Yellow Water Billabong

 

Obwohl es mich schaudert, muss ich ein nettes Wort für die Tiere einlegen. Krokodile sind genau das, was wir uns als Vorbild nehmen sollten. So ein Monster mit fünf Meter Länge kann einen ganzen Monat von einer kleinen Maus leben. Das Tier stellt alle seine wichtigen Körperfunktionen einfach auf Sparflamme und döst vor sich hin. Nur die Augen und das Alarmsystem sind noch scharf. Wenn etwas Essbares erspäht wird … Schnapp! Ein Krokodil kann auf den ersten fünfzig Metern galoppieren wie ein Pferd.

Um meine hohe Meinung von den Tieren unter Beweis zu stellen, bin ich in ein Gewässer reingesprungen, in dem Krokodile unten am Boden zu sehen waren. Dieser Heldentat war allerdings der Sprung einer Dame in das selbige Gewässer voraus gegangen, was ich ungern gestehe. Den Aussies schien die Sache gar nicht so gefährlich zu sein. Wenn ich daran denke, dass ganz Deutschland in helle Aufregung geraten ist, als ein kleiner Alligator ausgebüxt war, kommt mir die Angelegenheit doch wie eine Heldentat vor.

In Yellow Waters kann man viele wunderbare Geschöpfe bewundern, so auch Vögel aus aller Welt. Die Artenvielfalt lässt sich kaum beschreiben, ohne den Wortschatz eines Normalbürgers zu verlassen. Der weltgrösste Pelikan, echte Mega-Störche, Eisvögel aller Größen (was nur hier möglich ist, weil der Kookaburra nur in Australien lebt), Kraniche, an deren Glanz die von Ibykus vor Neid erblassen würden, sie alle bevölkern das Billabong. Der Jesusvogel, so genannt, weil er scheinbar über´s Wasser läuft, gehört noch zu den kleinen Sensationen. Papageien, Sittiche, Aras … (mehr …)

Leider muss ich auch berichten, dass ich in der Nähe ein unmögliches Erlebnis hatte. Mich verfolgte eine Schlange. Ansonsten kommt so etwas nicht vor, weil sich Schlangen immer vornehm zurück halten. Diese, die „gewöhnliche“ Braunschlange, ist ungewöhnlich aggressiv und greift an, auch wenn man ihr nicht zu nahe getreten ist. Diese Schlange gilt als besonders gefährlich, da sie sehr nervös ist und bei einer (vermeintlichen) Bedrohung sehr aggressiv werden kann und meist sofort zubeißt. Ich begegnete ihr zu einer Zeit, wo sonstige Schlangen langsam in die Heier gehen, abends in der Dämmerung. Die Braunschlange ist nicht immer, sondern meistens tagaktiv, außer bei sehr heißem Wetter; dann jagt sie auch gerne während der Dämmerung. Warum musste sie ausgerechnet mich jagen? Das Glück ist bei den Dummen! Ich hatte auf dem Arm viele Holzstöcke, die ich für das abendliche Lagerfeuer gesammelt hatte, als die Schlange mich entdeckte. Ich schmiss alles Holz weg und behielt den längsten Stock. Eine Zeit lang blieb ich wie angewurzelt stehen, damit das Viech kein Bild von mir machen konnte. Dann kroch ich mit vorgehaltenem Stock langsam rückwärts. Ufff!

Solche Dinge vergisst man schnell, wenn sich der Abend über das Billabong nieder lässt. Die Vögel werden immer leiser, es legt sich ein Schleier über die Gewässer. Das ist der Moment, wo die Unwirklichkeit Wirklichkeit wird. Auf dem Campingplatz in der Nähe lodern die Flammen in den Nachthimmel, die Possums und Känguruhs kommen betteln. Die Fliegenden Hunde steigen gen Himmel und kommen erst morgens wieder heim. An dem letzten Abend, den ich bei Yellow Waters verbrachte, hatte ich das besondere Glück, zehn Neuseeländer in einem VW-Bully zu erleben, die einen riesigen Baumstamm auf ihr Lagerfeuer gewuchtet hatten. In den fast Baum hohen Flammen sah man sie zu Didgeridoo-Klängen tanzen. Als der Morgen kam, waren sie verschwunden. Sie wollten den Bully in seine Heimat fahren, hatten sie in der Nacht erzählt. Da werden sie aber was erlebt haben, zehn Mann in einem Bully?

Am nächsten Tag war ich etwas weiter am Adelaide River. Dort haben die Aussies den Krokodilen etwas beigebracht, das zirkusreif ist. Die Tiere springen nach hingehaltenen Fleischstückchen nach oben und schaffen es zuweilen, ganz aus dem Wasser zu kommen. Man sollte die Sache allerdings nicht vom Kanu aus probieren, weil so ein Tier gut 500 kg und noch viel mehr auf die Waage bringt. Aber keine Sorge, es gibt keine Unfälle dort, wo Amerikaner Touri spielen. Wer sie dennoch hat, bzw. hatte, kan sich zwei Nägel kaufen. An den ersten hängt man seinen Beruf, und an den zweiten …?

