Wo Herakles dauernd Köpfe abschnitt

 

Von Milos aus war es kein Katzensprung, um auf die nächste Insel zu kommen, die näher bei Athen liegt. Man musste ewig segeln. Ich glaube, unser Logbuch spricht etwas von 60 sm oder ähnlich. Mit den Entfernungen ist es aber so wie mit Zeiten. Die Länge einer Minute bemisst sich nicht etwa an der Anzahl der Sekunden, die vergehen, bis die um ist, sondern hängt davon ab, auf welcher Seite einer geschlossenen Toilettentür man sich befindet. Den gehörigen Druck auf der Blase vorausgesetzt. Aber ohne den stellt man sich auch nicht hin in so eine Zelle. Anders als die Fahrt von Kreta nach Milos haben wir die Zeit kaum gespürt. Segel hoch, Autopilot an, und Frühstück! Der angebrochene Tag war zum Heldenzeugen, der Wind ungeeignet für Heldentaten. Wir glitten mit optimaler Geschwindigkeit Richtung Hydra. So fühlte keiner der drei Segler, dass wir über 60 Meilen gesegelt sind. Kontrastprogramm zu der Anfahrt nach Milos.

Wenn man in Milos die schönen Häuser unten und die weißen oben bei Plaka hinter sich gelassen und an der vorgelagerten Insel vorbei gemogelt hat, sieht man in der Ferne einen Schatten. Das ist Hydra. Die Insel, auf der Esel eine große Rolle spielen. Dies gilt zwar für viele Inseln und auch Orte auf dem Festland, diese Esel laufen aber wirklich immer auf vier Beinen. Auf Steuerbord sieht man, ebenfalls als Schatten die Inseln Sifnos, Serifos, Kythnos und Kea. Der Wind wird immer gesitteter, weil man sich aus der Zone entfernt, in der er einen großen Fetch nach Norden oder Süden ausnutzen kann. Die Halbinsel Morea bzw. die Peloponnes bremsen die Winde.

Insel der nicht so armen Griechen

Um zum Hafen von Hydra zu kommen, muss man von Milos etwa 60 sm Richtung NW segeln, die Insel im Osten umrunden und noch ein paar Meilen zwischen Festland und Insel zurück legen. Das letztere manchmal ohne Wind, weil der von Land abgebremst wird, wie schon gesagt. Manchmal ist der Wind verwirbelt, so dass man häufig die Segel umlegen muss. Hier sieht die Landschaft schon interessanter aus, weil man Land auf beiden Seiten sieht und nicht nur Schatten in der Ferne. Leider ist das Land recht karg. Griechische Inseln sind karg. Meistens jedenfalls. Ob das am Schiffsbau liegt, was man in der Antike betrieben hat, oder am Klima, kann ich nicht zuverlässig beantworten. Wenn man sich aber auf einer anderen Insel umschaut, Elba, die einst auch karg gewesen ist, muss ich das Klima als Missetäter annehmen. Elba war entwaldet, die Bäume waren für den Bergbau draufgegangen. Heute kann man die Insel als eine besondere Schönheit der Toskana bewundern. Mal sehen, vielleicht grünen die Inseln um Athen auch mal wieder.

Wo es heutzutage grünt, blühte mein Lieblingsbaum, der in der Türkei Purpurbaum genannt wird. Ihn gibt es besonders am Bosporus Ende April. Auf Hydra und in Athen blüht er etwas früher, aber kaum anders. Der Purpurbaum bekommt seine Blüten lange bevor seine Blätter das Tageslicht erblicken. Es gibt bestimmt Bäume, die schöner blühen. Den Purpurbaum liebe ich, weil er am vollgebauten Bosporus zeigt, dass da noch Natur ist.

Bisschen voll …

Als wir in den Hafen von Hydra einfahren wollten, zeigten bereits die Yachten, die vor der Mole ankerten, dass hier wohl andere Sitten herrschen. Die Dinger waren so um die 60 m lang, und ich vermute, dass das Küchenpersonal an ihrer Zahl die maximale Besatzung unserer Yacht lässig übertrifft. Normal ist es nicht, dass Schiffe draußen ankern. Hier schon, denn der Hafen ist relativ klein, und war nicht nur relativ voll. Kein Wunder. Es war Ostern. Nach der Hafeneinfahrt an Backbord befindet sich die Fähranlegestelle, danach eine Massenansammlung von Eseln und Mulis. Diese tragen die Menschen und Geräte die Hügel hoch. Eine Waschmaschine auf einem Muli sieht doch gut aus!

Wir versuchten, uns zwischen Fähre und Eselhaltestelle zu quetschen, weil der Hafen ansonsten gerammelt voll war. Eine nette Polizistin verscheuchte uns, gerade als die Fähre ablegen wollte. Der Kapitän sah aus, als wenn er fluchte ob der dämlichen Touris. Wir haben nix verstanden, weil Griechen auf Griechisch fluchen. Ich schätze mal, auch auf Türkisch, weil kaum eine Sprache eine solche große Vielfalt an Flüchen aufweist als Türkisch. Was sollten wir tun? Raus nach Mandraki, wo der Name schon sagt, da sei eine große Mole. Nicht doch, Hydra der Hafen ist der angesagte Ort, wenn es um eine lustige Strandpromenade geht.

So legten wir nicht römisch katholisch an, sondern massen-chaotisch. Wenn Yachten die ganze Promenade belegt haben, geht man in die zweite Reihe, danach in die dritte. Man legt Fender nach allen Seiten aus und vertäut alle Yachten zu einem Päckchen zusammen. Wobei Päckchen reichlich untertrieben ist. Unser Schiff mit seinen 15 m nahm sich klein gegenüber der Nachbarschaft aus. Die anderen überragten uns zuweilen um mehr als die doppelte Länge. So ein Päckchen beruhigt einen, weil kein Schiff bei plötzlich aufkommendem Wind den Anker loslegen und auf die anderen zu treiben kann. Oder auf Felsen. Man muss nur erfindungsreich sein, wie man an Land kommt.

Oben auf Hydra befinden sich wunderbare Felsen, in denen man Lokale errichtet hat. Die Abendsonne kann man dort genießen, leider nicht den Aufgang des vollen Mondes, weil der auf der Rückseite aufgeht. Man kann ja nicht alles haben. Wir haben uns mit ein paar Bier bei den Felsen gemütlich gemacht. Dort war vor zwei Jahren der Jugendtrupp unseres Windsurfvereins an einem schönen Winterabend. Die Fotos vom Sonnenuntergang stammen aus dem Winter. Hydra selbst präsentiert sich bei der Abendsonne als magisch schöne Insel. Nach deren Verschwinden kommt richtig Leben in die Bude. Hydra ist die Spielwiese der Reichen aus Athen.

Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen von Hydra, weil wir auf eine noch belebtere Insel wollten, Poros. Wir haben jedoch recht früh abdampfen müssen, weil die hinteren Schiffe aus dem Päckchen zuerst raus wollten. Wir hätten zwar an der Promenade frühstücken können, hätten aber dazu die Abfahrt der ganzen Mischpoke abwarten müssen. Dazu noch die ganzen Wassertaxis, die die Leute nach Athen oder zurück bringen. Lieber nicht. Wieder Segel hoch, Autopilot an. Und Kaffeemaschine anwerfen.

Diesmal mussten wir keine Ewigkeiten segeln. Bis Poros sind es kaum 20 sm. Dafür muss man sich langsam an den regen Verkehr auf dem Wasser gewöhnen. Poros ist wie ein Vorort von Athen. Es fahren kleine und große Fähren, Yachten, Schiffe u.ä. hin und her.

Die Landschaft wurde immer grüner. Am Hafen von Poros ist es sogar richtig grün auf den Hügeln. Schön knifflig ist es, in den Hafen zu kommen, weil das Wasser zwischen dem Festland und der Insel nicht genau in der Mitte am tiefsten ist, wie sich der unvoreingenommene Beobachter immer vorstellt. Deswegen sollen Yachten von Touristen öfter im Sand stecken bleiben, wodurch sich die Fischer der Insel ein Zubrot verdienen. Nimmt man den richtigen Weg - den einem z.B. die Fähren zeigen -, fährt man an vielen Häusern am Wasser entlang. Bei unserer Durchfahrt sah man auch neue Yachten in kleinen Flotten. Die Saison hatte noch nicht begonnen.

Ostern auf Poros

Auf Poros haben wir erlebt, dass Griechenland ein Gottesstaat ist. Anders als die alten Götter, ist dieser streng. Die Menschen, die tagsüber die Kneipen und Cafés der Insel bevölkerten, haben sich plötzlich in mehrere große Gemeinden eingereiht und folgten den Prozessionen von drei Kirchen. Solche Prozessionen kannte ich aus meiner Kindheit. Die führten zu Ostern zu einer Quelle, die Ayazma hieß. Der Ursprung des Wortes ist „Hagia“ wie heilig und „Ma“ wie Wasser. Das heilige Wasser. Dort mussten die Lämmer daran glauben. Denn so religiös wie die Griechen sind, so traditionsbewusst sind sie.

Anstelle vieler Worte, hier ein Video von der Einfahrt in den Hafen und ein zweites von den Prozessionen. Die Qualität der nächtlichen Aufnahmen lässt zwar zu wünschen übrig. Man bedenke aber, die Aufnahmen sind ohne Licht und aus der lockeren Hand geschossen worden.




Wie man am Ende des zweiten Videos sieht, haben wir Poros in der Nacht verlassen, damit wir in Athen den Höhepunkt des Osterfestes erleben konnten, den tausendfachen Grill von Lämmern. Zu Ostern gibt sich Athen als eine einzige Grillstelle. Gegessen haben wir natürlich im Schatten des Parthenon. Das ist aber eine andere Geschichte, die noch zu erzählen ist.

Die Reise hieß Surf&Sail X - X wie 10, nicht x-beliebig. Es war nicht einfach, sie zu überleben. Aber unwahrscheinlich schön.