Big Fisch!

 

Das Gebiet um die Similans rühmt sich seiner Großfische. Und die kleinen? Die sieht man nicht, wenn ein Wetterphänomen zuschlägt, das mir bis heute unerklärlich geblieben ist. Während wir in den ersten Tagen auf Similan schöne Sicht hatten, wurde das Meer plötzlich über Nacht bis etwa 50 m tief trüb. Leider blieb es auch trüb. Daher war es nicht schlecht, dass es viele große Fische gab.

Damals hatte ich noch nicht gelernt, dass man auch im Trüben tauchen kann. Nennt sich „muck diving“, muck wie Dung, anmooriger Boden, Mist u.ä. Man guckt sich die ganz kleinen Tierchen im Sand oder gar im Schlamm an, die nicht weniger wunderbar aussehen als die großen Brüder, Haie & Co. Wie gesagt, die sittliche Reife, mich über Tüpfelchen im Dreck zu freuen, hatte ich noch nicht erworben. Meine Freunde auch nicht.

Unseren Frust bekam eines Tages ein Hai zu spüren. Als wir zu Dritt auf einer kleinen Anhöhe lagen, um die Landschaft darunter zu bewundern, kam ein Grauhai angeschwommen. Mein Freund Bernd, der eine Filmkamera samt Beleuchtung vor sich her schob, machte sich auf zum Hai. Dieser fühlte sich durch die eklatante Verletzung des Protokolls, vor Haien hat man gefälligst Respekt zu zeigen, in seiner Hai-Ehre verletzt. Die indignierte Haltung half ihm aber auch nicht, und er bekam die Kamera auf die Nase gerammelt. Kleines Fehlerchen von Bernd beim Anschwimmen!

Der Hai ließ sich nicht entmutigen und düste auf meinen Nachbarn Fritz und mich zu. Ich fing an zu schrumpfen und hätte mich beinahe im Gehäuse eines Einsiedlerkrebses verkrochen. Nicht so Fritz. Er packte seine Fotokamera und schwamm dem Hai entgegen und ballerte ihm das teure Stück auf die Nase. Ein Fisch, der einem den Vogel zeigt, wäre beinah Realität geworden. Zum Glück erwies sich der IQ des Hais höher als unser und er zog von dannen. Der arme Kerl soll, einem Gerücht zu Folge, zu den Malediven ausgewandert sein, wo die Tauchers z.B. bei Fish Head brav auf der Tribüne sitzen und Hai Hai sein lassen.

Der Abmarsch des Hais gestaltete sich nicht allzu majestätisch und bei weitem nicht so elegant, wie Haie sonst zu schwimmen pflegen. Er wollte weg, weg, weg von dieser Mischpoke. Zum Glück sind die Umweltschützer noch nicht auf die Idee gekommen, haiwidriges Verhalten als Umweltvergehen ahnden zu lassen. Bei manchen Tauchplätzen muss man dazu nicht einmal eine Tat vollenden, der Verdacht eines Anscheins reicht. Z.B. darf man auf der Insel Bonaire nicht mit Handschuhen tauchen, weil dies als Zeichen gewertet wird, dass man etwas anfassen wollen könnte. Und dann? Wenn die Tauchpatrouille einen erwischt, bekommt man ein Knöllchen, ein echtes Unterwasserknöllchen.

Taucher sind wunderbare Naturliebhaber, so nach eigener Einbildung. Sie kennen sich bestens in der Natur aus und meinen, sie wüssten am besten, was ihr gut tut. Wenn ich mich an die Anfänge meiner Karriere als Unterwassermensch erinnere, bekomme ich das große Schaudern. Damals erschien ein Taucher im Outfit eines Maurermeisters mit allen Werkzeugen, die dazu gehören, um eine Mauer abzureißen, Hammer, Meißel, Stemmeisen … Dazu noch ein Netz, oder gar mehrere, um die Beute zu verstauen. Auch was niet- und nagelfest zuweilen Jahrzehnte unter Wasser friedlich vor sich hin gedöst hatte, befand sich ständig in der großen Gefahr, an die Wasseroberfläche zu kommen, um später eine Vitrine zu schmücken.

An diese Vandalenperiode des Tauchens erinnerte ich mich, als mir eine unerwartete Begegnung zuteil wurde. Ich war in eine kleine Höhle geschwommen, deren Eingang mit mir und meinem Drumherum (Tauchgerät, Klobrille*, diverse Schläuche, Schnorchel etc.) ziemlich ausgefüllt war. Als sich meine Augen an die Dunkelheit adaptiert hatten, entdeckte ich eine große Schildkröte, die in aller Ruhe auf dem Boden saß und keinerlei Anstalten machte, davon zu düsen wie die meisten Verwandten. Wie stolz war ich doch, so eine Entdeckung zu machen und ständig von dem Tier bewundert zu werden. Es ließ mich nicht aus den Augen und registrierte alle meine Bewegungen. Wollte es vielleicht mit mir auf die Jagd gehen? Grasen in turtle grass wäre auch eine Alternative, aber ich hasse es, im Essen rumzustehen.

Wie dem auch sei, wir bewunderten uns gegenseitig. Wie die Zeit verging, konnte ich nicht erfassen, weil ich mich nicht traute, eine plötzliche Bewegung zu machen, um auf die Uhr zu schauen. Bei Tauchern ist dies manchmal eine richtige Aktion.

Irgend wann geschah ein richtiges Wunder: Die Schildkröte stand auf und bewegte sich zu mir. Sie öffnete ihre Arme, als wollte sie mich umarmen. Ich hoffte nur, dass meine Luft noch reicht, damit ich die wunderbare Begegnung nicht abbrechen muss. Bei dem Gedanken hätte es bei mir laut klingeln müssen. Tat aber nicht.

*Vorläufer der Taucherweste

Wovon lebt eine Schildkröte?

 

Die Rache für den Hai besorgte ein Drückerfisch. Diese Biester sehen nicht nur wie ein Torpedo aus, sie greifen auch wie eines an. Die Spezies ist vermutlich die größte unter den Drückern und lässt niemanden in die Nähe seines Geleges. Selbst die kleinen Taschenbuchausgaben dieser Viecher schießen wie aus dem Rohr gefeuert auf den Taucher zu und beißen auch mal ein Stück von der Flosse ab. Die größeren, um die 50 bis 70 cm, gehen auch an Achillessehnen, Waden oder Kniekehlen.

Richtig aggressiv werden die Drücker, wenn zu viele Touris um sie herum schwimmen. Dann greifen sie auch ohne Gelege an, bei jeder Gelegenheit. (Bild: Jan Derk, wikipedia). Wenn das passiert, darf der Taucher zu etwas greifen, was seit der Zeit von Jacques Cousteau verpönt ist: zur Harpune.

Unser balistoides, so der lateinische Name, hat nur einem Taucher eine Flosse ausgezogen und einen weiteren so heftig angegriffen, dass dieser seine Restluft in Rekordzeit weggepustet hat. Also Vorsicht vor dieser ballistischen Waffe des Meeres. Kein Märchen: Taucher fürchten keine Haie, sondern Drücker.

Die Schildkröte bewegte ihren Kopf so, als würde sie glucksen. Warum denn das alles? Es dauerte nicht lange - und ich hatte es begriffen. Das Tier kam auf einmal auf mich zugeschwommen, schob mich mit einer Pfote zur Seite und zwängte sich zwischen mir und der Korallenwand durch. Dann sah ich nur noch, wie sie nach oben schoss. O ja, diese Tiere sind kleine U-Boote. Egal wie lange sie auch unten bleiben, ihre Welt ist die da oben. Sie leben von der Luft, aber nicht von der Liebe des Tauchers. Immerhin war dieser Bursche klug genug, meine Ignoranz zu ignorieren. Oder die Not forderte ihn auf, das Riesenvieh am Eingang wegzuschieben.

Das Tauchen in Thailand hat mich, ehrlich gesagt, nicht begeistert. Vielleicht lag es daran, dass ich kurz vor der Regenzeit angereist war, wo andere längst abgereist waren. Möglicherweise verdanke ich die Einsicht den chaotischsten Tauchern, denen ich im Leben je begegnet bin. Diese kamen an, als Klaus die Basis seinem Assi übergab, um den Sommer in Spanien zu verbringen. Dabei hatte er die Truppe nur deswegen angenommen, weil es sich um einen Tauchverein einschließlich Präsident und Schatzmeister handelte. Da man die Disziplin in deutschen Tauchervereinen kennt, muss man sich keine Gedanken machen, wenn die Mitglieder gemeinsam und organisiert tauchen - dachte Klaus. Ich auch. Nach meinen Erfahrungen mit dieser Truppe schrumpfte die Disziplinlosigkeit einer Horde Franzosen aus dem Banlieue von Paris, die nach durchzechter Nacht morgens halb betrunken tauchten, zu einer Lappalie. Meine neuen Mittaucher fuhren bereits morgens mit einem Kasten Bier auf Tauchtour. Motto: Zwischen Leber und Milz, passt immer noch ein Pils. Und darauf, noch eines. Da erschien uns das getrübte Wasser naturgemäß noch viel undurchsichtiger. Seitdem tauche ich viel lieber bei den Arabern auf dem Roten Meer. Ein Griff in den Kühlschrank mit den Biervorräten, egal wann und warum, und man ist gesperrt bis zum nächsten Morgen.

Wer heute auf die Similans möchte, muss sich darauf gefasst machen, dass es dort mehr Boote als Tauchplätze gibt. Für dieses Vergnügen muss man nicht so weit fliegen, zum Roten Meer kommt man in vier Stunden von München aus.