Eine Hochzeitreise zum Beispiel
Als Beispiel für die einfühlsame Behandlung der Gäste in dem nicht mehr wilden Westen sei die Geschichte eines Hochzeitpaares erzählt. Sie stammten aus den USA und wollten etwas tun, was der jung vermählten Braut sehr gut gefallen würde: Reiten. An sich kein Problem … Leider konnte sich der Bräutigam nicht als Kenner dieser Kunst ausweisen, dafür war er umso mutiger. Er hat schon einmal auf einem Pferd gesessen, meinte er lapidar beim Frühstück. Los konnte es gehen.
Gary meinte, heute würden wir nicht so weit reiten, wegen … ihr wisst ja schon. Ruhiger als sonst würde geritten werden. Nun, ja! Beim Aufsitzen klappte es prima, und im Nu war der junge Ehemann im Sattel. Der große Knauf vorne am Sattel, unter Fachleuten horn genannt, lädierte zwar diejenigen Körperteile, die man auf einer Hochzeitsreise besonders braucht, angesichts des Gewinns an Sicherheit, die dieses Ding einem vermittelt, lächelte er trotzdem mutig. Beim Antraben konnte er bereits rege davon Gebrauch machen. Elegant ließe sich der Reitstil zwar nicht bezeichnen, weil Anfänger besonders beim Traben so kräftig durchgeschüttelt werden, dass sich die relative Position ihrer Körperteile unharmonisch ändert.
Die Vorzüge eines echten Westernsattels und des entsprechend ausgebildeten Pferdes kann man in solchen Momenten am schönsten erleben. Das Greenhorn konnte seiner Braut, einer guten Reiterin, lässig folgen - na, ja, nicht so lässig, aber immerhin. Auch als wir nach wenigen Kilometern in den Galopp wechselten, Gary hatte die Probleme des Kerls schlicht vergessen, sah er gar nicht so schlecht aus. Das Herz hing zwar tief in der Hose, diese wurde aber vom Sattel schön gehalten, mit dem Jüngling darin. Unkontrollierter Galopp stellt sich nur dann als gefährlich heraus, wenn das Pferd dies als Freibrief zum Rasen versteht. Arbeitspferde bleiben aber brav hinter´m Führer.
Der Tag ließ sich gut an. Nach einer halben Stunde entdeckten wir Bärenspuren an einem Baum. So etwa bis 10 m Höhe. Bei deren Anblick flüsterte meine Tochter, ich solle mir keine Mühe geben, wenn der Brummi auftaucht. Hat sowieso keinen Sinn.
Solche Augenblicke bleiben einem besonders in Erinnerung, wenn man nicht so gut im Sattel sitzt. Mich hatte etwas ähnliches in Afrika erwischt, als die LH mein Reitgepäck in Frankfurt hatte liegen lassen. So stand ich vor dem ersten Elefantenbullen meines Lebens in nassen Schuhen und Hosen, weil wir kurz zuvor durch einen Flusslauf geschwommen waren. Nur: Elefanten sind keine Jäger, Grizzlies schon.
Diesem Jüngling hier drohte eben größere Gefahr, weil Bären bekanntermaßen keine Grasfresser sind, und Grizzlies nicht nur Lachse angeln. Das hat ihn wohl davon abgehalten, sich über das Tempo zu beschweren, das nun erheblich zugenommen hatte. Als wir zum Mittagbrot anhielten, hätte ich meinen letzten Heller darauf gewettet, dass der Bräutigam lieber zu Fuss nach Hause wollte. Aber nein! Der Mann stieg auf und ritt weiter.
So um die 30 km Ritt sind an dem Tag zusammen gekommen. Der Nicht-Reiter rutschte nur einmal vom Sattel und fiel runter. Westernpferde bleiben bei solchen Fällen wie angewurzelt stehen, so auch seins. Er stieg auf und galoppierte weiter.
Zum Abendessen sahen wir ihn aber nicht mehr. Er konnte nur noch horizontal liegend essen. Da er wohl einige Dinge auch nicht mehr konnte, die man auf so einer Hochzeitsreise gewöhnlich tut, sind sie am nächsten Tag abgereist. „Sport ist Mord“ soll Churchill gesagt haben. Ganz so schlimm kommt es nicht, aber auch nicht viel besser.
Sonstige Probleme? Ich kann mich nicht erinnern, dass sich irgend jemand über den Tag beschwert hat. Der Mann hat sich tapfer durch die Wälder geschlagen, und die Braut hat eine angemessene Strafe erhalten. Gary selbst hat nicht einmal gemerkt, dass nach etwas behutsameren Umgang der Held des Tages hätte versuchen können, einen weiteren Helden zu …
Auf der Ranch gab es tatsächlich Leute mit sanfteren Manieren. Einer davon war der Schwager von Gary, der seine mazedonische Herkunft nicht verriet. Ich kenne Mazedonier nur aus Geschichten mit Tschetniks, Patronengürtel um die Schulter und Messer zwischen den Zähnen oder ähnlich, und glaubte, sie sähen aus wie die Bewohner von Lower Slobbovia von Al Capp. Dieser hier könnte sich eher als lebendiges Bildnis von Alexander dem Großen ausgeben, ohne dass man an seiner Identität Zweifel wegen des Aussehens anmelden würde, wegen des Alters eher. Während die ebenfalls mazedonische Schwester beim Rodeo eine echte Westernbraut abgab, war er sanft und verspielt.
Seine feinen Finger setzte er nicht nur als Pferdeflüsterer ein, sondern in erster Linie als Fotograf. Egal wie man vorher aussah, wurde man mit wenigen Retuschen in einen Westernreiter verwandelt. Er schwärmte von Yellowknife, einem Ort mit größerer Freiheit für Ross und Reiter. Denn um Crystal Waters erstreckt sich das Land zwar für unsere Verhältnisse unendlich weit. Wenn man aber einen ganzen Tag reitet, muss man mehrere Male absteigen und durch ein Tor im Stacheldraht gehen. Leider erlebt man dies überall auf der Welt, wo Rinder im Freien gezüchtet werden. Auch die wirklich unendlichen Weiten in Nevada sind in Wirklichkeit eingezäunt. Was der Mensch in dieser Hinsicht so fertig bringt, kann man in Australien etwa in der Höhe des Wendekreises des Steinbocks erleben: Dort zieht sich der sog. dingo fence in einer einstigen Länge von 5.320 km quer durch den Kontinent und hält die Wildhunde von den Schafen ab.
Yellowknife liegt viel nördlicher und trägt einen nicht allzu genehmen Ruf vor sich her. Die Gegend war Heimat eines Indianerstammes mit Kupfermessern, daher der Name, gewesen. Die kanadische Regierung herrscht dort erst seit 1933. Raues Land. Wenn man bedenkt, wie rau Cariboo ist, kann man sich schon ein gutes Bild davon machen, was einen in Yellowknife erwartet. Dann lieber etwas Unfreiheit. Er aber flog dahin.
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde