor, erinnerte mich an den Film Barbarella mit Jane Fonda.

Ein Highlight für Mutige ist, selbst creature of the night spielen. Wenn in einer Gruppe alle die Lampen ausmachen, gibt es in 40 m Tiefe außer den Augen bestimmter Fische, die durch das Wasser schießen, kein Licht - wenn man sich überhaupt nicht bewegt. Jede Bewegung wird begleitet durch viele Sterne. Wer richtig schwimmt, sieht aus wie ein Alien aus den science fiction Filmen. Meeresleuchten …

Besonders witzig ist es, Papageienfische zu beobachten, wie sie schlafen. Sie bauen sich einen Beutel aus Schleim um sich, damit die Muränen ihren Geruch nicht wahrnehmen. Sieht aus wie Fisch im Bratschlauch. Leider darf man nicht mehr mit der Lampe auf sie zeigen, weil sie aufwachen könnten. Braten darf man sie aber, nur nicht am Riff.

Ein Viech, dem ich lieber nie wieder begegne, hieß Benno oder so. An der Stelle, wo er lebte, lagen wir vor Anker.  Zwei Mittaucher und ich wollten einen Nachttauchgang machen, wurden aber vom Tauchguide zurück gepfiffen: „Macht das nich!“ hatte er gesagt, wurde aber nicht erhört. Wir tauchten trotzdem. Als einer von uns sich Richtung tiefes Wasser bewegt hatte, kam aus dem Nichts ein Hai angeschwommen. Dieser umrundete den Taucher und verschwand im Dunkeln. Nur Sekunden später kam er auf ihn zu geschwommen, diesmal aber schnell. Der Taucher paddelte kräftig rum, weil er bei der Vorbereitung seiner Kamera das Gleichgewicht verloren hatte. Der Fisch umrundete ihn wieder, schwamm weg und schien, nicht mehr Interesse zu haben. Dann schoss er aus dem Dunkeln wie ein D-Zug auf den Taucher und versuchte, in die Flosse zu beißen. Dieser trat im kräftig auf den Kopf und der Hai verschwand. Sofort haben wir uns zwischen den Korallen versteckt und jede Bewegung vermieden. Nach fünfzehn Minuten sind wir nach oben.

Als er die Story hörte, fragte der Tauchguide, wie lang der Hai denn gewesen ist. „So anderthalb bis zwei Meter, aber schlank …“. Der Tauchguide grinste und sagte „Ich habe euch gewarnt. Der andere kann es nicht gewesen sein, der ist vier Meter lang!“ Aua! Normalerweise werden Riffhaie maximal zwei Meter. Die meisten, die man trifft, sind eher eineinhalb Meter lang. Dieser hier war ein Riese und zudem sehr Revier bewusst. Benno haben wir zum Glück nicht getroffen. Er ist hoffentlich nicht böse, dass ich ihn auch nie mehr treffen möchte.

Niemand braucht Angst zu haben, dass ihm solche Begegnungen bevorstehen. Gefährlich sind Haie nur für Fische und Surfer. Tödlich können eher Moskitos werden, aber nicht auf den Malediven. Dort sind sie allenfalls lästig. Die gefährlichsten Attacken reiten hingegen Drückerfische, die einem auch was abbeißen. Zwei davon hießen Bruno.

Seltsame Wesen

Mir ist rätselhaft geblieben, warum ich dauernd über manchen Fische stolpere, während mir andere ewig nie begegnet sind. So bin ich nie einem Seepferdchen begegnet, obwohl ich gerade an einem Gewässer aufgewachsen bin, wo sie zuhauf leben. Nur einmal hat mir ein Tauchlehrer eines gezeigt. Auch der Seehase, das Weichtier, nicht der Fisch, ist mir nur einmal über den Weg gelaufen, immerhin auf den Malediven. Hingegen habe ich auf Kreta beim Essen in einem Hafenrestaurant einen Barakudaschwarm gesehen! Einen Walhai werde ich wohl nie sehen.

Hingegen wurde mein Traum von einer Begegnung mit einem Manta auf den Malediven wahr. Das erste Mal hatte ich einen Manta auf Heron Island gesehen, als der das Riff streifte. Etwa ein Meter Flosse guckte aus dem Wasser, während der Rest, bestimmt weitere fünf Meter, unter Wasser geblieben war. Mir war nur der Anblick der Flosse vergönnt.

Gleich nach Ankunft auf Bathala, auf meiner ersten Reise, ging ich Schnorcheln und kriegte den Mund nicht mehr zu. Vor mir schwammen etwa fünfzig Mantababies. Etwa 1,3 m breit. Es sollte ein paar Jährchen dauern, bis ich großen Mantas begegnet bin. Wenn sie mit ihren etwa vier Metern Flügelspannweite ein oder zwei Meter über einen schwimmen, hat man das mulmige Gefühl, von einem Flugzeugträger überfahren zu werden. Maximal sollen sie 7 - 8 m breit werden. Sie sehen so spektakulär aus, dass sie Hans Hass in dem Film „Abenteuer im Roten Meer“ zu einer tollen Szene verleitet haben: Ein Manta greift Frau Lotte an, und der brave Hans verjagt ihn mit einem Schießprügel. Nur, dass Mantas weder Lotte noch Sprotte fressen, nur Plankton. Hat Hans wohl nicht gewusst. Oder?