Wie wild darf ein Land sein?
Eine umständliche Anreise
Eigentlich war ich nach Australien aufgebrochen, weil mir ein neuer Freund ein tolles Angebot gemacht hatte. Thorgny hatte sich gerade selbständig gemacht und träumte von einer Karriere als Filmer, als Unterwasser-Filmer. Wir hatten uns auf Fiji kennen gelernt - beim Tauchen, was denn sonst? Ich hatte ihm die Fische zugetrieben, er hatte die gefilmt. Dieses erfolgreiche Team sollte auch professionell arbeiten. Thorgny hatte sich eine Jacht ausgeguckt, die ihn und seine Frau Eira 20.000 Meilen um Australien herum bugsieren sollte. Ich sollte so etwa 500 bis 1.000 davon am Great Barrier Reef mitsegeln.
Als die Jacht fertig war, habe ich mich bereit gemacht für den großen Flug. Die Jacht musste nach der letzten Nachricht irgendwo vor Brisbane, vor der Küste von Queensland. kreuzen. Das ist etwas südlich der Tropen. Sagte Thorgny. Ich trampelte tagelang den Funkern von Norddeichradio auf den Nerven rum, weil sie es nicht schafften, die Jacht auszumachen. Am Ende wollte mich ein Funker los werden und empfahl, nach Sydney zu fahren. Für die dort ist es ein Klacks, Richtung Great Barrier Reef zu funken. Gesagt, getan, Töchter Ines und Biggi unter'n Arm geklemmt, und ab ging die Post. Mit etwa 80 kg Gepäck zusätzlich. Man stelle sich vor, man ruft einen in Feuerland an und erreicht ihn nicht. Dann sagt ein deutscher Beamter, fahr Du doch hin, irgendwo muss er doch sein.
Sydney ist eine der schönsten Städte dieser Welt. Für einen Segler und Taucher eigentlich die beste! Man kann seine Wohnung verlassen, ins Auto steigen und in einem wunderbaren Revier tauchen. Beim Segeln geht es noch besser. In Sydney geht eine Flusslandschaft über in ein Hafenbecken, und dieses geht, nach vielen Inseln, über in den weiten, weiten Ozean. Der Wind weht so stetig, dass hier die am stärksten übertakelten Boote der Welt segelten: 18-footer! Und jetzt welche, die nicht einmal selbst aufrecht schwimmen: 49er! Skiffs …
Auch die Funker von Sydney vermochten die Jacht nicht ausfindig zu machen. Sie war wie vom Ozean verschluckt. Weg! Weg? So kamen wir auf die Idee, erst einmal eine Campingtour am Great Barrrier Reef zu machen. So umme 3.000 Meilen von Cape York nach Brisbane. Die Aussies haben sich als so nette Menschen entpuppt, dass ich mich gewundert habe, wieso ich immer in den USA campen war. Man kann das Land da oben kaum beschreiben, oder unten? Heißt ja Down Under! Am besten selber hinfahren. Ich bekomme keine Provision, Ehrenwort!
Am Ende der Tour, nach zwei Wochen, saß ich diesmal selber am Funkgerät und wurde fündig. Das Funkgerät der Jacht funktionierte - aber in der Wohnung von Thorgny. Die Jacht war gar nicht im Wasser! Er meinte, wir könnten uns noch ein Bisschen in der Gegend rumdrücken. Davon hielt ich aber nichts mehr. Gegenüber Rockhampton liegt die berühmte Insel Heron Island, ein Taucherparadies für Schildkröten-Liebhaber. Nix wie hin! Die Gesichter der Töchter verdüsterten sich. Sie würden aber lieber reiten. Wo findet man aber eine Reitgelegenheit?
Die rettende Idee kam mir blitzartig. Die Gören sollten sich selber darum kümmern. Das Ergebnis war absehbar - Tauchen! Wo könnten die Kinder im fernen Australien etwas zum Reiten finden, wo die doch nicht mal Englisch konnten? Leider, leider hatte ich die Intelligenz meiner Kinder falsch eingeschätzt. Noch während ich den Camper dem Vermieter übergab, fanden sie in der Vermietstation eine Broschüre, die exakt das zeigte, was die Damen sich gewünscht hatten. Papa! Ruf doch mal an! Vielleicht haben die paar Plätze frei. Knurrend rief ich die Nummer auf der Broschüre an. Selbst wenn die Plätze frei hätten, würden sie so einen unfreundlichen Menschen garantiert nicht als Gast wollen.
Die Frau am Telefon druckste rum, als ich fragte, ob sie einen Platz für uns hätten. Ja, ja, wir könnten kommen. Und die 80 kg Gepäck war kein Problem. Wir sollten nur den Bus nach Toowomba nehmen und in Aratula an der Tankstelle aussteigen. Dort würde uns ein Auto abholen. Zwei quietsch-vergnügte Damen sangen mir unterwegs die Ohren voll - schön würde es werden. Adieu, Great Barrier Reef - herzlich willkommen im Great Australian Bush!
Der Bush hatte es wirklich in sich. Das Land wurde immer trockener. (Heute leben dort in der Nähe viele tausend afrikanische Straußen.) Wir waren in einem Land angekommen, aus dem Crocodile Dundee hätte stammen können. (Allerdings haben wir die Geburtsstätte seines ersten Films erst später besucht.) Als der Bus anhielt, sah man den Staub nicht mehr - es war dunkel geworden. Das Auto war schon da - mit Helen, der Frau von John. Sie fuhr uns durch die Dunkelheit zu einem dunklen Stückchen Land. Nichts und niemand war da. Nur ein alter Camping-Anhänger. "Baut euer Zelt auf, wo ihr wollt. Ihr seid allein." sagte sie. Unser Zelt?
Ich weiß nicht mehr, was ich der Dame erzählt hatte. Helen muss Dinge gehört haben, die ich nie hätte sagen können. Geschenkt. Wie Aussies lügen können, kann man in Crocodile Dundee sehen. Der Film ist gespickt mit Botschaften aus dem Outback. So z.B. sein Lauf in der U-Bahn von New York am Ende des Films über die Köpfe der Leute, um Zeit zu sparen. Genau das tun die Australien Shepherd, die Köter der Farmer immer, wenn sie eine Schafherde betreuen. Schafe zusammen bellen, und einfach drüber … Mit dem Lügen muss man sich nur angucken, wie er die Lady aus New York mit der Uhr im Hut an der Nase herum führt.
Wer noch nie in Australien war - und das trifft für den größten Teil der Menschheit zu, tut gut daran, sich wenigstens im Fernsehen darüber zu informieren. Australien ist der älteste und trockenste Kontinent. Dort lebt noch die älteste noch praktizierte Kultur fort, die der Aborigines. Der als Entdecker geltende James Cook hat dieses Land terra nullum erklärt, Land ohne Menschen. Daher durften die Schöpfer dieser Kultur noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts von zivilisierten Menschen wie Kaninchen abgeschossen werden. Es waren deutsche Missionare, die dort Land aufkauften, um Aborigines Zuflucht zu gewähren. Ihre Namen werden daher auch heute mit höchster Verehrung ausgesprochen. Missionare, die nicht Kulturen vernichtet, sondern deren Pfleger vor der Vernichtung bewahrt haben - mal was ganz Neues!
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde