Kein Hafen, nirgendwo…

 

An diesem Tag habe ich viele neue Dinge gesehen, und solche, die mir nie wieder begegnet sind, so z.B. den Bau von Einbäumen. Zwar durfte ich des öfteren Einbäume fahren, aber Leute, die einen Baum in einen Einbaum verwandeln, habe ich nur auf Dominica erlebt. Ich meine, einen Baum in zwei Einbäume verwandeln. Oder waren es drei Einbäume aus zwei Bäumen? Egal. Die Kariben bauten noch Einbäume und fuhren damit. Was sie aber sonst machten, war mir nicht mehr so natürlich vorgekommen. Als wir mit den Jeeps durch den Regenwald fuhren, hörten wir ständig „Bong, bong, bong …“ Und ich dachte, das wären Simulationen von Trommeln, die auch bong machen. Leider erwies sich die Realität als weniger nett: Bong bong hieß Bonbon, und die Jungs im Urwald behandelten uns wie einst die Berliner Kinder die Amis als Besatzer. Haste´n Kaugummi? Bong!

Hier auf dieser Insel wurden meine Kenntnisse über Menschen und ihre Rassen auf eine harte Prüfung gestellt. Indianer sind doch rothäutige Menschen. Oder? Oder Rothäute? Redskins. Niemand war aber hier rothäutig! Später sollte ich noch, nach dieser Erfahrung weiter forschend, erfahren, dass Japaner und Chinesen mitnichten gelb sind. Ich wohnte sogar mal auf einer Insel, deren Besucher allesamt gelb sein sollten. Der einzige Unterschied zu mir bestand aber in der Länge der Nase. Daher heißen wir bei denen Langnasen. Warum die bei uns „gelb“ sind, ist eine andere Geschichte. Nochmal langsam zum Mitschreiben: Ureinwohner von Amerika sind keine Ureinwohner, jedenfalls nicht von Amerika. Sie kamen einst aus Asien. Native Americans, also die Bevölkerung von Amerika zur Zeit der Ankunft von Weißen, sind keine Indianer. Columbus hatte sich so um 20.000 km geirrt. Und rot aussehen taten sie bei Kriegsbemalung, aber bestimmt nicht dort, wo die Hose sie vor Dornen schützte. Oder, wenn sie sich ohne denselbigen Schutz der Sonne aussetzten. Und sterben mussten sie in der Karibik viel früher als auf dem amerikanischen Festland, weil sie das Reiten noch nicht gelernt hatten.

Obwohl meine Reise nach Dominica lange her ist, hat sich zumindest am Flughafen nicht viel verändert. Das Bild stammt etwa aus 2007. Nicht nur die Landung führte damals zu unendlichen Aufregungen, sie fingen vielmehr bereits auf Martinique an, als wir die Maschine sahen, die uns auf die Insel Dominica bringen sollte. Ich hatte als Jugendlicher die Ablösung dieses Modells durch die viermotorige Heron erlebt, und deren Ableben viele Jahre später. Und Nu steht man vor einer DC 3, Spitzname Dakota. Sie transportierte im Krieg Bomben und Soldaten, später Touris, noch später Gemüse, weil die Touris ohne Druckkabine nicht mehr fliegen wollten. Die Berliner kennen die Maschine noch als Rosinenbomber. Den Gurken ist der Luftdruck egal, den Bonbons auch. Daher fliegt die DC 3 heute noch.

In der Karibik wurde die weltberühmte Kiste noch Jahrzehnte nach Produktionsstopp als Passagierflugzeug eingesetzt. Es gibt heute noch viele DC 3, die ernsthaft fliegen. Das alles konnte uns nicht beruhigen, als wir die zerschlissenen Sitzbezüge sahen, deren Alter man an einer Plakette ablesen konnte: Da stand darauf, die Maschine sei 1947 gebaut worden. Na, denn Prost! Oder, würrrg!

