Rodeo
Dudes legen Hand an beim Rodeo
Eines Tages erzählte Gary uns, er steckte in der Klemme. Er hätte versprochen das jährliche Rodeo zu veranstalten, ihm fehlten aber tüchtige Hände. Nun, ja! Auf einer working ranch muss man halt mit anpacken.
Das hiesige Rodeo-Stadion erinnerte mich an das Fussballfeld, auf dem ich als kleiner Junge gespielt hatte. Ziemlich runtergekommen. Jedenfalls nicht das, was man in Filmen als Rodeoarena sieht. Wir mussten Zäune reparieren, Schlösser tauschen, rostige Nägel aus dem Holz ziehen u.ä. Anders als bei den Rodeos, die ich kenne, d.h. in Filmen gesehen hatte, wusste ich aber nach zwei Tagen über alle Funktionen gut Bescheid. Wann muss eine Klappe fallen, wann geht ein Tor auf, wann sind die acht Sekunden auf dem Bullen um. So genoss ich dieses Rodeo als wäre es meine Veranstaltung oder einer der vielen Sonntage, die ich im Stadion verbringe.
Auch wenn dieses Rodeo nicht so professional aussah wie in Las Vegas oder ähnlich, laufen hier nicht unbedingt Amateure auf. Wäre auch Wahnsinn, Anfänger auf den Bullen zu setzen, oder Bronco reiten zu lassen. Es war halt eine bescheidene Show aus der Provinz. Dafür konnte man hier Indianer in großen Familien auflaufen sehen, was man in den USA garantiert nur in Reservaten erleben kann. Und beim barrel race sahen die Damen kaum wie Amateure aus.
In der ersten vollen Dezemberwoche steigt NFR (National Final Rodeo) in Las Vegas, an dessen Ende gleich acht Weltmeister gekrönt werden. NFR stellt den Kulminationspunkt des Rodeo-Jahres dar.
Rodeo ist nicht Jedermanns Geschmack. Ein Teil der interessierten Kreise hält sie eher für eine Tierquälerei. Welches Pferd benimmt sich je wie beim Rodeo? Höchstens die aus der Reitschule, wenn wieder einmal ein verwöhntes Gör an den Zügeln zieht. Die Broncos und auch die Stiere werden mit einem speziellen Gürtel dazu gebracht, sich wie Hupfbohnen zu benehmen. Zu der Tierquälerei kommt auch noch die Menschenschinderei, weil mancher Brustkorb es nicht aushält, wenn sich ein Bulle drüber wälzt. Unsere Wirtin, die aktiv mitgeritten ist, allerdings nur bei dem barrel race, hatte für die Stierreiter nur ein mildes Lächeln des Mitleids übrig. Viel Muskel, wenig Hirn!
Bei diesem Rodeo durften naturgemäß die besonders tollen Nummern nicht fehlen. Viel lustiger sahen aber die Kinder aus, die auf Widdern ritten. Sie kamen zwar nicht weit und die Widder benahmen sich nicht wie die Bullen. Lustig sah es doch aus. Die Volksseele kochte auch auf, als die Ferkeljagd losging. Eine ganze Meute an Kleinkindern im Stadion jagte ein Kleinferkel. Das lustige Schweinchen schlug Haken wie ein Karnickel, bis es von einem Kind gepackt wurde. Es durfte das Tier mit nach Hause nehmen. Ob aus dem einrichtiges Schwein wurde oder eher ein Spanferkel, entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Widder waren eine Nummer für sich, denn in Rinderland gibt es auch heut noch keine Schafsfarmen. John, unser Pilot, hatte die Herde auf einen Tieflader verfrachtet und vor einigen Tagen auf seinem Grundstück eingepfercht. Nach dem Rodeo waren sie wohl noch eine Woche Gast bei ihm, bis sich genug Liebhaber von Lammbraten gemeldet hatten. Artisten nach ihrem Auftritt zu verspeisen, kommt den Leuten hier nicht fremd vor. Wir in Deutschland dürfen das nicht, vielleicht ist es angesichts der Körperfülle mancher Künstler auch gut so. Man stelle sich zwei Berliner Gören vor, die beim Oktoberfest ein Kaninchen gewinnen und dieses für den nächsten Sonntagsbraten abgeben müssen. Ach, nee!
