Wo Marco Polo nie hinkam

 

Ein Land, größer als …


sagen wir mal Europa. Die weitesten Entfernungen betragen 4.500 km in der einen Richtung, 4.200 km in der anderen. Dass China das bevölkerungsreichste Land ist, kennt wohl jedes Kind. Dennoch kann man sich die Dimensionen kaum vorstellen. Kein Staat der Welt hat mehr Nachbarländer (14) und längere Grenzen (22.133 km), mehr als die Hälfte des Erdumfangs. Keiner hatte größere Probleme mit den Nachbarn und baute die längste Mauer der Welt (8.851,8 km), um sich unerwünschte Gäste vom Hals zu halten. Die Wirbeltiere von China zählen über 6300 Arten – mehr als 10 Prozent aller Wirbeltierarten der Welt.

Erst richtig unvorstellbar sind die Dimensionen von China unter dem Kaiser 元世祖, besser bekannt als Kublai Khan, Enkel von Dschingis Khan. Freilich hieß es damals Mongolenreich und umfasste fast alles,  was heute Europa und Asien heißt. Das größte Reich aller Zeiten. Das heutige China ist eine Mini-Ausgabe davon. Um ein Haar wäre das Reich „bisschen“ größer, Kublai Khan wollte auch noch Japan erobern. Kamikaze heißt Götterwind. Nur Taifune vermochten den Mongoleneinfall aufhalten. Der nächste Möchtegern-Eroberer von Japan war Amerika, 664 Jahre später und erfolgreich.











Die Türken, die das Land einst erobern wollten, meinten, dort lebten wirbellose Menschen, solche ohne Rückgrat. Sie selbst glaubten, stark sei, wer „Kopf nimmt oder gibt“, will sagen: Man säbelt dem anderen den Kopf ab oder lässt sich von dem massakrieren. Sie waren zudem keine Einzelgänger und kamen öfters mit den Mongolen. Die Feinde von ganz früher hießen Hunnen. Na, ja, Kaiser Wilhelm hatte auch seine Not mit denen. Die Hunnenrede! Hier war aber die Sache mit den Hunnen lebenswichtig. An der Großen Mauer, wo die Hunnen aufgehalten werden sollten, wird die Sache ganz heldenhaft dargestellt.











Ganz so war es zum Leidwesen der Chinesen nicht. Die Türken, die Hunnen und die Mongolen frönten der Kriegskunst auf eine Art und Weise, wie sie auch den europäischen Rittern zum Verhängnis wurde. Die schwer gepanzerten Ritter standen dicht an dicht, Lanze bei Fuss und sahen die fremden Reiter heran brausen. Wie diese die blinkenden Rüstungen sahen, drehten sie sich um und galoppierten weg. Die Ritter sahen ihre Stunde gekommen und setzten nach. Kurz danach waren sie tot! Die Jungs konnten sich nämlich im Galopp auf dem Pferd umdrehen und tödliche Pfeile abschießen, aus Bögen aus Büffelhorn, und rückwärts. Ihre letzten Nachfahren waren die Ulanen, in Deutschland nicht nur in Preußen als Krieger dienend in exotischen Kostümen mit Turbanen, Kaftans und weiten türkischen Hosen uniformiert, sondern auch in Westfalen und Bayern. Sogar in Frankreich! freilich ohne scharfen Bogen, sondern mit Lanze. Ulan kommt aus Türkisch „oğlan“ und bedeutet auf Mongolisch etwa „tapferer Krieger“. In Europa waren sie die „leichte“ Kavallerie. Die „schwere“ war wohl zu unhandlich und deren Pferde, Kaltblüter, nicht allzu elegant.
















Deren Kriegskunst sahen die Chinesen auch so und besänftigten lieber deren Oberhäupter, Han oder Khan tituliert, mit milden Geschenken in Form von Prinzessinnen. Die sind aber weder in Peking noch an der Großen Mauer so abgebildet, weil nicht jugendfrei. Man solle nur den wilden Reiter im unteren Bild mit dem da oben vergleichen, der am Ende der Schlinge hängt. Der Chinese holt ihn vom Sattel. So war es denn auch. Nur wenige Kilometer nördlich von Peking kommt man an die Große Mauer, die die wilden Horden zurück halten sollte. Die Fremden schon aber in Peking eingefallen, aber aus welchen Gründen immer wieder an die heimische Jurte (heißt Heimat, Heim) zurück gekehrt.

Hier endete, nicht überraschend, die Seidenstraße. Was heißt denn enden? Sie fing hier an. Nicht nur die Seide war ein Geschenk der Chinesen an die übrige Welt, sondern auch so unwichtige Dinge wie Papier, Schießpulver und Drucktechnik. Was noch alles die Welt China verdankt, haben die Machthaber in der Eröffnungszeremonie der Olympiade 2008 eindrucksvoll demonstriert. Wer die Nachricht nicht verinnerlicht hat, wird wohl die nächsten Jahrzehnte nicht heil überstehen.

Wer es immer noch nicht begreifen will, kann sich in einen Markt begeben und versuchen, diesen ohne gekaufte Waren zu verlassen. Chips? Ohne Fisch, aber mit Ladegerät … Spielzeug? Oh, nee, man kann sich nicht vorstellen, was sie alles zu bieten haben. Keine Idee? Nur fünf Minuten einer Verkäuferin zuhören. Nachdem ich einige Male den großen Basar von Istanbul verlassen hatte, ohne etwas gekauft zu haben, bildete ich mir ein, mir könne niemand … Aus der Traum!

Was uns noch unendlich lange bewegen wird, ist das Zeugs, was auf Englisch China heißt, Porzellan. Selbst wer ohne Papier und Druckerzeugnisse leben kann und nie eine Kugel abfeuern wird, wird irgend wann mal aus einem Porzellanteller essen. Außer er sitzt hinter Gittern. Dort gibt es angeblich nur Blechnäpfe.

Der Überbringer dieser Errungenschaft, weißes Gold, ein gewisser Marco Polo, steht im Verdacht, nie in China, pardon in der Mongolei, gewesen zu sein. Angeblich hat er die Story in der Levante gehört und sich die Seidenstraße zusammen gesponnen. Er wäre nicht der erste Koofmich, der eine Story zusammen bastelt, aber wohl der nachhaltig erfolgreichste.

Leider, leider, wurden seine Leute, Italiener, und die anderen Feinde von China, die Türken und Mongolen, Opfer eines geographischen Irrtums. Sie glaubten nicht, dass man nach Indien und China auf dem Seeweg gelangen konnte. Beide Länder wurden Beute von neuen Seefahrernationen, Spanier, Portugiesen, Holländer und Engländer. Die alten Krieger guckten in die Röhre, während sich die neuen überall nieder ließen, wo was zu holen war. Das Land wurde Spielball der Mächte Europas.  China hat nach und nach die Kolonisten abgeschüttelt, sich dank Mao aggressiv aufgestellt und dank Deng Xiaoping (??) zu einer Industriemacht aufgeschwungen. Übrigens: Der Ort ist den Muslimen heilig. Angeblich schlief deren Prophet nie mit den Füßen gen Osten, weil dort das Papier erfunden wurde. Soviel zum Respekt zu den Errungenschaften dieses Landes!