Cariboo mon amour

 

Wie man nach Cariboo kommt …

Wer sich von Deutschland aufmacht, um nach Cariboo zu gelangen, muss sich einen Platz auf einem Windjammer ergattern, der westwärts segelt wie einst Columbus, wollte ich gerade schreiben. Wir leben aber in einem anderen Jahrhundert. Man steigt in einen Bomber ein und fliegt unendlich lange westwärts. Bis Vancouver. Dann muss man nur noch etwa eine Stunde ostwärts fliegen, und man ist in Kamloops. Mitten in den Rockies, aber nicht allzu hoch. Danach geht eine quälende Fahrt hoch ins Plateau Cariboo. Irgend wann kommt man dann in einer wunderschönen Landschaft an, deren Schönheit man daran erkennen kann, dass viele deutsche Moneymakers hier wohnen. Nicht immer, weil zu kalt im Winter, so um die 40 ºC, minus meine ich. Dann pflegen sie auf Hawaii zu wohnen. Einige Wochen auch in Deutschland … Wer über viel Kohle verfügt, verbringt den Winter dort, wo man nicht heizen muss.

Die weißen Pioniere, die die Rockies überwinden mussten, um in den Westen zu gelangen, kamen von Pferden oder eher von Ochsen gezogen im Planwagen hierher. Wer diese Leistung schätzen lernen will, sollte sich in Cheyenne oder Laramie einquartieren und die Berge nur hoch laufen ohne Last und Eile. Selbst eine Autofahrt über Pässe von 4000 m Höhe scheint uns Couchpotatoes nicht so einfach.

Unsere Anreise vollzog sich anders, weil das Auto, das uns nach Crystal Waters, der Ranch für unsere Reitabenteuer, bringen sollte, nicht ausfindig zu machen war. Der Rancher hatte doch versprochen, uns abholen zu lassen. Ich guckte dumm aus der Wäsche, als niemand auf uns wartete und ansonsten nichts und nach einer Weile auch niemand mehr zu sehen war. Ländliche Flughäfen haben es so an sich! Dann kam John - und er hatte eine Überraschung für uns. Er meinte, das Auto des Farmers wäre kaputt, so müssten wir leider mit einem Wasserflieger vorlieb nehmen.

Wieso fliegen? Nun, ja. In Kanada haben die Menschen zwar Straßen gebaut, aber nie so viele, als dass sie das ganze Land verbinden täten. Wer überall hin will, muss wandern, paddeln und schwimmen oder fliegen können. John konnte das Letztere. Sein Aqua-Bomber dümpelte leise auf dem Thomson River, als wir uns anschickten, ihn zu besteigen.

Das Fliegen mit einem Wasserflugzeug, bitte nicht Aquaplaining sagen, nahm bei mir den Rang eines Traums ein, der eigentlich nie in Erfüllung gehen konnte. Für mich bedeutete dies ein Vergnügen aus den 1930er Jahren, die unwiderbringlich vergangen waren. Selbst das Fliegen mit einem Hubschrauber zwischen den (nicht mehr vorhandenen) Twin-Towers des WTC in New York konnte mir nicht so viel Respekt einflößen wie dies. Denn ich hatte schon als kleiner Junge versucht, ein Gerät zu bauen, das sich aus dem Wasser erheben würde und in die Lüfte steigen. Das dämliche Ding hat es nicht geschafft, weil mein Geld nur für einen Motor mit 2 (!) PS gereicht hatte. Mit 2 PS in die Lüfte? Mit 200 PS wäre es schon gegangen. Aber so?

Hinter dem Propeller von Johns Maschine tobten 200 Pferde und man konnte sogar im Winter mit Schlittenkufen vom Eis starten. Der Start mit uns war daher eine Kleinigkeit. Der Fluss, der vielen Fernsehfreaks in Deutschland gut bekannt ist, obwohl sie dessen Namen nie gehört haben, bildete die Piste, an deren Rand sich die Häuser der Wohlhabenden reihten. Später überflogen wir noch die Farmen der Indianer, die Ginseng-Wurzeln anbauen, die in Deutschland als Produkte aus Korea verkauft werden. Den Fluss kennt man aus den ersten Filmen mit den Lachs jagenden Bären.

Nach einer kurzen Schleife über der Stadt begann eine wahre Klettertour für die Maschine. Denn das Cariboo Plateau liegt bei oberhalb von 1200 m. Sonst würden die Cariboos dort ja nicht leben, und ihre Jäger, die Grizzlies, nicht so dicke Felle haben. Wer sich für diese Landschaft interessiert, sollte sich Filme wie The Cariboo Trail mit Bill Hayes als Oscar Grizzly Winters ansehen oder Geschichten um Cariboo Gold Rush lesen.

Von oben sahen wir ein wahres Meer an Bäumen und Seen. Später sollte ich erfahren, dass die voller Cariboos und Grizzlies bzw. Lachsforellen sind. Nur fliegen ist schöner - wollte ich gerade sagen, aber wir flogen ja. Ganz sachte über den Seen und Flüssen. Ab und an sah man auch die Namensgeber dieser Gegend. Grizzlies kenne ich aber immer noch aus Film und Fernsehen. Vielleicht ist das sehr gesund.

Kanada ist ein Land der Wunder, nicht von solchen, wie wir sie kennen wie z.B. die Auferstehung eines Propheten oder der Bau des größten Staudamms der Erde. Vielmehr wundert man sich, wie viel Menschlichkeit hier in der Nähe der USA herrscht. Bei mehr als 20 Reisen habe ich dort Indianer nur in Reservaten gesehen, wenn überhaupt. Den einzigen (amerikanischen) Indianer „in freier Wildbahn“ durfte ich in der Wüste von Australien, in Coober Pedy kennen lernen. In Cariboo hingegen habe ich ganze Familien zum örtlichen Rodeo wandern sehen. Auch Chinesen, Vietnamesen oder andere Asiaten fühlen sich sehr wohl in Kanada.