Ouvertuere

 

Diese Vehikel müssen öfter mal über festgetretene Trampelpfade der Tiere, mal durch das Meer aus Gras. Die Sache mit dem Meer ist sehr ernst gemeint, unter dem Gras ist häufig knietief Wasser. Meine Gruppe wurde noch heil ins Camp gebracht - die nächste Gruppe musste aber eine erste Mutprobe bestehen. Das Auto blieb trotz Schnorchel mitten im Wasser stehen, was für sich gesehen nicht so schlimm war. Es fühlten sich aber einige Elefanten in ihrem Vorfahrts-, pardon Vortrittsrecht, gestört. Sie greifen zwar Autos mit Menschen normalerweise nicht an, allerdings wenn sich diese als Rivale um die Herrschaft gebärden. Außerdem kennt sich ein frisch ankommender Touri nicht so gut im Seelenleben von wilden Elefanten aus. Deswegen fühlten sich manche Neuankömmlinge ziemlich feucht an, was nicht allein durch die vielen Fahrten durch tiefes Wasser zu erklären war.

Auf dem Wege zum Camp passierten wir komisch aussehende kleine Hütten. PJ erklärte uns, diese wären mit Studenten besetzt, die einem wahrlich einzigartigen Naturphänomen nachgingen. Hier hatten zwei Löwenmännchen, sonst immer Alphatiere, sich zusammen getan und ihre Rudel vereint. Sie waren nämlich Zwillinge, die sich nicht trennen wollten. Das Ergebnis war ziemlich verheerend für die sonst so stolzen Elefanten und die weniger dicken Hippos. Die etwa 24 Löwen starke Mannschaft jagte Nilpferde im Wasser. Wenn das Wild mal ausbleibt, soll sie auch erwachsene Elefanten töten. Das geht allerdings nur mit psychologischer Kriegsführung: Sie folgen dem Elefanten (immer Bullen) so lange auf Schritt und Tritt, bis dieser mit nervösen Zuckungen umfällt. Das soll so etwa eine Woche dauern. Brrr! Dabei hatte man mir zu Hause erzählt, dass Löwen nicht einmal Reiter angreifen, weil diese mit dem Pferd zusammen nicht nach Beute aussehen. Und nun dieses! Die Reise fing ja gut an! Fast wie im Löwenkönig - leider waren wir die potenzielle Beute. Im übrigen - die hiesigen Warzenschweine sehen so lustig aus wie im Film!

Den Löwen vom Okavango haben verschiedene Regisseure Filme gewidmet, weil sie wirklich besonders sind. Sie zeigen ein in der Löwenwelt einmaliges Verhalten: Die einstigen Steppentiere haben sich enorm schnell an die Lebensverhältnisse im Nassen angepasst. Sie ziehen ihre Kinder im Wasser groß, sie jagen Wassertiere, und sie bekriegen andere Löwenclans nicht, wenn sie auf einer Insel ihre Zelte aufschlagen. Not macht erfinderisch.

Es kann sein, dass die Wassernot an der Quelle des Okavango eines schönen Tages diesem Tierparadies den Garaus macht. Die Leute wollen dort einen Damm bauen und das Wasser nützlich verwenden. Wie man so etwas anstellt, kann man bei den Amis lernen. Sie haben den Colorado aufgestaut und verlieren so erst einmal viel Wasser durch Verdunstung. Den Rest bekommt zu einem erheblichen Teil eine Stadt, die wirklich niemand auf der Welt braucht: Las Vegas! Um deren Anteil zu vergrößern, will man sogar den Bauern das Wasser abzwacken. Afrikaner können viel von der Zivilisation lernen.

Nach einer ziemlich abenteuerlichen Fahrt gelangten wir zum Camp. Dieses war am Wasser unter einer Baumreihe angesiedelt und machte sich durch einen Elektrozaun bemerkbar, hinter dem sich die Pferde wohl fühlten. Ansonsten wären unsere Reittiere wohl ziemlich schnell von Löwen und Hyänen in Besitz genommen worden, die Pferde wirklich gerne haben, zum Fressen gern. Hinter diesem Zaun warteten prächtige afrikanische Rösser auf die neuen Reiter, darüber eine Horde Affen, die nachts in den Bäumen tobten.

Safari oder Regatta …

Eine Regatta ist eine Art Rennen auf dem Wasser, oder? Und ein Pferd ein Steppentier? Stimmt doch! Was ist dann ein Rennen im Wasser auf Pferden? OKAVANGO!