Nach einem relativ kurzen Flug von Martinique kommend sahen wir die Piste auf uns zu rasen. So etwas sieht man bei modernen Flugzeugen nicht mehr, aber die Piloten hatten die Tür offen gelassen, damit wir die Landung beobachten konnten. Wir sahen eine kurze, schmale Piste, umsäumt von Palmen. Der Pilot erzählte, vor einigen Wochen hätten die Palmen gute Dienste geleistet, als man nicht zurück fliegen konnte, weil das Personal das Betanken der Maschine vergessen hatte. Wo es abgeblieben war, konnte man auch nicht feststellen, die Stadt liegt relativ weit hinter den Palmen. Wie viel Regen, tropischen, Palmen abhalten, ist mir gut bekannt. Die Nacht muss feucht, aber bestimmt nicht fröhlich gewesen sein. Die Hilfe der Palmen eher symbolisch.

Es gibt selten eine Insel, die einem so deutlich zeigt, dass er nicht willkommen ist. Überall schlagen die Wellen gegen den Fels, nirgendwo ist ein sicherer Hafen zu finden. Da wo man einen gebaut hat, sieht man selten einen Segler. Das war das Geheimnis hinter dem Überleben der Kariben. Aber ein Taucher, der sich auf Dominica verirrt hat, muss sich auf neue Sitten beim Tauchen einstellen, auf harte. So versteht man leicht, warum Leute eher auf die Malediven fahren, weil kein Felsen. Man muss nur noch verstehen lernen, dass es Dominica geben wird, nachdem die Malediven verschwunden sind, weil Felsen überall.

Die Maschine landete formvollendet. DC 3 landen seit 1935 so. Leider wartete niemand auf uns. Das ist nicht erst seit 1935 so. Man stelle sich vor, man landet in einem Staat, und keiner kümmert sich darum. Allerdings handelte es sich bei diesem Staat wirklich um einen neuen. Wir landeten nämlich ganze 13 Tage nach der Staatswerdung der Insel darauf. Man roch noch das Parfüm der Schwester der Queen, die dem neuen Staat einen guten Start gewünscht hatte. Ansonsten konnte man mit diesem keinen Staat machen. Sei´s drum! Unsere Reisebegleiter schwärmten aus und suchten die Typen, die uns durch den Regenwald lotsen sollten. Es dauerte keine Ewigkeit, sondern nur eine Stunde, und zwei Jeeps standen an der Piste. Die ganze Baggage drauf, und los ging´s.

Jungle Drums und mehr …

Eine seltsame Ankunft

Pflanzen en masse

Die Überlebenden und die Hinzugekommenen, heute insgesamt 74.000 Menschen, machen die Bevölkerung des Inselstaates aus. Sie leben auf einer Insel, die man schlechthin paradiesisch bezeichnen könnte. Jedenfalls findet die Unesco, dass Teile der Insel zum Welterbe gehören, Morne Trois Pitons National Park. Dort stehen fünf Vulkane, zum Glück augenblicklich nicht aktiv, aber immer noch Dampf ablassend aus fünfzig Fumarolen. Diese erkennt man an ihrer bunten Färbung, die häufig von Schwefel herrühren, einem Stoff, dem man nicht im Paradies begegnet, sondern eher in der Hölle. Überall unter der Karibik ist die los, die Hölle. Darüber herrscht aber eine große Lebensvielfalt, neumodisch auch Biodiversität genannt.

Die Biodiversität lebt natürlich vom Regen, der hier reichlich fällt, so bis 300 Zoll im Jahr, macht 7,5 m. Natürlich nicht überall, am Flughafen Melville Hall ist es viel trockener und regnet nur etwa 2,5 Meter. Im Vergleich: Berlin bekommt etwa 0,6 m ab, und auf das sehr regenreiche London sind letztes Jahr 611 mm Regen gefallen. Kein Wunder, dass Dominica einen wunderschönen Regenwald mit vielen Wasserfällen besitzt. Mir kam er besonders toll vor, weil ich mich zum ersten Mal in einem Regenwald wähnte. Kopfüber in ein Becken unter dem Wasserfall und ewig schwimmen! Zwar sind die Becken nicht so groß, aber man kann wirklich ewig in eine Richtung schwimmen, weil der Wasserfall als natürliche Gegenstromanlage fungiert. Wo so viel Wasser fällt, muss es viele Flüsse geben. Hier sollen es 365 sein.

Wo oben Wasser fällt und unten Feuer brodelt, entstehen nicht nur Fumarolen und Geysire, sondern auch mal kochende Seen. Der „Boiling Lake“ kocht natürlich nicht so doll, dass man darin Würstchen warm machen könnte, es sind wohl nur 40 ºC. Selbst Mick Jagger was here… Das Meer ist nicht weit, und von der Straße muss man nicht ewig laufen, um am Boiling Lake anzukommen. Die meisten Strecken zum „hiken“ werden mit „easy“ bezeichnet. Was das wohl sein mag?

Dominica wird nicht umsonst Nature Island genannt, sie ist es. Auf der Insel leben und blühen mehr als 1.000 Pflanzen, davon allein 74 Orchideenarten. Wo Regen ist, ist der Farn nicht weit. Es sollen über 200 Arten sein. Naturgemäß fehlt auch die Banane nicht. Sie schmeckt aber anders als die aus Mittelamerika, klein und äußerst lecker. Was man hier so alles essen darf, erklärt einem ein Guide. So kann man aus manchen Lianen Wasser holen, indem man sie durchschneidet. Auch der Reisebaum spendet Wasser und sieht aus wie eine Riesenbanane, ist aber eine Strelitzie, zudem ein Fremdling hier, weil aus Madagaskar (Ravenala madagascariensis).

Der Regenwald bedeckte einst große Flächen, wurde aber gleich von zwei bösen Hurricanes erwischt. Beinahe hätte davon der erste, David, mir eine üble Begegnung beschert, weil ich voller Bewunderung nach dieser Reise bald wieder nach Dominica wollte. Ein Blick auf das Wettergeschehen, und ich flog glücklich drum herum nach Kanada, wo ich am Ende hin wollte. Später habe ich das südliche Gegenstück der Karibik bevorzugt, Mauritius, weil dort die „Saison“, also die Hurricane-Zeit, ein halbes Jahr später kommt. David soll etwa 5 Mio Bäume umgelegt haben. Nicht genug? 16 Jahre später schlug Marylin erbarmungslos zu und vernichtete noch einmal so viele Bäume. Auf Mauritius wird das wohl nicht gehen, weil die meisten Bäume bereits die Menschen vernichtet haben. Zuckerrohr legt sich beim Sturm einfach hin.

Bei einer riesigen Auswahl an Pflanzen des Regenwaldes dürfte man erwarten, dass der Stolz der Nation von da stammt. Weit gefehlt, Der Baum heißt Bwa Kwaib (wissenschaftlich: Sabinea carinalis), und ist erstens „Bonsai“ gemessen an den Urwaldriesen, und zweitens liebt er die Trockenheit. Aber er blüht wunderbar rot, und das zwei Mal im Jahr. Nun, ja, jede Nation kann sich irren. Und in diesem Fall irrt sich nur eine Nation von etwa 70.000 Männeken. Die Konkurrenten, so etwa eine Nation angeführt von G.W Bush, sind etwas größer, wodurch ihre Irrtümer lecker schlimmer werden können. Er hat immerhin, zum Schutze dieser Nation, die Wirtschaft derselben ruiniert, und die der restlichen Welt dazu. Die Dominicaner sind eine Welt-Ohnmacht. Und was sind die Amerikaner bitte schön? Kommentar dazu? Putin, Vladimir, hat dazu nicht ein einziges Wort verloren. Er liegt wahrscheinlich in seinem Bunker unter der Taiga und hofft, dass niemand sein Gewieher hören kann. Ist ja nicht weltmännisch.

Zurück zum Gemüse! Der noch verbliebene Regenwald von Dominica strotzt nur so von Epiphyten. Wörtlich übersetzt heißen sie "Überpflanzen". Es sind Aufsitzer, also Pflanzen, die nicht auf anorganischen Stoffen, in der Regel auf dem Boden, wachsen, sondern die sich auf lebenden oder auch abgestorbenen Wirtspflanzen niedergelassen haben. Als sie auf den Boden der tropischen Wälder mit den dichten, geschlossenen Baumkronen nicht mehr genügend Licht bekamen, "stiegen" die Epiphyten dem Licht nach und siedelten sich auf den Bäumen an. Social climber also? Egal, die Pflanzenwelt auf Dominica ist vielseitig und wunderschön!