Wo Ariadne einst …

 

Naxos, eine Insel, die aus mindestens zwei Gründen berühmt ist. Unsere Altvorderen kennen sie aus der Antike, wo man Ariadne wie bestellt und nicht abgeholt auf der Insel gelassen hatte. Die Jugend, jedenfalls die sportliche, kennt eine Bucht als eine der Topspots der Surf-Szene. Ariadne, die den ersten wichtigsten Faden der Geschichte gesponnen hatte, davon kommt der Begriff „der rote Faden“, sollte eigentlich Theseus heiraten, dem sie geholfen hatte, Minotauros zu erschlagen. Der aber ließ sie schlafend am Strand liegen, wo der Gott der Säufer und Trinker, Dionysos, sie erblickte. In welchem Aufzug sie da schlief, als sich Dionysos in sie verliebte, ist zu unterschiedlichen Zeiten, je nach gerade herrschender Sitte und Griechenbild, recht unterschiedlich abgebildet worden. In der Antike sah Ariadne recht freizügig aus, während später im 19. Jhdt. sie züchtig bekleidet ihren Möchte-Ungern-Gatten Theseus am Strand suchte. Sie sieht in dem Gemälde von Evelyn de Morgan nicht gerade aus, als würde sie das Land der Griechen mit der Seele suchen. Vielleicht konnte sie die Griechen nicht mehr riechen, seitdem Theseus gesagt hatte „Liebling, ich hol´ schnell mal paar Zigaretten“ und danach wohl für immer verschwunden war. Vermutlich war sein Eheversprechen nicht mal echt. Ariadne war bestimmt nicht die erste, auch nicht die letzte Sitzengelassene, die berühmteste ist sie allemal. Von Tizian (1520) bis Michael Triegel (2010) haben unzählige Maler sie auf Leinwand gebannt. Dannecker hat sie auf den Tiger gepackt. Bei mindestens acht Opern, auch von Richard Strauss, steht sie im Titel, auch bei einem Ballettstück von Roussel.

Mit dem Himmel verbunden ist Ariadne auch noch. Zum einen gab ihr Diadem einem Sternbild die Form („Nördliche Krone“). Zum anderen kam sie über ihren Sohn Oenopion, in den Weinhimmel. Die Önologie, Kellerwirtschaft des Weines, ist nicht nach dem Papa Dionysos, sondern nach dem Sohn benannt. Nachdem sie in der Gosse, Pardon Hades, gelandet war, holte sie Dionysos auf den Olymp, den griechischen Himmel mit Residenzen unzüchtiger Götter. Dort läuft sie wahrscheinlich wieder ziemlich spärlich bekleidet herum, diesmal wegen der Finanzen von Griechenland.

Noch mehr Himmlisches von Ariadne: Ein Meteorit und die wohl mächtigste Rakete der Gegenwart, Ariane 5. Sie soll beim Start 15 Mio. PS entwickeln. Damit können die Surfer zwar nicht dienen, aber raketenhaft beschleunigen kann man am Surfers Paradies schon.

Zum Hafen von Naxos haben meine Vereinskameraden ein ähnlich gebrochenes Verhältnis wie Ariadne. Sie wurden vor Jahren nicht hinein gelassen und mussten bei etwa 9 Bft. draußen kampieren. Ich habe so etwas bei Elba nur bei 6 - 7 Bft. tun müssen, und weiß wie schlimm das ist. Während die See bei 7 Bft. als „grob“ bezeichnet wird, heißt 9 Bft. hohe See, Äste brechen, kleinere Schäden an Häusern, Ziegel und Rauchhauben werden von Dächern gehoben, Gartenmöbel werden umgeworfen … Und da soll man schlafen, während die anderen in der Taverne sitzen und sich Erzeugnisse vom Gatten oder Sohn der Ariadne einflößen.

Surfers Paradies

Der Hafen ist ausgebaut, und leider wieder ziemlich verhunzt. Wir mussten gegen den Wind Anker ausbringen und uns bei einem Nachbarn mit mächtigen Ankern absichern. Leider musste der in der Nacht abreisen und ließ unseren Festmacher fallen. Es gab einiges an Geschepper in der Nacht und viel Biegearbeit am Tag danach. Auch keine gute Erinnerung.

Auf Naxos begann die erste Surfstunde dieser Surf&Sail, der zehnten in Folge. Vorher wurden aber erst einmal kulinarische Gegebenheiten der Insel in Augenschein genommen. Unser Lokal am Surfers Paradies hatte noch nicht eröffnet, weil niemand, der alle Tassen im Schrank behalten will, Ende März segelt. Dafür kann man im Sommer am Strand kaum laufen und wird auch nicht immer ein Plätzchen im Hafen finden.

Saisonbedingt fielen die ersten Stunden nicht sehr ermutigend aus. Die Filmerei, durch einen professionellen Kameramann, konnte keine Heldentaten aufzeichnen. Die kamen später, als draußen der Wind und die Welle stark zunahmen.

Der erste Surfer verschwand mit dem Brett Richtung Surfers Paradies, und kam nicht wieder. Der auflandige Wind und das kalte Wasser hatten ihn wohl stark beansprucht. Nach einer Weile verließen wir den Hafen und fuhren in Richtung Bucht. Dummerweise besteht die besondere Eigenschaft dieser Bucht darin, dass sie flach ist. Deswegen entsteht wenig Welle im Verhältnis zur Windstärke, und man kann schnell heizen. Wenn man kann …

Diesmal reichte es zum Heizen nicht. Da wir nicht tief in die Bucht fahren konnten, haben wir das Dingi losgeschickt. Ein Surfer sollte den anderen ablösen, der mit dem Dingi zurück kommen sollte. Dieses Manöver misslang fast, weil der Motor vom Dingi, der bei der Übernahme des Schiffs sofort angesprungen war, leider nichts mehr davon wissen wollte, dass er eine Triebkraft entwickeln sollte.

Am Ende fasste ich ein Herz, fuhr in die Nähe des Dingi und machte es fest. Unser Surfer wollte aber nicht zum Schiff übersetzen und blieb im Dingi, als wir bereits Richtung Thira segelten. Nach einer Weile setzte sich der zweite Surfer auch in das Dingi. Zum Glück nicht bis Thira. Aber recht lange.

Bereits kurz nachdem man Naxos im Westen passiert hat, glaubt man Thira in der Ferne zu sehen. Auf jeden Fall segelt man nicht ewig, bis man den ehemaligen Vulkan sieht, der in der Antike in die Luft geflogen war und dadurch die echte Heimat der Ariadne ausgelöscht hatte. Minotauros war ja bereits tot (s. Theseus, der Held), von den Menschen, die aus Thira geflüchtet waren, überlebte wohl keiner den Tsunami, der je nach Geschichte zwischen 60 m und 250 m hoch gewesen sein soll. (Wem das als Seemannsgarn vorkommen mag, sollte sich nach der höchsten Welle erkundigen, die je gemessen wurde. Sie war 510 m hoch - und ein Vater und Sohn, die dort angelten, haben sie überlebt! Das war 1957, also nicht in der Antike. (Näheres aus wissenschaftlicher Sicht hier:

http://books.google.de/books?id=b1sXfJCiCHQC&pg=PA163&lpg=PA163&dq=Vawe+510+m+alaska&source=bl&ots=rZyM9RphC6&sig=Zh9FhJ2ifblnCvlSyNXD7VyVkLk&hl=de&sa=X&ei=ALvdT4LnKYXHsgbeobDeDQ&ved=0CGMQ6AEwAQ#v=onepage&q=Vawe%20510%20m%20alaska&f=false


Wir sollten bei dieser Reise zum Glück keine so hohen Wellen erleben, aber die, die wir erlebten, reichen auch aus, so etwa 4 m. Macht zwischen Krone und Tal 8 m. Da guckt eine Yacht zu mehr als zur Hälfte aus der Welle raus, wenn sie unter einem durchzieht.

Noch betrug aber die Wellenhöhe nur einen Meter. Man kann sie gemütlich nennen. Und der Vulkan von Thira, der die Welle von 60 m produziert hatte, backt derzeit nur kleine Brötchen. Im Jahre 1956 hat er „nur“ einige Städte zerstört. Zwischen seinen Lavawänden mit ihren 200 m - 400 m, der höchsten der Welt, hat sich eine kleine Vulkaninsel ihren Platz geschaffen, danach im Jahre 1707 die zweite. Sie heißen beide „Verbrannte“, warum wohl?

Naxos ist bislang nicht durch ihre vulkanische Tätigkeit aufgefallen, aber ihre Nachbarinsel Milos. Die ist in der Antike auch mal in die Luft geflogen. Dort ist, anders als auf Thira, durch den Ausbruch ein sicherer Hafen entstanden. Der rote Faden, der die vulkanischen Aktivitäten der Ägäis zeichnet, gibt leider nicht den Weg zur Rettung an wie bei Ariadne, sondern verbindet die Orte des Verderbens. Man kann es auch anders sehen. Die schönen Orte auf Thira waren vor dem Ausbruch recht hässlich gewesen. Und der Vulkan spuckt nicht nur Tod aus, sondern fruchtbare Erde, auf dem der Wein so toll gedeiht. Griechischer Wein - auch eine Tragödie.