Gesehen hatte ich Okavango schon öfter im Film und Fernsehen. “Die Götter müssen verrückt geworden sein” hieß der Film aus der Wüste Kalahari mit dem “Go Away” Vogel, der am Ende verspiesen wird. Und “Die lustige Welt der Tiere” mit den besoffenen Elefanten und vielen drolligen Tieren spielt zum großen Teil im Okavango. Dass ich selbst eines schönen Tages dort landen würde, hätte ich für ein Gerücht gehalten. Schon gar nicht auf dem Pferderücken, denn Pferde sind Steppentiere, wie man weiß.

Okavango ist das Land, das fast immer zur Hälfte oder mehr unter Wasser steht, obwohl es dort so gut wie nie regnet. Etwa alle sieben Jahre einmal. Dagegen sind viele Orte in der Sahara die reinsten Regenlöcher. Wie aber kommt man auch die Schnapsidee, in einer Wüste voll Wasser reiten zu wollen? Nicht nur die Götter müssen verrückt geworden sein! Ich war jedenfalls nicht zu halten, nachdem ich dieses Bild gesehen hatte.

Es war weder die göttliche Eingebung noch die Vorsehung, die mich in das Okavango Delta brachte, sondern der schlichte Zufall. Manche nennen ihn trotzdem Vorsehung… Vielleicht haben sie mit ihrer Vorstellungsogar recht. (Bilder: www.pferdesafari.de) Bei solchen Begegnungen ist der Name letztlich egal. Wie kommt aber einer auf die Idee, gerade dort zu reiten, wo es nicht einmal Menschen gibt?

Nach einem Flug mit einer Schleife in Victoria Falls landete ich tatsächlich in einer wundersamen Stadt. Die Szenen am Flughafen erinnerten an Afrikafilme älteren Datums. Natürlich konnte man in Maun keine Träger mehr mieten, die die Last durch den Urwald tragen. Aber jede Menge Range Rovers. Vielleicht wartete auch der Urahn von denen, der Land Rover von Ernest Hemingway bei meiner Ankunft auf Kundschaft, nachdem Papa freiwillig in die ewigen Jagdgründe abgeflogen ist. Das exotischste, was ich aber hier gesehen habe, waren die Esel. Die kenne ich sonst aus dem Balkan oder der Türkei, wo sie u.a. eine besondere Rolle im Eheleben armer Leute spielen: Wer seine Frau nicht schlagen will, haut den Esel. Da man glaubt, dass diese nette Behandlung der Haut des Esels eine besondere Fähigkeit verleiht, nämlich anstandslos Prügel einstecken zu können, werden die großen Trommeln mit Eselsleder bespannt. Sagt man! Es soll genügend Esel geben, die so etwas glauben. Es gibt noch derbere Stories über die Verwendung von Eseln, aber die gehören nicht hierher, Sodom liegt nicht in Afrika.

Die Esel in Maun sind aber besonders privilegiert (Bild: ). Sie stammen von den Karawanen ab, die man hier aufgelöst hatte. Heute weiden(!) sie das Stadtzentrum ab, meistens in Begleitung eines Füllens. So ein Eselsleben dürfte es nirgendwo geben. Niemand stört sie, niemand haut sie. Die Löwen kommen nie mehr in ihre Nähe, weil sie sich nicht in die Städte trauen. Die Esel von Maun haben es nicht eilig, in den Himmel zu kommen, sie befinden sich bereits in einem himmlischen Gefilde. Wenn da nicht die Fremdlinge wären, die aus allem Geld machen … Die frei laufenden Esel waren manchen ein Dorn im Auge.

Einst hatte ein findiger Ungar der Stadt ein attraktives Angebot gemacht, eine Salamifabrik mit vielen schicken Arbeitsplätzen. Natürlich hatte er dabei die vielen herrenlosen Esel im Hinterkopf gehabt. Njet - wir behalten unsere Esel solange wir nicht verhungern. Arbeitsplätze können wir auch anders schaffen, z.B. durch 1001 Frisierbuden, um die die Esel streunen. Da drin machen Afrikaner anderen Afrikanern - na was? Afrofrisuren. Den Eseln imponiert das Ganze aber nicht. Sie fressen alle denkbaren Gegenstände, aber auch undenkbare wie Plastikkotflügel von Uraltautos. Das einzig Imponierende für diese Tierchen sind die furchtbaren Krokodilmäuler im Okavango Fluss, in die sie manchmal geraten.

