Reise mit Hindernissen

 

Nach Rarotonga kommt man heute meistens über zwei Wege. Diejenigen, die so viel Geld besitzen, dass sie es in 1000 $ Noten nicht ins Fluggepäck bekommen, weil zu schwer, Reisen mit einem der schwimmenden Städte an, von denen ich eine, leider in einer anderen Stadt, habe fotografieren können. Diese sind so hoch, dass der König von Tonga sie besucht, wenn sich ein solches Schiff vor seiner Hauptstadt blicken lässt. Bei ihm ist nämlich Sitte, dass der mit dem kleineren Haus dem mit dem größeren seine Aufwartung macht.

Die ärmeren Interessenten hingegen müssen wohl oder übel einen Platz in der Touristenklasse eines Air NZ-Bombers ergattern. Dann erleben sie aber etwas, was den Reichen erspart bleibt. Wer aus dem Osten kommt, muss vor Rarotonga die Datumsgrenze überfliegen. Dann ist auf einmal gestern. An sich keine schlimme Sache, wenn man mit der Zeitrechnung umgehen kann. Leider ist dem nicht so.

Als ich die Angelegenheit in Deutschland regeln wollte, riet man mir, dies lieber erst in Australien vorzunehmen. Die dort hätten mehr Erfahrung mit diesbezüglichen Angelegenheiten. In Australien angekommen wollte man sich die Finger nicht verbrennen und verwies mich auf die diesbezüglichen Künste des Personals auf Fiji, eines Landes, das direkt an der Datumsgrenze liegt, diesseits. Hört sich plausibel an. Leider, leider, wollte sich das hoch qualifizierte Personal nicht da rein hängen, weil ich dummerweise vorher auf eine Insel wollte, die jenseits der Datumsgrenze liegt. Zu allem Verdruss herrschte auf dieser Insel auch noch eine eigene Inselzeit, damit die Gäste länger Sonnenschein genießen. Die Sommerzeit in Deutschland eingerechnet, die Stunde Inselzeit abgezogen, ein Tag hinzu und wieder weggerechnet, wurde meine Reiseplanung zu einem Puzzle mit 5.000 Stücken.

Die klügste Antwort auf mein Problem gab eine Angestellte des Reisebüros auf Nadi: „Sir, Sie kommen bitte einen Tag früher zurück, als Sie denken. Entweder geht Ihr Flieger gleich, oder einen Tag später.“ Da ich aber einen Tag gewinne, wäre der Tag ja nicht verloren. Oder?

Die Ankunft auf Rarotonga gestaltete sich sehr ungewöhnlich. Der große Bomber rollte ganz in die Nähe einer großen überdachten Fläche, die nicht nur den Saal für die Ankunft, sondern, wie ich später feststellte, auch den für den Abflug simulierte. Auf der Treppe nach unten fiel den Kindern etwas auf, obwohl sie garantiert nirgendwo gelernt haben konnten, dass sich dies nicht gehört: Die Mondsichel hing nach unten und deren beide Enden guckten gleich hoch. Dieses Bild erlebt man in Europa niemals. Aber, woher wussten die Kinder das?

Danach fühlten sie sich noch überraschter, als uns ein Mann mit einer Gitarre empfing. Er saß, etwas überhöht, in der Mitte des Platzes und sang Willkommenslieder. Hinter ihm stand eine Menge Volk, obwohl wir die ersten unter den Aussteigenden waren. Nanu? Das waren die abreisenden Gäste, denen der nette Mann später Abschiedslieder spielte. Es handelte es sich um einen Vielzweckplatz sowie einen Vielzweck-Gitarristen.

Als ich die recht einfachen Einreiseformalitäten erledigt hatte, schnappte ich uns eines der beiden wartenden Taxen, das uns zum Hotel fuhr. Während ich die etwas umständlicheren Check-In-Formalitäten des Hotels zu erledigen versuchte, kam eine lärmende Truppe mit einem Reisebus an. Kaum zu glauben, eine Gruppe Rentner aus Baden-Württemberg auf Weltreise. Und laut wie Schulkinder. Ich verfluchte den Tag, an dem ich die Reise hierher beschlossen hatte. Mallorca hätte es auch getan. Und die Kinder zu Hause dürfen nie so lärmen, weil sie die Ruhe der Alten stören.

Ich sollte mich noch weiter wundern, denn das Hotel war voller deutscher Gäste. Wie denn das? Des Rätsels Lösung: Wer in Deutschland sein Hotel für Rarotonga bucht, kommt in eines der beiden Hotels, die Verträge mit deutschen Reisebüros haben. Daraus kann man zweierlei lernen: Erstens, wenn man Deutsche meiden will, und das billig, bucht man über Internet, britisch oder niederländisch, auf Gran Canaria. Zweitens: Wer die große weite Welt beschnuppern will, sollte mit deutschen Touristen rechnen, überall. Warum auch nicht?

