Tal der Unendlichkeit

 

Mohn und Edelweiß

Hinter dem Pass wurde ein Tal mit unvorstellbaren Dimensionen sichtbar. Man kam sich echt winzig vor, und vor allem, die Strecken abzureiten, sah wahnwitzig aus. So etwa wie das Vorhaben einer Ameise, die Wüste Gobi schnell zu überqueren.

Grün, grün, grün - grüner geht es wohl nicht. Dazwischen Steine, Felsen oder Felsbrocken, manchmal so groß wie ein Einfamilienhaus. Eine üppige Flora mit Spezies, von denen ich nicht einmal gehört hatte, z.B. mit gelbem Mohn. Und überall Edelweiß und Enzian.

Die Herden sahen aus der Ferne wie Ansammlungen größerer Ameisen aus. Sie wurden manchmal von kleinen und größeren Jungen betreut, die auf Eseln ritten. Anders als im Balkan, wo auch ausgewachsene Männer Esel reiten, ist dies hier wohl ein Privileg von Jungen. Ihre Esel waren manchmal ganz hübsch geschmückt.

Ein wahrer Kirgise reitet natürlich nur einen Hengst und nimmt von der Stute nur die Milch, als Kımız. Von dem Getränk hatte ich bereits als Kind gehört, allerdings nur in Horrormeldungen. Eine amerikanische Firma hätte versucht, das Getränk in den USA auf den Markt zu bringen, die Kundschaft hätte sich aber vergiftet. Andere, die sich mutig an Kımız versucht haben, wären gleich high gewesen. Eine unendliche Geschichte … Meine erste Erfahrung damit war, dass ich beinahe vom Pferd gefallen wäre, weil sich das Tier so komisch bewegt hätte. Nur hatte sich das Pferd nicht komisch bewegt, high war ich auch nicht gewesen - die Jungs hatten meinen Sattel nicht ordentlich fest gezogen, so dass sich Pferd, Sattel und ich vielzu unabhängig voneinander bewegt hatten. Meine ehrliche Begeisterung für das Getränk blieb begrenzt, noch begrenzter bei einigen Mitreitern, die es auch versucht haben.

Etwa alle 10 km steht eine Jurte, häufig eingezäunt, damit die Kühe sie nicht lecken. Ich weiß nicht, was die anlockt, sie lecken sogar die Pferde oder deren Sättel. Wir wurden fast immer eingeladen, was nach einer vorbereiteten Aktion aussah. War aber nicht. Und hätten wir nicht unsere eigene Verpflegung mitgebracht, hätten die Gastgeber uns ihr Letztes aufgetischt. So will es die Landessitte.

Die Kinder bekamen kleine Gastgeschenke, die sie gerecht teilten. Sie sahen aber nicht danach aus, dass sie Geschenke erwarteten. Die Jungen kamen auch zu unserem Zeltplatz, wenn wir in der Nähe einer Jurte kampierten. Sie halfen kräftig mit, wenn Arbeit anstand. Am Esstisch, Pardon Esstuch, habe ich sie aber nicht erlebt, sie gingen lieber zu unseren Guides, die getrennt aßen. Bereits mit 12 Jahren sehen sie sehr ernst aus wie Erwachsene. Vielleicht lag das daran, dass sie entweder Ehrfurcht empfanden oder ihr Kichern unterdrücken mussten - ob der Aufmachung der Reittouris. Auch die Fragen einer bestimmten Dame (s. nächste Seite M I), die keine dumme Sache ausließ, könnten sie irritiert haben.

Gegessen haben wir fast immer eine Suppe mit viel Inhalt, häufig Nudeln, manchmal auch Kartoffeln. Man servierte viel selbst gemachte Marmelade, Nüsse, Korinthen u.ä. Zu trinken gab es Tschai, oder Wasser aus dem Fluss. Dieses sollte man angeblich abgekocht oder mit Pillen von Keimen befreit trinken. Daran habe ich mich zwei Tage gehalten, bis die Spenderin der Pillen genau das kriegte, was die Pillen vermeiden helfen sollten. Man trank das Wasser nicht direkt, weil angeblich tote Tiere im oberen Lauf es verpestet haben könnten. Nach einer kurzen überschlägigen Berechnung der toten Tiere, die täglich in den Fluss mussten, um ihn zu vergiften, habe ich dann das Wasser immer direkt getrunken. Montezumas Rache hat mich schon erwischt, aber erst durch das Frühstück auf dem Moskauer Flughafen.

Der Ritt wurde nie langweilig, auch wenn die Strecken endlos weit aussahen, die man abreiten musste. Die längste Tagesetappe lag wohl bei etwa 40 km, übliche Strecken zwischen 25 und 30 km. Wir saßen täglich etwa zwischen 5 und 6 Stunden im Sattel.

Die Reise kann ich jedem empfehlen, der gerne andere Dinge sehen möchte, als die üblichen Angebote es ermöglichen. Bis auf zwei Nervensägen, die halt schnell isoliert waren, verstand sich die Truppe sehr gut. Dies kann natürlich kein Veranstalter garantieren. Dennoch trug das Verhalten des Personals vor Ort und während des Ritts sehr zum Gelingen bei. Wer Lust hat, möge sich an den Rat des Veranstalters halten, gutes Regenzeugs und einen sehr warmen Schlafsack mitzunehmen. Zelten bei Höhen um 3.500 m ist auch im Hochsommer kein Kavaliersdelikt.