Maun - Wo eine Eselei zur Tagesordnung gehört

Durch Surfen! Allerdings im Internet. Eigentlich wollte ich die Adresse eines australischen Freundes suchen, der eine Pferderanch hat. (Für Neugierige: unter kann man erfahren, wer er ist.) So tippte ich “horseriding” und "safari" in Yahoo und bekam eine Antwort, die man nur mit Yuhuu quittieren konnte: Vor meinen staunenden Augen formte sich ein Bild aus Afrika, auf dem ein Reiter eine Rüsselparade abnimmt. Einige Wochen später wusste ich, dass er PJ heißt, und stand im gleichen Tableau fünf Meter hinter ihm. Bis dahin waren es aber aufregende Wochen.

Während meine Frau mich wegen der Tiger (pardon) Löwen und Elefanten im Wildgebiet bereits im Voraus für ziemlich tot erklärte, drohte Ungemach aus einer anderen Ecke. Bis zu dieser Reise hatte ich naiverweise geglaubt, dass die deutsche Lufthansa ein Unternehmen in der Dienstleitungsbranche wäre. Diesem Irrtum war ich erlegen, weil man mich wegen meiner vielen Reisen mit einer frequent traveller card ausgestattet hatte, was einen zum Beispiel zu einem Freibier auf dem Münchener Flughafen, frisch vom Fass, berechtigt. Als ich meine vielen Freimeilen Richtung Südafrika abfliegen wollte, kam der erste Schock: Wer exklusiv reisen will, muss vorher exklusiv gereist sein, damit er nicht zahlen muss. Dachte ich. Offenbar waren meine Reisen nicht exklusiv genug gewesen, denn die LH sagte NJET, alle Flüge nach Südafrika bereits seit Monaten ausgebucht, die kostenlosen, meine ich. Wer so 6.000 Emmchen zahlt, bekäme noch ein Plätzchen. Die Call Girls vom Büro wiesen mich gnadenlos ab. Pech, der Aufenthalt war gebucht, nur die Hinreise nicht.

Geholfen hat am Ende nicht das Internet, sondern das Faxgerät. In meiner Not hatte ich noch ein Fax mit meinen Wunschterminen losgelassen, das wohl jemand anders bearbeitete. So kam ich nach Maun in Botswana. Ich meine … vorerst nicht ganz … und ohne mein Reitzeug. Reiten im Wildgebiet ohne Reitzeug - tolle Vorstellung! Und ohne Mückenschutzmittel im Reich des malaria tropica - der tödlichen Sorte

Da ich wirklich keine Lust hatte, ohne Reitzeug nach Afrika zu reisen, blieb ich so lange am Eingang des Bombers nach Jo´burg stehen, bis der Pilot sagte, dass ich ab jetzt für die Verspätung aufkommen muss. Und würde vermutlich von den anderen Gästen angemessen lieb behandelt, die ohne mich nicht abheben konnten. Ich gegen eine Jumboladung übel gelaunter Fluggäste. Der Kluge gibt …

Am nächsten Morgen wartete ich vergebens, dass mein Rucksack abgeliefert wurde. Im Büro der Lufthansa namens "Lost and Found" oder ähnlich, grinste ein Mitarbeiter breit und zeigte mir triumphierend eine e-Mail. Mein Gepäck wäre noch in Frankfurt und würde aber noch heute abfliegen. Warum der Hammel mich die ganze Zeit hat warten lassen, wollte er mir nicht erklären. Seine Kinnläden fielen aber herunter, als er hörte, wo er mein Gepäck abzuliefern hatte: Eine Staubpiste im Okavango Delta. Wenn es schneller geht, vielleicht in Maun, einer wahrlich wundersamen Stadt in Botswana.

Wer sein Schicksal in die Hände dieser Gesellschaft legt, sollte sich nicht allzu sicher fühlen. Nach der Buchung hatte ich mich erst einmal gegen zwei wirklich tödliche Gefahren abgesichert, die die nette Dienstleistungsfirma erfolgreich außer Kraft gesetzt hat: Mein Mückenschutzmittel gegen die malaria tropica war nämlich durch deren Dummheit und gegen meine Vorwarnung in Frankfurt geblieben. Dasselbe galt für meine Malariatabletten und meine Anti-Wolf-Unterhosen. Diese lustigen Utensilien sind Slips ohne Naht und bewahren einen vor Qualen, die schlimmer sind als der Tod: Sich einen Wolf reiten und danach viele Tage weiter reiten. Alle drei Vorkehrungen, die ich getroffen hatte, hat die Lufthansa außer Kraft gesetzt, beharrlich und erfolgreich.

Dabei wusste ich von meinem Rückflug aus San Francisco am Morgen des Abflugtages, dass in Frankfurt Chaos ausgebrochen war und hatte darauf bestanden, dass ich meinen Rucksack in Berlin in die Kabine nehmen darf. Ich durfte nicht, obwohl mein Gepäck gegenüber den Koffern, die manche Geschäftsleute mitschleppen, wirklich klein war! Musste ja auf dem Pferd mitgeschleppt werden können. Half nichts!Man befahl mir barsch, den Rucksack abzugeben, obwohl er kleiner war als die Koffer, die manche Leute ohne Probleme mitnehmen dürfen. So kam es, wie ich vorher gesehen, aber nicht gewollt hatte.

Jahre danach wurde die Geschichte noch getoppt. Ich musste 11 Stunden in Frankfurt auf einen Flug nach Australien warten, weil die Dienstleistungsfirma angeblich wegen einer kaputte Maschine in Berlin den Anschlussflug absagen musste. Alle versprachen artig, man werde sich Mühe geben, dass ich meinen Flug erwische. Nicht einer hat den kleinen Finger krumm gemacht. Wenn man von randalierenden Passagieren im Flieger hört, muss es nicht an denen liegen.

Für mich hatte sich die Reise gelohnt, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hatte. Die Szenerie entsprach zwar mitnichten meinen Vorstellungen, die ich aus den Filmen meiner Kindheit, z.B. „Mogambo“ und „Schnee am Kilimandscharo“, abgeleitet hatte. Dennoch fand ich mich hier in einer anderen Welt. Viele Friseurbuden auf einer großen vertrockneten Wiese und hunderte Eselinnen mit Füllen mitten im Stadtzentrum! Die Buschtrommeln bieten sie wohl irgendwo im Souveniershop zum Kauf an, benutzen tun sie nur noch Handies - wie wir. Das Handy scheint überhaupt ein Grundbedürfnis für alle Menschen zu sein, das im Alten Testament und im Koran aus unerfindlichen Gründen vergessen worden ist. Kaum auszumalen, wie die Geschichte von Moses geschrieben würde, wenn er nicht zum Berg Sinai marschieren müsste, um die Zehn Gebote zu empfangen, sondern diese per SMS erhalten würde. Und Mohammed wäre die Reise von Jerusalem erspart geblieben, wenn er ein WAP Handy gehabt hätte.

Die wenig lustige Seite des Lebens in Maun zeigen die weiteren Bilder aus der Regierungswebsite, aus der die letzten Bilder sind. ACHAP ist ein Kürzel gebildet aus African Comprehensive HIV/AIDS Partnerships. Das Land Botswana leidet unter einer der schlimmsten Katastrophen, die den Kontinent je getroffen haben - AIDS. Da ist auch die Hilfe von Dr. Shumba aus Malawi gefragt - oder wer sich sonst engagieren möchte. Etwa jeder Fünfte soll infiziert sein!

Mein Ziel lag noch in weiter Ferne. Ich musste nur eine Nacht in dem Riley´s Hotel übernachten. Zwar rangiert dieses hinter Khwai River Resort mit fünf *****. Dessen Name erinnerte mich aber eher an Thailand und Krieg. Nach einer wunderbaren Afrika Nacht, d.h. viel Bier an der Bar unter´m Sternenhimmel, besuchte ich eine Tauschbörse für Bücher auf dem weitläufigen Hotelgelände. Zu meinem Erstaunen waren nicht nur Romane und Groschenhefte darunter, sondern auch ein Buch, von dem ich selbst ein Exemplar besitze, Metallurgie. Aber dann schnell zum Flughafen, wo ich mit weiteren zwei Figuren einen Kleinstbomber bestieg, den PJ selbst zu steuern pflegte. Wir flogen über ein grünes Wunderland und konnten unten auch mal die Elefanten in Herden sehen, wie sie sich im Wasser tummelten. Am meisten haben mir aber die Geier imponiert, die uns entgegen flogen - so mit 250 Sachen Geschwindigkeitsdifferenz. Die Landung erfolgte auf einer kurzen Piste halb im Wasser. Dort wartete der "Truck", ein Schnorchelauto.