Eine Reise nach Balkonien
Über die Flora im Lande Balkonien lässt sich diskutieren. Die ist nämlich teilweise endemisch, heisst, dass sie von hier ist, und zum Teil exotisch. Während die exotischen Pflanzen, die man hier antreffen kann, in jedem größeren Blumengeschäft erhältlich sein dürften, sind die endemischen auch den Alteingesessenen nicht immer bekannt.
Kennt jemand z.B. die Krebsschere? Nein? Aber aloe vera ist doch bekannt! Die Krebsschere wächst und gedeiht in norddeutschen Landen nicht mehr und steht deswegen unter strengem Schutz. Aber Balkonien erzeugt einen Überschuss an Krebsscheren, der vernichtet werden muss, damit der Naturschutz Recht bekommt.
Die Krebsschere muss sich seit vielen Jahren gegen die Seerose zur Wehr setzen, die sich etwa so ausgebreitet hat, wie einst in meinem Schulbuch beschrieben: Eine Seerose verdoppelt jeden Tag ihre Fläche und hat nach 14 Tagen den ganzen See bedeckt. Wann ist die Fläche halb so groß wie die des Sees? In Balkonien ist der 13. Tag angebrochen.
Ausgestorben ist hingegen die Teichrose oder Große Mummeln. Schuld war nicht die in allen Naturfilmen beklagte Verdrängung durch den Menschen, sondern die Entengrütze, die aus einer Packung mit Fischen aus einem nahe gelegenen Aquariengeschäft entwichen war. Da diese in Tateinheit mit den gefräßigen Larven der Riesenlibelle, eigentlich einer Großlibelle, alles andere Leben aus dem Gewässer verdrängt hatten, musste es trocken gelegt werden, wodurch es zum Tode der Teichrose kam. Eine Wiedereinführung scheitert an Naturschutzgesetzen. Um Große Mummeln in Balkonien wieder heimisch zu machen, müsste man schummeln.
Wünschenswert wäre das Aussterben des gemeinen Giersch, der sich in allen schlecht erreichbaren Lagen ausgebreitet hat. Der Landschaft war nur eine kurze Atempause vergönnt gewesen, als die Wildschweinrotte den antischweinischen Schutzwall hat überwinden können, um sich an den unterirdischen Trieben des Giersch genüsslich zu laben. In wenigen Minuten war nicht nur der gesamte Gierschbestand verschwunden, sondern die Gegend schön umgepflügt.
Eine Naturerscheinung, allerdings aus anderen Gefilden, die Herkules Staude, erreichte einst eine Höhe von fast drei Metern, während ihre Nachkommen langsam aber sicher verkümmerten. Die heimische Flora in der Form vom besagten Giersch war denn erfolgreicher. Man sieht, die Natur kann sich selber helfen. Ich wüsste aber nicht, welche Pflanze die Robinien in der Nähe und eine amerikanische Tanne des Nachbarn erfolgreich angreifen sollte. Vielleicht hilft Balkonien die Firma Stihl, die im Sportfernsehen Spiele wie Lumber Jack oder ähnliche Fligranarbeiten mit der Kettensäge veranstaltet.
Die endemische Pflanze, die sich hier am wohlsten fühlt, dürfte die Wasserlilie sein. Sie bevorzugt sonst die Ufern Berliner Gewässer, wird aber dort nicht mal halb so groß wie in Balkonien, weil von natürliche Feinden umringt. In Balkonien werden diese notfalls mit der Heckenschere in Schach gehalten.
Neben der Krebsschere lebt hier noch eine weitere endemische Spezies, die Märkische Kiefer. Sie steht unter Naturschutz und ansonsten hoch über den Köpfen der Balkonier. Was noch in Balkonien wächst, zeigt die Fotoshow. Allerdings nicht alles …