In Balkonien passieren Dinge, die nicht in das Schema von Großstädten passen, deswegen ist Areal durch einen antischweinischen Schutzwall geschützt. In früheren Jahren gelang es den Schweinerotten immer wieder, diesen zu überwinden und das Land zu verwüsten. Dass hieraus ein gesellschaftlich bedeutendes Ereignis wurde, ist neben dem deutschen Fernsehen, reichlich Berichterstattung, einem ebenso deutschen Beamten zu verdanken. Dieser hatte die diplomatische Note mit dem Wunsch nach Entschädigung wegen einiger hundert gefressener Tulpen erhalten, fachmännisch geprüft und so beeindruckend erwidert, dass den Zeitungen nichts anderes übrig blieb, als das Schreiben komplett abzudrucken.

Der Regierung von Balkonien wurde in aller Form die Berechtigung der Entschädigung bestätigt. Auch der Zahlungspflichtige genannt: Die Jagdgemeinschaft Charlottenburg. Diese muss den Geschädigten die abgefressenen Blumen ersetzen. Ja, sie wird es tun, sobald sie sich konstituiert hat. Dazu muss nur das Landesjagdgesetz erlassen werden. Nachdem dies erfolgt ist, wird Balkonien Zwangsmitglied, weil es unmittelbar an den Wald grenzt, aus dem die Schweine kommen. Langsam zum Mitschreiben: Legt das Geld in die linke Tasche, wartet ein paar Jahre, dann dürft ihr es in die rechte tun. Auch die, denen es angesichts der verwüsteten Blumenbeete zum Heulen zumute gewesen war, mussten herzlich lachen.

Auch in Balkonien trug es zu, dass ich am Sinn sonstiger Reisereien zweifeln musste. Ich hatte aus einer Reise in die Karibik eine wunderbare Schale einer Landschnecke mitgebracht. Sie sah hinreissend aus. Völlig entsetzt war ich über den Kommentar: „Wunderbar, im Garten laufen hunderte davon rum. Noch nie aufgefallen?“ Stimmt!

Balkoniens Fauna übertrifft alle Erwartungen. Früher lebte eine Rattenkolonie im Domizil, die beileibe nicht alle tierischen Geschöpfe ausmachte. Ein Kater, einige Hamster, ein Hund, zwei Mäuse, zwei Meerschweinchen u.ä. gesellten sich dazu, und viele Zierfische. Am liebsten hätte man noch ein Pferd gehabt, was leider daran scheiterte, dass die Verträge mit dem Land Berlin es nicht zuließen, größere Tiere als Ziegen zu halten. Man kann diese Bestimmungen zwar überlisten, indem man zuerst einige Hormonziegen beschafft und dann das Pferd. Aber den Gestank von Ziegen, der proportional zur Körpergröße wächst, auszuhalten, ist auch nicht jedermanns Sache. So blieb es dabei, dass die einzigen Pferde, die in Balkonien zugelassen sind, die Pferde der preußischen Kavallerie sein werden, die das Recht haben, im Kriegsfalle durch Balkonien gen Feind zu ziehen. Siegt mal schön!

Einmal fanden zwei Igelmädchen Unterschlupf in Balkonien. Sie wollten wohl bei Germanys Next Top Igel mitmachen und waren deswegen zu schlank für den Winter. Sie mampften dann der Katze ihr Futter weg. Als sie weg durften, weill vollschlank, haben die Bewohner von Balkonien groß aufgeatmet, weil Igel ziemlich stark riechen. Ärmer waren sie auch geworden, weil der Appetit von Igeln ungeahnte Maße annehmen kann. Nur der Tierarzt hatte Erbarmen und hat einen Igel, der ein Bad in einem Farbtopf genommen hatte, kostenlos entfärbt.

Heute ist die Fauna im Domizil ziemlich dezimiert, aber dafür ist auf dem flachen Land allerhand los. Im Frühjahr findet eine Froschinvasion statt, die die beiden Gewässer, vulgo Gartenteich, bis an den Rand füllt. Ein bis zwei Wochen sieht es darin aus, als würde jemand einen großen Kessel Froschsuppe zubereiten. Später kommen die unvermeidlichen Folgen in Form von Krähen, die sich zuerst am Laich und später an den Kaulquappen gütlich tun. Auch Enten finden sich ein, werden aber ohne Erbarmen verjagt. Denn bereits das erste Entenpaar, das sich bei der Anlage des ersten Teichs eingefunden hatte, hatte im Nu alle gerade eingepflanzten Triebe und auch die Fische aufgefressen.

In manchen Jahren hoppeln am Ende der Brutsaison bis zu tausend Frösche, etwa vier bis acht Millimeter groß, ab in den Wald. Übrig bleiben zwischen 20 und 30 erwachsene Frösche und Kröten, die in Areal den Sommer verbringen, meistens unter Rhododendren. Abends hüppeln sie zum Wasser, um sich wieder vollzusaugen. Einmal trug es zu, dass es so viele wurden, dass die erwachsenen Frösche nicht viel größer als ein Stecknadelkopf waren, als sie auswanderten. Sie konnten einzelne Grashalme hoch klettern, ohne dass sich diese bogen.

Im Winter schlafen die Frösche tief im Schlamm. Letzten Winter hatte sich einer einen aussichtsreichen Platz auf dem Eis ausgesucht. Er liegt jetzt wahrscheinlich im Froschhimmel auf dem Rücken und träumt von Fliegen. Die anderen sind wieder gekommen. Und wie!

Eine ausgestorbene Tierart wurde durch die letzte Bevölkerung von Balkonien wieder zum Leben erweckt, der Regenwurm. Er war infolge der liebevollen Hege der Rosen und ähnlicher Nutzpflanzen mit Erzeugnissen aus Leverkusen in den Exitus getrieben worden. Die neuen Bewohner haben Kinderstuben angelegt, die mit schönen Leckereien gespeist wurden, Frankfurter Allgemeine Zeitung, fein gehäckselt, Kaffeesatz, nach Erfüllung der wahrsagerischen Aufgaben grob gefiltert, und dazu viel Gemüse aus dem Schredder. Diejenigen, die mehr FAZ gefressen hatten, blieben in Balkonien, weil konservativ, die mit den hellseherischen Fähigkeiten, dank Kaffeesatz, wanderten aus. Denn es sollte noch eine Invasion von Vögeln aller Art erfolgen, die auch keine Produkte aus Leverkusen lieben, sondern Regenwürmer. 

Zu deren Leidwesen lebten noch zwei weitere Wesen, die Regenwürmer liebten, und zwar aus der Hand. Zwei Karpfen, ein Ehepaar namens Edelbert und Sieglinde. Gegen Ende ihrer Staatsbürgerschaft von Balkonien kamen sie sogar aus dem Wasser geschossen, wenn man einen Regenwurm darüber hielt.  Sie wurden beide Opfer eines schönen grauen Tieres mit einem langen Hals. Dieser stand eines morgens am Südsee und ließ sich von den begeisterten Anwohnern in allen Posen ablichten. Eine Woche später waren alle Fische weg, und auch Edelbert und Sieglinde tot. Sieglinde, das kleinere Weibchen, aufgefressen, Edelbert aufgespießt und auch tot. Seitdem wissen die Balkonier, warum das graue Tier  mit dem eleganten Hals Fischreiher heißt.