Wo sind wir?

 

Auf der Hinreise habe ich die Sache noch hingekriegt. Über den gewonnenen Tag habe ich mich dann riesig gefreut. Als ich am vorletzten Abend unseres Aufenthalts an der Hotelbar saß, fragte mein Nachbar, ob ich es denn nicht so eilig hätte mit der Fahrt zum Flughafen. Heute wäre der Wochentag, an dem der Flieger kommt. Heute soll ich fliegen? Und was ist mit meinem gewonnenen Tag? Ein Mega-Gelächter schallte mir hinterher, als ich in unser Bungalow rannte, um die Kinder einzupacken. Das Gepäck hätte ruhig da bleiben dürfen.

Und schon erschien meine Taxifahrerin, die ich vorsorglich bei der Ankunft bestellt hatte. Sie konnte Tickets lesen.

Wann sind wir?

 

Die Abreise, die wegen meiner Unfähigkeit im Umgang mit der Datumslinie beinahe hätte um eine Woche verschoben werden müssen, wäre durch eine weitere Dummheit fast ausgefallen. Ich hatte bei der Ankunft, dem Rat eines Reisebüros folgend, das Taxi für die Rückfahrt bestellt. Verständlich, auf einer Insel mit einem Durchmesser von 10 km kann es nicht viele Taxen geben. Wer pünktlich zum Flughafen muss, sollte sich rechtzeitig um die Rückfahrt kümmern.

Gesagt, getan. Als die Taxifahrerin erschien, hatte ich meine liebe Not mit dem Packen. Deswegen habe ich nicht weiter überlegt, als sie fragte, ob ich etwas dagegen hätte, einen jungen Mann zum Flughafen mitzunehmen, weil dem eben ein Taxi fehlte. Auf der ganzen Insel wären heute Nacht nur zwei unterwegs, erklärte sie. Was sagt man dazu? Da der Wagen für uns reichlich groß war, musste ich wegen der Antwort nicht lange überlegen. Wenn der arme junge Mann die Leute verpassen würde, die er abholen wollte, wäre ja niemandem gedient.

Als ich endlich die Kinder und das Gepäck in transportfähiger Formation zusammen gestellt hatte, stellte ich fest, dass das Taxi voll war. Da saßen zwei Leute drin, und der Kofferraum war mit den Gegenständen gefüllt, die diesem den Namen geben. Der junge Mann war nämlich nicht allein und auch seine Koffer wollten ihn begleiten. Er wollte auch nicht einfach zum Flughafen, um jemanden abzuholen. Er wollte abfliegen, und das mit einer großen Ladung Gepäck. Für uns war einfach kein Platz mehr. Nun ließ ich alle Teile zusammen rücken, und wir fanden so viel Raum, dass die Fahrt zum Flughafen möglich schien. Zugegebenermaßen war das Taxi überladen, und der Luftraum zu eng zum Atmen.

Nach nur wenigen Kilometern fing die Begleitung des jungen Mannes, eine junge Frau aus Tübingen, an zu schimpfen, weil es ihr zu eng wurde. Sie forderte uns auf, das Taxi zu verlassen. Sie hätte mit der Taxifahrerin ausgehandelt, dass sie komfortabel zu ihrem Flieger käme. Und nun das: So viele Leute und so viel Gepäck um sie herum. Bei so viel Chuzpe ließ ich das Taxi in freier Landschaft anhalten und bat die Dame, auszusteigen und den gesamten Salat mitzunehmen, das Gepäck und den jungen Mann.

Die Taxifahrerin wechselte mehrfach die Farbe. Der Mann bat uns inbrünstig darum, die junge Dame nicht allzu ernst zu nehmen, was ihm viele geistige Hiebe beim gemeinsamen Weiterflug einbrachte. Grausamerweise genoss ich den Augenblick. Aussteigen hätte ich sie ohnehin lassen wollen, nur ihr das umgehängt, was sie wegen ihres Verhaltens verdient hatte, eine große Glocke um den Hals.

Da wo solche Leute reisen, ist es ratsam, nicht zu sein. Zum Glück trifft man sie selten.

Wo wollte ich nie sein?

 

Am Flughafen wartete der Gitarrist auf uns. Er bat zuerst um Geduld, weil er erst die Ankommenden begrüßen müsste. Danach sang er viele Abschiedslieder für uns, die in der Südsee aber auch ausdrücken, dass man willkommen ist, nächstes Mal. Willkommen und adieu, in einem Lied, das bringen die Leute dort lässig fertig.