Das Schlimmste, was ich je erlebt habe, geschah bei den Brother Islands. Über diese Geschichte hatte ich nie etwas gehört und hätte sie als Märchen abgelehnt. Es ist die Geschichte einer „Waschmaschine“, eine senkrecht nach unten gehende Strömung. Diese hatte mir ein Jahr zuvor eine Tauchlehrerin erzählt.

Mitten in einem Tauchgang, als wir bei 20 m waren, sah die Welt plötzlich anders aus. Meine Atemluft verschwand nach unten, und die Fische schwammen verzweifelt zappelnd nach oben. Als ich begriff, was passierte, war ich etwa 10 m abgesunken. Bei 45 m habe ich die Notbremse gezogen.

Die Brothers liegen in einer Strömung, die ständig vom Nordwind gepeitscht gegen sie läuft. An einer Stelle taucht die in die Tiefe. Sie soll bis 80 m reichen. Genug für einen Herzinfarkt. Ich will nicht sagen, dass man dort nicht tauchen sollte. Die Inseln sind einfach Spitze zum Tauchen. Man sollte aber vorbereitet sein für eine Laune der Natur, die es nicht häufig gibt.

Wesentlich schlimmer als all dies finde ich die Sitten auf den Schiffen, die mit der Seemannschaft nichts zu tun haben. Das Rote Meer ist keine Badewanne, sondern ein tückisches Gewässer mit allerlei Gefahren. Aber auch ein „normales“ Meer ist voller Gefahren. Deswegen muss jeder, der auf ein Schiff geht, egal wie groß das Ding ist, ein Sicherheitstraining absolvieren. Bei kleineren Schiffen muss man jeden dahingehend informieren, dass er bei einem Unfall nicht blöd da steht. Ob er sich helfen kann, sei dahingestellt. Dazu gehört, dass man mindestens weiß, wo seine Rettungsweste hängt. Bei Jachten muss man jeden so instruieren, dass er seinen Rettungsgurt anpasst und weiß wo er sich anschäkeln kann. Dieser Gurt hängt dann ei ihm in der Kabine. Hingegen habe ich bei fünf Tauchsafaris auf dem Roten Meer kein einziges Mal eine Einweisung bekommen. Bei dem einen Schiff, auf dem es das gegeben haben soll, wurde die Einweisung vor meiner Ankunft gegeben. Ich wurde aber davon erst informiert, als ich am Ende der Reise bei der Bewertung dies moniert hatte. Der Tauchguide sagte, du bist zu spät gekommen. Aha!

Bei einem Notfall muss man sich mit einer Crew verständigen, die einen nicht versteht, weil sonst der Tauchguide dolmetscht. Was, wenn gerade der über Bord gegangen ist? Gott vertrauen und kein Bier trinken. Wer die Gefahr für übertrieben hält, sollte sich in Hurghada umhören. Früher wurde man von Fischern geschippert, die dort geboren waren und bereits beim Vater in Lehre gegangen, der beim Großvater … Jetzt fährt eine stolze Armada das Rote Meer auf und ab. Wo kommen bloß so viele Käpt´ns in einem Wüstenstaat her?

Die Sache mit dem blutenden Fisch ist auch nicht ohne. In der Beschreibung der Taucherei auf Mauritius habe ich beschrieben, wie unser Guide Claude, während des Tauchgangs Fische schoss, und diese hinter sich her schleppte. Monate später habe ich beim NDR gesehen, wie einer Haie anlockt, damit die  Fernsehfritzen sie filmen konnten. Mit frisch geschossenen Fischen.

Viel schlimmer war allerdings die Fütterei mit Fressalien, die wir in der Weste mitschleppten. Beim blutenden Fisch weiß jeder, dass Gefahr droht und schützt sich so gut er kann. Aber eine Scheibe Salami in der Tasche? Muränen können so ein Zeugs aus großer Entfernung riechen und kriechen plötzlich in der Weste herum. Die niedlichen Tierchen können bis zu 3 m lang werden. Ihre Zähne sind zudem ständig mit Leichengift belegt. Man kann mit ihnen schön spielen, aber nicht, wenn sie Futter gerochen haben.

Wie schlimm eine nette Fütterung ausgehen kann, hat einer erlebt, der die Doktorfische hübsch fand. Sind sie auch. Als er seinen Vorrat an Fischresten aus dem Beutel gezogen hatte, planschte ein riesiger Schwarm um ihn herum. Wenn Fische planschen, sind sie elegant und niedlich, Doktorfische haben aber Skalpelle am Schwanz, und heißen deswegen so. Der Taucher war nach der Fütterung richtig massakriert. 

Zackenbarsche spielen auch gerne mit Menschen, wenn sie richtig groß sind. So ab 1,5 m und 100 kg haben sie keine Angst mehr und lassen sich sogar streicheln. Aber Vorsicht, es sind wilde Tiere. Hat man ein Stück Fleisch in der Hand, um einen kleinen Zacki anzulocken, kann sein, dass der samt Fleischstück im Rachen eines großen Zacki verschwindet - und das in Sekundenbruchteilen. Der guckt nicht nach, ob da noch eine Hand dazwischen ist.