Ein Billabong besteht aus viel Wasser und Land drumherum. So kann man auch ein Meer oder gar einen Ozean beschreiben, wenn man unbedingt übertreiben will. Die Billabongs in Northern Territory sind eine Klasse für sich, Yellow Waters (oder Yellow Water) gehört aber in die Extraklasse, zum Welterbe der UNESCO.

Für böse Leute gehört so etwas in die Kategorie Sumpf und daher bekämpft. Zu meiner Kindheit liefen jeden Montag Männer mit Pumpen auf dem Rücken und spritzten alle Pfützen mit DDT, um uns vor den gefährlichsten Tieren des Universums zu schützen, den Mücken. Wie man heute weiß, wäre DDT durchaus imstande gewesen, der Menschheit den Garaus zu blasen. In Yellow Waters hätten die Kerle aber null Chance gehabt, denn das Wasser kommt in der Regenzeit in derartig großen Mengen nieder, dass man mehrere Ölquellen hätte erschließen müssen, um hier die Mücken tot zu spritzen. So gehören sie zum wenig beliebten Zubehör dieser Landschaft und sorgen für reißenden Absatz bei Damenhüten. Diese sehen zwar weniger elegant aus als die der Damen in Ascot, dafür sind sie ungemein nützlich. Die Hutkrempe dieser Hüte dient weniger dem Sonnenschutz als der Formgebung für das Fliegennetz.

Sie beißen doch nicht …

Billabong?

Wenn man nichts zu tun hat, oder zu viel Geld, oder Zeit, oder einfach Lust, etwas Einmaliges zu sehen, ist in Katherine richtig. Exotik, Ruhe, Schönheit oder jede Menge Flattersäuger, das alles und viel mehr lässt sich dort finden. Auch noch der Lieblingsfisch der Aussies: Barramundi. Etwas für jeden Geschmack. Man könnte den Ort ruhig Katherine the Great nennen.

Foto Tourism NT

Foto Tourism NT

Die ökologisch weitaus wertvollere Lösung, sich mit Hilfe von Spinnen zu schützen, die mit den Moskitos spinnefeind sind, wird von den Damen verständlicherweise weniger goutiert. Während man sich ganz gut vorstellen kann, wie so eine Dame hinter einem Netz ausschaut, die gab´s ja in früheren Filmen, übersteigt es unsere Fantasie, das Erscheinungsbild eines Frauengesichts drapiert mit Spinnen drum herum vorzustellen.

In dem Billabong leben noch viele andere nette Wesen, von denen die Salties mit Sicherheit bzw. wegen der Sicherheit die meiste Aufmerksamkeit verdienen, weil sie den Unaufmerksamen keine Chance lassen. Salties, Salzwasserkrokodile, auch Estuarine oder Leistenkrokodil genannt, sind die größten und gefährlichsten Krokodile, die es gibt. Anders als der Name vermuten lässt, leben sie nicht nur nur im Salzwasser, sondern können in jedem Flusslauf, Tümpel oder Meer lauern. Salties werden die Tiere wegen einer besonderen Drüse genannt, die das Trinken von Meerwasser ermöglicht und so den Lebensraum auf das Meer ausweitet. Der Ausbreitungsraum ist damit nicht auf Australien beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Indien, Südostasien und Papaneuguinea. Ein Salty soll etwa 1.000 km vom nächsten Land entfernt gesehen worden sein. Sie sollen 10 m lang werden können. Während man solch ein Monster noch nie gesehen hat, ist ein Salty mit 8,8 m Länge in Australien geschossen worden. Immerhin …

Was so ein Krokodil von uns hält, erlebte ich hier bei Yellow Waters, einem Billabong mit einer wirklich ordentlichen Krokodilpopulation. Diese Gegend ist seit etwa 50.000 Jahren von Aborigines bewohnt, die sich natürlich nicht so nennen. Sie pflegen so ihre Traditionen, z.B. das Essen von bestimmten Schlangen. Das ist Tradition. Die dummen Viecher leben aber in der Nähe der Wurzeln einer bestimmten Palmenart, dessen Wurzelwerk leider meistens unter Wasser steht. Das ist Natur. Die Aborigine Frauen sind derart privilegiert, dass nur sie die Schlangen und ihre Eier sammeln dürfen. Das ist gute Tradition. Da sage noch einer, Frauen werden diskriminiert.

Als uns eine Rangerin vom Park diese Tradition beschrieb, stockte ihre Stimme plötzlich und sie sagte, hier würde etwas Unmögliches geschehen. Gleich zwei ausgewachsene Krokodilmännchen schwammen dicht beieinander. So was gäbe es nicht, sagte sie noch, und dann war es geschehen. Mit einem mächtigen Schlag verjagte das eine Tier das andere. War dies nicht schrecklich genug, wären wir am liebsten weggelaufen, als sich der Kerl umdrehte und unser Schiff angriff. Das Ding war immerhin etwa 10 m lang, das Schiff, meine ich. Das nächste Mal, als ich mit einem Kanu auf Fotojagd ging, bin ich lieber Eidechsen und Äffchen nachgepirscht. Die Angst saß tief, und das Herz noch tiefer in der Hose. Nicht, dass ich Angst hätte… ich habe schlicht und einfach Schiss - und das ich mehr als Angst. Mit allen Lebewesen kann man scherzen, und kommt meistens davon, bei crocs hingegen, sind die meisten Lebewesen Fressfreund!