Mix besonderer Art
Zu Beginn ihrer Geschichte war der Archipel Seychellen unbewohnt. Das ist zwar überall so gewesen, aber Teile der Welt zogen die Menschen früher an. So war die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, schon vor 9000 Jahren besiedelt, in meiner Geschichte vom Orient Express finden sich noch ein paar andere alte Orte wie Damascus (5000 Jahre) oder Sofia (7000 Jahre). Ab wann die Seychellen die ersten Menschen gesehen haben, kann nur vermutet werden. Diese waren vermutlich Araber. Später sollen die Portugiesen die Eilande entdeckt haben, wie Eintragungen aus 1505 zeigen. Warum die das Paradies nicht für sich reklamierten, ist nicht überliefert. Der Entdecker hörte immerhin auf den Namen Vasco de Gama, kein Unbekannter unter den großen der Zunft.
Erst die Franzosen interessierten sich näher für das Land und schickten zwei Expeditionen und nahmen die Inseln 1770 in Besitz. Die Sache schien so wenig interessant zu sein, dass nur arme weiße Siedler aus Mauritius und Reunion hierher kamen. Da weiße Siedler die Arbeit gerne mit anderen teilen, holten sie sich schwarze Sklaven aus Afrika, Kooperation nach Art des Hauses. Die späteren Kolonialherren, die Briten, versuchten die Inseln ihnen abzujagen, so dass sich die Besitzverhältnisse sieben mal geändert haben sollen. Ab 1811 gaben sie die Inseln aber nicht wieder her. Verwaltet wurden sie aber vom Mauritius aus der Ferne.
Im Jahr 1835 geschah etwas, was einen wundert, weil die sozialen Verhältnisse etwa der Wiege der Demokratie, Athen, entsprachen - die Sklaverei wurde abgeschafft. Damals lebten 680 weiße Landherren und 6600 Sklaven in dem Land, ähnlich wie in Athen, nur waren dort die Sklaven auch weiß.
Die brave Tat der Briten - die die heutige Bevölkerung leider nicht so hoch ansieht - bewog viele der Siedler, woanders hin zu siedeln. Als Ersatz brachten die Briten schwarze Sklaven hierher, die sie Sklavenhändlern abgejagt hatten, als freie Bürger, freilich. Mit den Briten kamen auch Inder, Chinesen und Malaien. Am Ende dieser kleinen Völkerwanderung besaßen die Inseln einen Cocktail aus vielen Menschenrassen, allerdings ohne die Animositäten, die anderswo heute noch an der Tagesordnung sind.
Vermutlich dadurch entstand ein wunderbarer Mix aus Gesichtern, die man in anderen Teilen der Erde vergebens sucht. Selbst in der Türkei, wo seit tausenden von Jahren die Bevölkerung ständig durch neue Menschen aufgemischt wird, kann man recht eindeutig die Herkunft eines Menschen ziemlich genau aus dem Gesicht ablesen, nicht so auf den Seychellen. Allenfalls die arabischen Gesichter mit den scharfen Adlernasen verraten, wo deren Träger wohl herkommen.
Die Inseln besaßen also keine Bevölkerung, als die Europäer sie fanden, was sie gegenüber anderen Kolonien hervor hebt. In der Karibik musste die „indianische“ Bevölkerung - bis auf winzige Reste auf Domenica - ausgerottet werden, damit die neuen Herrschaften und deren Sklaven Platz finden konnten; in der Südsee wurden die Völker weggefegt, sofern sie die eingeschleppten Krankheiten überlebt haben; nur Indonesien und Malaysia als Inselreiche hatten eine so große Bevölkerung, dass sich eine Ausrottung nicht praktikabel erwies. Heute braucht man für solche Aktionen keine Kolonialherren mehr, man muss nur den Wald roden, durch Ölpalmen ersetzen, und schon sind die unzivilisierten Eingeborenen soweit, dass sie sich den Tod wünschen. So gesehen auf Borneo.
Eine Sause durch die Bars von Victoria, der Hauptstadt, führte mich zu zwei schillernden Figuren, die man als Touri sonst nie kennen lernen kann. Man solle ja nicht denken, dass diese Bars etwa den hiesigen entsprachen. Sie sahen für mich so immens groß aus, dass ich mich an eine Geschichte von O´Henry erinnerte, bei der er den Kellner in einer Bar mit einem Taschenspiegel anlocken musste. Da wir nachts unterwegs waren, kam diese Methode nicht in Frage. Allerdings brauchten wir uns gar nicht so bemühen, weil wir überall gut bedient wurden. Die Sache war dem Umstand zu verdanken, dass mich der Sohn von Pierre ausführte und dieser eine wichtige Position in der Partei inne hatte, die die Unabhängigkeit vorbereitete.
Überall, wo wir ankamen, stand eine schwere Limousine mit einem Kaugummi kauenden Fahrer vor dem Etablissement, und mein Begleiter zischte zwischen den Zähnen „Mancham f…ing“. Die Sache verstand ich nicht, bis wir in einer Bar etwas seltsam bedient wurden. Während alle am Tisch ihr Bier hingestellt bekamen, wurde einem starken Kerl im karierten Hemd sein Bier ins Glas eingegossen. Und das immer wieder. So fragte ich meinen Begleiter, wieso der eine Sonderbehandlung genoss. Er sagte lapidar, der Mann sei Mancham, der Chief Minister. Der Ministerpräsident also. Er würde abends die ganzen Hotels abklappern und seine Bräute aufsuchen, bis ihn der Durst übermannt. Nu sei er mit uns und der Fahrer vor der Tür. „Bitte nenn´ ihn Jimmy!“
Ein Land ohne Volk
Zwei irre Typen auf einmal …
Noch bizarrer gestaltete sich die Begegnung mit einem anderen Herrn, der gekleidet war wie ein römischer Feldherr mit Toga. Ganz in Weiß gehüllt, zog er von Bar zu Bar mit einem Haufen an Begleitern, die er trefflich unterhielt. Ich taufte ihn Methusalix und bewunderte seine Ausdauer. Beim Morgengrauen war der Alte noch ganz mobil.
Als wir gegen Morgen Richtung La Digue ablegten, sah ich ihn in einem Dingi zu einer Dau im Hafen fahren. Ja, das war ein Schiff, auf dem zwischen 15 bis 20 junge Frauen und eine große Kinderschar ein Stelldichein gaben. Methusalix war der Herr über dieses Schiff und wohl der Vater aller Kinder. Er war Italiener, verheiratet mit einer englischen Lady mit einer formidablen Teeplantage in Afrika und ständig unterwegs zwischen Mombasa bis Thailand. Vielleicht gibt es mehr Menschen, die ein solches Leben führen können, das Besondere an Methusalix war aber, dass sein Alter über 70 betrug. Und das alles ohne Zaubertrank!