Ein komischer Wasserfall

 

In Kuranda gab es viel zu sehen. Dennoch blieb mir die Farm der Schmetterlinge, Butterfly Sanctuary, im Gedächtnis. Sie blieb die einzige ihrer Art, die ich je besucht habe. Obwohl die Farm wunderschön ist und die Tiere noch schöner, haben mir die vielen toten Schmetterlinge vor die Augen geführt, wie vergänglich die sind. Normalerweise kennen wir keine toten Schmetterlinge. Wenn aber tausend und mehr in einem Raum rumflattern, gibt es unweigerlich tote zu sehen. Auch wenn man die kurze Lebensdauer der Tiere kennt, deren Sterben und dessen Ergebnis zu erleben, ist doch was anderes.

Auf der Farm kann man in ganz kurzer Zeit sehr viel über sie lernen, wie sie leben, sich vermehren oder ernähren. Es ist schwer, sich nicht von deren Zauber einfangen zu lassen.

In dieser Gegend leben auch andere Tiere, die sich zauberhaft geben. Auf einem Campingplatz, und nicht nur dort, kamen Punkt 18 Uhr jede Menge Flattermänner aus dem Wald geflogen und machten sich ans Mampfen. Manchmal waren es nur Sittiche, in anderen Fällen auch Papageien, darunter sogar die großen sulfur-crested cackatoo. Sie setzten sich den Kindern auf die Hände, Arme oder manchmal sogar auf den Kopf. Und dann waren sie wieder weg, wenn sie genug gespeist hatten.

Eine tolle Begegnung mit ihnen sollte meine kleine Tochter erleben, als sie auf einen Baum zu lief, der von oben bis unten weiß bedeckt war. Sie rief, der Baum sei eingeschneit. Und das in der Hitze der Tropen! Als sie sich dem Baum näherte, flog der vermeintliche Schnee laut kreischend ab. Husch, weg waren sie, aber nicht ganz. Den Tieren merkte man an, dass sie seit langem keine Jäger kennen.

Die seltsamsten Vögel hier bewegen sich nicht in der Luft, sofern sie nicht mit Skyrail ankommen. Haben einst die Hippies das Dorf bevölkert bzw. überhaupt ins Leben geholt, kommen heute alle möglichen Touristen, da Kuranda ein Muss ist. So wie Uluru, alias Ayers Rock oder Darwin im Norden. Wo Touris sind, sind die Läden nicht weit, die allerlei Ramsch verhökern. Das Unglaubliche daran ist, dass man überall auf der Welt die gleichen Läden mit dem gleichen Krempel findet. Viele Jahre lang ist mir nicht gelungen, irgend ein originelles Mitbringsel für meine Frau zu finden. Da fragt man sich, wozu man denn reist.

Bimmelbahn nach Kuranda

Wer die Barron Falls erleben möchte, muss nach Kuranda. Warum will man aber zu diesen Wasserfällen? Zum einen für Rafting in dem Barron River Gorge, ein wunderbares Gewässer auch für Paddler. Wenn die Tour unter dem Wasserfall beginnt. Zum anderen gehört dieser Wasserfall zu den Top 100 der Welt und sieht hinreißend aus, wenn … (kommt unten).

Nach Kuranda kommt man auf mehreren Wegen. Was nicht geht, ist das Paddeln von Cairns den Fluss hoch. Dafür kann man seit 1891 mit der Bahn hoch, die Kuranda Scenic Railway heißt. Die Fahrt dauert fast zwei Stunden. Die Wagen sind etwas älter als die von der Deutschen Bahn AG und die Lok muss 1940 äußerst modern gewesen sein.

Man kann aber auch über den Baumwipfeln schwebend ankommen, wenn man die Skyrail Rainforest Cableway benutzt. Sie fährt seit 1995 in der Nähe von Cairns ab und bietet eine wirklich imposante Fahrt in kleinen Gondeln mit sechs Mann/Frau, bei der man das Barrier Reef und den Regenwald ständig im Blick halten kann. Die Fahrt über den Wipfeln ist zudem sicherer als unten, weil hier ein Raptor rumläuft. Er hört auf den Namen Kasuar und ist der zweitgrößte Vogel der Erde. Anders als der größte, der afrikanische Strauß, ist dieser Kerl aggressiv. Zum Fliegen ist er zu dick.

Nicht minder aufregend erfolgt die Fahrt über die Straße, die sich durch den Regenwald windet. Als Kuranda ein Hippiedorf war, sah die Straße dementsprechend aus, und die Fahrt wäre ein Abenteuer für sich gewesen. Heute kann man auch mit normalen Autos hierher. Leider hat sich dafür die legere Atmosphäre in Kuranda verflüchtigt. Man kann ja nicht alles haben.

Was so komisch an dem Wasserfall ist, wusste ich nicht, bis ich davor stand. Wir fuhren mit dem Camper an die Stelle mit der besten Aussicht und sahen ein Rinnsal den Berg runter kriechen. Ich wartete noch ein Bisschen, bis andere Leute kamen. Die wussten aber auch nicht, wo die Wasserfälle seien. Auf dem Schild stand geschrieben, hier sei „scenic view“, aber man sah hauptsächlich Felsen.

Als wir enttäuscht weiter fahren wollten, hörte ich den Zug pfeifen. Dann fiel mir schlagartig ein, was jemand kürzlich in Cairns erzählt hatte. Die Leute in Kuranda seien so komisch, dass sie sogar ihren Wasserfall an- und abschalten täten. Das Wasser ließen sie nur dann fließen, wenn der Zug da ist. Tatsächlich, ehe die Leute an der Station Barron Falls ausstiegen, schwoll der Fluss zu einem richtigen Fall an. Als der Zug wieder zum Abmarsch tutete, war das Rinnsal wieder zurück.

In Australien ist das liebe Wasser derart knapp, dass man jede Möglichkeit ausnutzt, um Wasser zu sammeln. Im Regenwald denkt man aber an andere Nutzen des Wassers. Deswegen hat man oben am Fluss einen Staudamm errichtet, dessen Schleusen halt nur dann geöffnet werden, wenn der Zug mit den Touris ankommt. Oder im Winter, ich meine in unserem. Dann ist in Australien Regenzeit und das Wasser reicht sowohl für den Fall als auch für die Nutzung, derentwegen man den Wasserfall regelt. Hinter dem Fall, im Felsen versteckt sich Barron Gorge Hydro, ein Wasserkraftwerk, in den Felsen gemeißelt, Pardon, gesprengt. Man ist stolz darauf, jährlich 260.000 Tonnen „greenhouse gas“ einzusparen. Ich nehme an, dass sie CO2 meinen. Seit das Land den Ozonloch-Schock erlebt hat, fühlen sich die Australier sehr dem Umweltschutz verpflichtet. Zum Glück hat in Kuranda niemand etwa wegen der Gefährdung der Flugbahn der „Kleinen Hufeisennase“ durch das fehlende Wasser eine Klage eingereicht (s. Dresden).

Kuranda, Dorf der Schmetterlinge

Kuranda, und erst der Weg dorthin, waren Highlights. Man kann dort viele Australier erleben, die gerne ihr eigenes Land bereisen. Viele der Aussies sind allerdings aus Old Germany. Vor allem tüchtige Facharbeiter, Weinbauern oder auch Bäcker. Kein Wunder, Australien nimmt immer Einwanderer auf, deren Qualifikation man braucht. Früher, lang lang ist´s her, war das anders. Da nahm man jeden auf, der seinem Land entfliehen wollte. Einen der Nachfahren von einem solchen Menschen habe ich am Rande der Wüste getroffen. Die Familie war vor 150 Jahren aus Ostdeutschland geflüchtet. Der Mann kannte nach eineinhalb Jahrhunderten nur einen deutschen Satz: „Geflogen aus des Junkers Land“. Ob der Kerl weiß, was hier für Gefahren herrschen?

Hier ein schöner Blick auf die Barron Falls in voller Aktion. Die weiteren Videos, die Youtube anbietet, zeigen sie auch nach ordentlichem Regenfall.