Auch übliche Vergnügungen wie eine Flasche Bier können in der Wüste einem zum Verhängnis werden. Früher bremste der hohe Preis von Bier in einem islamischen Land die Trinklust - und auch der Geschmack des Bieres, das nach ägyptischen Angaben seit der Zeit der Pharaonen hier gebraut wird. Die erzählen aber nicht, warum sie das Bier erst jetzt servieren. Heute schleicht einem ein Matrose oder Tauchguide hinterher, wenn man den Kühlschrank öffnet. Ein Schluck, und man darf diesen Tag nicht mehr tauchen. Früher hat man ganze Gelage zwischen den Tauchgängen abgehalten. Einmal musste ich sogar mit einem Tauchclub, einschließlich Präsident und Schatzmeister, auf See, und es wurde bereits am Vormittag der Kasten Bier halb geleert. Heute tragen sie einem das Wasser hinterher, damit sie keinen Ärger mit der dehydrierten Leiche haben. Aus und vorbei!


Was der Taucher besser unterlassen sollte

In Hurghada, und überhaupt bei Tauchsafaris auf dem Roten Meer, habe ich viele Dinge gelernt, vor allem solche, die man besser unterlässt. Zum einen: Weder vor meiner ersten Tauchreise mit Rudi noch in den vielen Jahren danach, war ich jemals so gefordert wie da. Da ich damals noch jung war und viele viele Meilen im Stück schwimmen konnte, und das ohne Training, ist es bemerkenswert, dass ich voll trainiert gefordert wurde.

Die Sache hängt wohl damit zusammen, dass damals der Anspruch bestand, nur die Elite der Taucher mittauchen zu lassen. Wir, die Weltmeister - oder ähnlich dämlich! Es waren nette und gute, aber richtig schlimm Abenteuer lustige Menschen. Allerdings waren bis auf Django alle wirklich gut. Deswegen hat nicht einmal einer einen Kratzer abbekommen. Es ging aber nicht allen Leuten so gut.

Auch wenn man gut ist, sollte man es sein lassen mit Tauchen in die Tiefe. Wir bekamen 15l-Flaschen, mit denen ich gut drei Stunden tauchen kann, wenn ich alle Register der Lufteinsparung ziehe. Wenn man dann drei Mal am Tag taucht? Um Gottes Willen! Wenn man um die 70 m in die Tiefe geht, ist die Pulle viel früher leer, man hat aber viel mehr Stickstoff im Blut. Und damals hatten wir nur die dummen „Decometer“, die vielen Tauchern das Leben gekostet haben. Später wurde es aber auch nicht besser, die Tauchcomputer erlauben es, bis an die Kante zu gehen. Dabei ist deren Datenbasis nicht unbedingt sicher für jeden. Diese Gefahr besteht heute noch, wer fett ist oder nach einem langen Tauchgang noch etwas Flottes vornimmt, so z.B. einen schönen Ritt in die Wüste, kann die „Taucherkrankheit“ bekommen, auch wenn er gemäß Computer sauber getaucht ist. Auch alltägliche „flotte“ Vergnügungen können ins Auge gehen.

Früher gab es in dieser Gegend auch keine Dekokammer. Auch wenn es sie gegeben hätte, musste man die ganze Baggage draußen in der Wüste lassen, um den Geschädigten in die Stadt zu bringen. Das kannten bestimmte Leute ganz gut, die einen Unfall von Rudi miterleben mussten. Ein Zackenbarsch, den er angefüttert hatte, ein richtiges Monster, hatte ihm fast den Arm abgebissen - so aus lauter Liebe. Das Taucherschiff war abgedampft, um Rudi ins Krankenhaus zu bringen. Die bereits aufgetauchten saßen auf dem Felsen und unterrichteten die noch aufzutauchenden, dass sie erst einmal zwei Tage auf dem Felsen festsäßen.

Das Tauchen in die Tiefe ist mittlerweile verboten, auf den Malediven sammeln die Tauchlehrer die Computer ein und prüfen sie. In Ägypten gibt es viele Verbote, so ähnlich wie auf den Malediven. Aber auch Bakschisch.



Ich weiß nicht, ob ich den sorglosen Umgang mit Haien auch in die gleiche Rubrik einordnen soll. Eine meiner besten Erlebnisse fand so sorglos statt: Über blauem Wasser sind wir ins Wasser gesprungen und fanden uns in Mitten eines unübersehbaren Schwarmes von etwa 4 m langen Hammerhaien. Die Sicht betrug etwa 40 m und die Grenzen des Schwarms reichten weiter. Alle hielten inne und bewegten sich nicht mehr. Die Haie spürten die fremden Wesen und fingen an, langsam in die Tiefe zu gehen. Wir sanken ihnen nach, bis bei etwa 75 m der Ruf der Natur den Weg nach oben empfahl.

Während dieses Erlebnis völlig unaufgeregt ablief, war ein anderer mit richtig Action verbunden. Als wir ins Wasser gehen wollten, schrieen die Araber, dass Hai unter dem Schiff war. Tatsächlich hatte sich ein 2,5 m langer Seidenhai unter dem Schiff gemütlich gemacht. Er ließ sich von uns nicht stören. Nach etwa einer Stunde Beobachtung kam er aber immer näher. Bei einem Abstand von einem Meter war mir die Begegnung zu intim.

Am Nachmittag des gleichen Tages grinsten die Araber und sagten, es wäre wieder Hai unter dem Schiff. Diesmal traute sich niemand mehr ins Wasser. Der neue Nachbar war etwa 4 m lang. Das war eindeutig zu viel. Die Araber lachten ganz schön hässlich!