Von Bullen und Widdern
Mein Vergnügen … sagt das Rind
Beim Rodeo amüsieren sich meist Menschen auf Kosten eines Tieres der Gattung Rindvieh, manchmal findet das Gegenteil statt. Beim Jährlingsfangen mit dem Lasso sehen die Tiere nicht allzu belustigt aus. Beim Bullenreiten hingegen hatte ich manchmal das Gefühl, das Tier habe sich mit Genuss über den Reiter gewälzt. Es rennt danach auch wieder los, um es dem Kerl noch einmal zu zeigen. Dann muss der Clown den Bullen vom Reiter abhalten. Dabei helfen ihm die berittenen Ordner nach Leibeskräften. Für die Einheimischen sieht die Sache nicht so interessant aus, als Dude fand ich den Vorgang äußerst sehenswert.
Die Profis kommen manchmal aus einigen tausend Kilometer Entfernung hierher, um sich maximal acht Sekunden auf dem Tier zu halten. Meistens dauert es keine zwei, und der Kerl liegt im Sand. Mein Geschmack war die Sache jedenfalls nicht.
Anders das sog. roping, d.h. Fangen des Tieres mit dem Lasso. Die Frauen galoppieren hinter der Kuh her und haben gewonnen, wenn es den Strick um den Hals hat. Dann wird losgelassen. Bei den Männern geht es weniger lustig zu, insbesondere beim team roping. Zwei Reiter reiten derart auf das Tier zu, dass sie den einen Augenblick abpassen, an dem es mit allen Vieren in der Luft ist. Die Lassos zischen vorn und hinten, und das Tier liegt im Sand, an den vorderen und hinteren Läufen eingefangen. Ich glaube, dies ist eine große Kunst des Reitens und der Teamarbeit. Egal wie gut man ist, kann man nur gewinnen, wenn man sich im Team bewegt.
Übrigens, in Australien werden die Rinder in der Wüste auch mit dem Lasso eingefangen. Der Unterschied zum Wilden Westen liegt nur darin, dass die Cowboys mit dem Hubschrauber zum Einsatz kommen, ihre Pferde per Tieflader. In ländlichen Gebieten der USA ziehen auch normale Reiter mit einem „rope“ in die Prairie.
Egal wie hübsch die ganze Show gewesen sein mag, meinen Geschmack traf das barrel race. Die Übung ist eigentlich einfach. In der Höhe der Mitte des Stations stehen zwei Fässer zur Tribüne hin und eines am Ende in der Mitte. Ein flottes Mädel gibt dem Pferd Saures und düst mit fliegenden Haaren ab. Es muss die Fässer in der Mitte rechts und links umrunden, und das möglichst eng. Dann ab zum letzten Fass. Danach gibt´s kein Halten, jede Zehntelsekunde zählt, bis sie wieder das Tor erreicht hat, aus dem sie gekommen ist. Frauen, die viel Staub aufwirbeln, ohne dass jemand ihnen böse ist …
Das Spiel hat mich fasziniert, weil es Schlag auf Schlag geht. Die einzig Notleidenden hierbei sind die Pferde, die etwas mehr Zunder kriegen als sonst. Die schienen aber die johlende Menge zu genießen.
Mein liebster Ritt
Nach dem Rodeo kam mir Crystal Waters wie ein Paradies vor. Keine Hektik, kein Staub. Abends in der untergehenden Sonne in die riesige Badewanne steigen, die jeden Abend mit Unmengen von Holz aufgewärmt wurde. Etwa vier bis sechs Leute konnten gleichzeitig hinein. Das Wasser blieb bis etwa Mitternacht warm.
Nach Sonnenuntergang hört man schauerliche Töne, von denen ich annahm, sie wären Wolfsgeheul. Die Tiere, die sie ausstießen, waren die Loons, die Vögel, die man auf kanadischen Münzen sieht, die deswegen auch toon heißen. Die sonstigen Verdächtigen, die einem beim Wort Geheule einfallen, die coyotes, waren aber meistens ruhig. Ich dachte, sie hätten Angst vor den beiden Hunden, die der Rasse australian shepherd alle Ehre machten. In der Tat hatte die ruhige Haltung der Kojoten mit den Hunden zu tun. Angst war aber nicht die Ursache. Das aber später.
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde