REISEN - REISEN
Bilder und Geschichten aus meinen Reisen
Inseln über Inseln
Wenn man die Natur sich selbst überlässt, besteht das Land Malediven aus Korallenriffen, die an mancher Stelle dem Himmel näher wachsen und irgend wann mal den Kopf aus dem Wasser strecken. Eines schönen Tages ist eine neue Insel geboren. Die Taufe nimmt wahrscheinlich ein Seevogel vor, mit einem Strahl Dünnpff… Der klebt die Sandkörner, d.h. den Korallenschutt, zusammen. Und wenn er denn einige Samen enthält, wächst ein kleines Pflänzchen darauf. Die omnipräsente Kokospalme kommt nicht von selbst hierher. Wie auch in der Südsee, schickt eine Insel eine Expedition auf die neue Insel, so sie groß genug geworden ist, die dort Nüsse einbuddelt. Die Kinder derer kommen später ernten.
Die Insel ist in keinem Stadium ihres Lebens stabil. Bei gleichartiger Strömung aus allen Richtungen, naturgemäß nicht zur gleichen Zeit, entsteht eine ziemlich runde Insel mit einem Saumriff drum herum. Meistens gibt es aber eine bevorzugte Richtung der Strömung, so dass die Insel unsymmetrisch wird. Das Wasser trägt den Sand auf der einen Seite ab und schwämmt hinten wieder auf. Die Insel zieht einen langen Schwanz. Und bewegt sich langsam in die Richtung.
Eine runde Insel ruht immer auf einem Sockel aus Koralle, an dem der Zahn der Zeit nagt. In diesem Sockel sammelt sich eine Süsswasserblase, die die Insel noch eine Weile trägt. Irgend wann fällt das Innere der Insel in sich zusammen, bleibt ein Ring mit einem Ring drum. Das ist dann ein Atoll. Vom Hubschrauber aus kann man eine Menge solcher Inseln sehen, die wirklich wie in der Theorie wachsen. Und auch solche, die sich an die Oberfläche heran arbeiten.
Leider kann man auch erleben, wie die Insel schnell zusammen fällt, wenn die Touris die Blase geleert haben, durch Duschen und so. Gemeint ist die natürliche Wasserblase unter der Insel.
Heute sehen viele Inseln so aus, wie es die Natur nie vorgesehen hat. Um die ewige Wanderung der Inseln zu stoppen, plündern findige Hoteliers woanders Korallen, die sie in Richtung der Strömung als Mauer auf dem Riff bauen. Solche Mauern können einen schlappen Kilometer lang sein. Der glückliche Touri, der auf eine solche Insel gerät, guckt nicht auf den Ozean hinaus, sondern auf eine Mauer. Besonders witzig, wenn man nachts auftaucht und den Weg zur Insel sucht. Man schwimmt vor einer schwarzen Wand, in der es kaum einen Durchlass gibt. Pure Romantik, Südsee mit Palmen!
Darum möge man sich vor den Rechner setzen und studieren, ob seine Traumdestination doch nicht eingemauert ist. Man kann die Mauern deutlich sehen. Außerdem die Lage der Bungalows. Was sich auf der Rückseite der Insel abspielt - na ja!
Die Inseln, so klein sie auch sein mögen, bilden manchmal den Kern einer Touri-Siedlung, die auf Stelzen gebaut wird. Solche Hütten, sehr häufig eigentlich richtige Luxusschuppen, besitzen in der Mitte des Raums ein Fenster nach unten, und man kann beim Kaffee gleich die Fische bewundern. Man hatte befürchtet, dass nach dem El Nino von 1998 und dem Tsunami von 2004 nicht nur die Korallen ziemlich tot sein würden, sondern auch die Fische, sofern sie nicht rechtzeitig das Weite suchten. Es kam erstens anders, und zweitens als man denkt. In Jahre 2005 habe ich mehr Fische als früher gesehen. Allerdings nicht durch das untere Fenster - vielen Dörfern auf Stelzen hat der Tsunami den Sandboden unter sich weggezogen. Viele Luxusanlagen lagen brach, weil unsicher.
Die üblichen Inseln gucken bei Flut gerade mal ein bis zwei Meter über Wasser. Sie wurden von den Tsunamiwellen einfach überrollt. Die Schäden konnten auf Grund der Besonderheit dieses Landes „relativ“ gering bleiben: Die Inseln sind gruppiert innerhalb von Atollen mit einem Außenriff drumherum in einem relativ flachen Gewässer. Da Tsunamiwellen gar keine Wellen sind, sondern eher eine Druckwelle, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser bewegt, und von den Tauchern darin nicht einmal bemerkt wird, bauen sie ihre zerstörerische Kraft erst am Ende auf, wenn sie auf Widerstand stoßen. Je steiler der Anstieg, desto höher die Welle. Während normale Wellen an einer Küste brechen und immer kleiner werden, wachsen die Tsunamiwellen erst dort zu einer Größe heran, die man sich kaum vorstellen kann. Wie dem auch sei, der Tsunami soll etwa 17 Resorts überflutet haben. Nach der Zerstörungskraft, die darin gesteckt hat, und der Fragilität der Inseln zu urteilen, müsste das ganze Land weg sein. Ist zum Glück noch da, aber …
Landessitten
Auf diese Weise bleibt den Einheimischen der Genuss eines sehr wichtigen Genussmittels erspart, der nicht selten in Übelkeit und Kopfschmerzen endet. Während die guten Muslims aus Saufdi Arabien öfter über den kleinen Teich, das Rote Meer, nach Ägypten fahren, um dort die Puppen tanzen zu lassen, oder gar so wahnwitzige Ideen entwickeln, den Alkohol in damit getränkter Wäsche einzuschmuggeln, scheinen die Malediver wirklich wenig Interesse an Alkohol zu haben.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich diese Menschen sehr an ihrer Gemeinschaft orientieren. Die Höchststrafe auf den Malediven heißt nicht etwa Tod, sondern Verbannung auf eine andere Insel. Die kleine Inselgemeinschaft ist deren ein und alles. Auf einer Bootstour über viele Atolle habe ich nachts erlebt, wie sie eine geschlagene Stunde und länger mit ihrer Insel telefonieren.
Am Anfang des Touristenbooms auf die Malediven war man nicht gut auf die Sitten der Europäer vorbereitet und behandelte z.B. einen Mörder nach Landessitte, nachdem dieser seine Frau beseitigt hatte. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Verbannung auf eine einsame Insel. Damit er sich nicht allzu einsam fühlen muss, bekam er eine einheimische Mitbewohnerin. Für uns Mitteleuropäer eine unvorstellbar harte Strafe! Zum Glück erweisen sich die meisten Menschen völlig ungeeignet zum Gattinnenmord. Wer allerdings heute auf solche Urteile hofft, findet sich schnell in der Heimat wieder und atmet verdientermaßen gesiebte Luft in Klingelpütz oder Santa Fu.
Wenn man denn Einheimische sehen will, muss man eine Tagestour buchen, die garantiert bei Sonnenuntergang endet. Kein Alien darf bei den Maledivern übernachten. Es sei denn, sie oder er heiratet ein. Dann bekommt die junge Familie sogar ein Grundstück für das Heim. Fremdenfeindlich sind die Malediver nicht, sondern nur vorsichtig.
Bevor die Regierung der Malediven Fremde ins Land ließ, hat sie die Gewohnheiten der Touris studiert und danach eine weise Entscheidung getroffen: Den Kontakt mit den Fremden auf das Nötigste zu beschränken. Die Malediven sind nämlich ein islamisches Land, und man nimmt die Sache mit dem Alkohol sehr ernst. Während ein mallemäßig abgefüllter Tourist in Saudi Arabien ins Gefängnis kommt, selbst wenn er das Zeug im Flugzeug zu sich genommen hat, wird er hier nur auf eine Insel verbannt, nicht auf eine einsame, sondern auf eine Insel mit Touristen. Dort kann er sich die Kante geben, wird aber nicht von Maledivern bedient, sondern von Ungläubigen aus Sri Lanka. Die Einheimischen sind gut für andere minderwertige Tätigkeiten. Oder als Boss der Insel.
Bathala - Einst und heute
Die erste Insel, die ich kennen lernen sollte, hieß Bathala. Zwar existiert sie heute noch, aber ganz anders. Als Erstes muss man einen höheren Preis kalkulieren, als ich vor mehr als 20 Jahren bezahlt habe. Heute so um 200 $ am Tag, freilich ohne den Grund, der einen hierher führt, Tauchen. Was ich damals für den Transfer (ca. 4 Stunden) bezahlt habe, weiß ich nicht mehr. Er wäre heute unbezahlbar, weil man damals die Wahl zwischen Segeldhoni und Motordhoni hatte. Heute gibt es wahrscheinlich nirgendwo mehr Dhonis unter Segel, weil man nicht weiß, wann man ankommt. Dhoni unter Motor gibt es schon noch, aber zu langsam für die hektischen Touris. Heute gibt es in der einstigen Wildnis Schnellbusse, die schwimmen, und auch Flieger, die das Wasser nicht scheuen.
Die Segeldhonis wurden von Männern gefahren, die das Segeln mit dem Lateinersegel zur Perfektion gebracht hatten. Da sich das Land Malediven aber in der Nähe des Äquators befindet, also in dem Kalmengürtel, den jedes Kind kennt, wenn es sich für Piraten interessiert, ist die vorherrschende Windlage Flaute, wie calme auf Französisch heißt. Daher kann man etwas Verständnis dafür aufbringen, dass die Leute ihre teuer bezahlten Urlaubstage nicht auf Spiel setzen wollen. Noch lustiger war es auf dem Rückweg, weil der Flieger keine Rücksicht auf Nostalgie nimmt.
Bleibt Motordhoni. Die Dinger schütteln und rütteln, und winden sich in der Welle, wenn sie bei schwerem Wetter fahren. Bleibt? Schnellboot, das ist ein Bus, der im Wasser schwimmt, allerdings so laut ist, dass die Leute nur drinnen sitzen können. Erlebniswert Null oder eher minus?
Die erste gute Lösung brachten bulgarische Piloten, als das Sowjetimperium zusammen krachte. Sie nahmen ihre MI-8 mit, als die Hubschrauberstaffeln aufgelöst wurden. Man stelle sich vor, eines der größten Staatengebilde aller Zeiten implodiert in nur wenigen Jahren, und nu fliegen seine tapferen Krieger dekadente Touristen im Korallenmeer mit ihrem alten Kriegsgerät. Und niemand wundert sich. Ich meine, von den Touristen niemand. Denn die Malediver mochten die Donnervögel nicht, auch die Palmen nicht. Allerdings waren sie super gut gegen die Mückenplage. Wenn ein Hubschrauber zur Landung ansetzte, waren alle Mücken, die sich nicht rechtzeitig im Schützengraben versteckt hatten, einfach weg.
Mit dem Hubschrauber konnte man schon in 20 Minuten vom Flughafen nach Bathala kommen, aber wie! Man landete mit einem Riesenkrach und gewaltigen Windböen, dass sich die Palmen verbogen. Endlich war man in der Zivilisation angekommen. Allerdings waren die MI-8 nicht unbedingt für die Tropen gemacht. Oder ein anderer Grund führte dazu, dass sie den Luftraum unplanmäßig verließen. Bis sie mal alle waren. Einem Gerücht zu Folge sind viel mehr von ihnen auf den Malediven verloren gegangen als am Nordpol, wo sie früher auch Touristen hingeflogen haben. Die Hoffnung auf wärmere Meere hatten die Russen offenbar bereits früh aufgegeben.
Die Bühne war frei für die Amphibienvögel. Die Twin Otter von Maldivian Air Taxi bringen einen schnell nach Bathala Airport (kaum erkennbar vorn im Bild). Man steht bisschen dumm auf dem Meer rum, bis eine Dhoni ankommt und die Gäste rüberbringt. Wer sein Surfbrett mitbringt, muss länger warten, weil die Twin Otter mit Dachgepäckträger angeblich nur an Turkish Airlines ausgeliefert werden.
Während sich viele Inseln die besagten Mauern auf dem Riff zugelegt haben, ist die Zeit auf Bathala in dieser Hinsicht stehen geblieben. Die Insel gehört nicht zu denen, die von einer weiten Lagune umgeben sind. An manchen Stellen stehen die Hütten, Pardon Bungalows, fast direkt am Wasser und unweit der Riffkante, die steil abfällt. Hier kann man am Hausriff tauchen. Fast jede Hütte verfügt über einen kleinen Privatstrand.
Viele Malediveninseln haben Qualität eingebüsst, weil man einfach die Zahl der Betten verdoppelt hat. Nicht so auf Bathala. Zu den ursprünglich 32 Hütten hat man nur 14 dazu gebaut. Während ich mich sehr gut daran erinnere, in einem sehr rustikalen Ambiente gewohnt zu haben, wobei die Dusche sogar im Freien gewesen ist und nur stark riechendes Brackwasser von sich gab, findet man in neueren Reiseberichten keine Anzeichen dafür. Auch das Essen wird gelobt. Bathala hat sich gemacht, fragt sich wie?
Bathala ist im Laufe der Zeit feiner geworden. Dort, wo die Insel nach mehreren Sternen ausschaut, standen einst recht lumpige Stühle, in denen sich die fiesen Sandflöhe versteckten, die Jagd auf Frischfleisch machten: Man merke, je neuer ein Gast, desto dünner die Haut. Das kennen die Sandflöhe und sonstige Plagegeister wie Moskitos gut und beißen bzw. stechen bevorzugt die Frischlinge. Bei dem Ambiente heute kann man sich kaum vorstellen, dass hier ordentliche Saufgelage abgegangen sind.
Die Insel wurde, wie viele andere auch, von Italienern übernommen und gründlich umgekrempelt. Deutsche Taucher meiden häufig Tauchbasen mit Gästen aus Italien, weil die in Verdacht stehen, mit Harpunen anzureisen. Kann sein. Dass die sich besser auf´s Essen verstehen, steht aber außer Zweifel. Das merkt man heute ganz deutlich.
Es gibt sie noch nicht, meine Lieblingsinseln, aber doch. Sie heißen Thila und befinden sich auf dem Weg nach oben. Eine thila ist eine Insel, die es noch nicht so weit gebracht hat, den Kopf aus dem Wasser zu strecken. Allzu weit davon entfernt ist sie aber nicht mehr. Die Kante befindet sich etwa 5 - 6 m unter Wasser, die Mitte bis zu 10. Auf der Außenseite fällt die Insel sanft in die Tiefe.
Als Taucher kann man häufig praktisch unbewegt über den Dingen schweben und in dem warmen Wasser Stunden verbringen, ohne viele Schläge mit der Flosse zu tun. Wenn man gegen Abend auf der Westseite taucht, kommen alle möglichen Schwärme von Fischen hoch und spielen in dem warmen Licht. Thilas gehören nicht zu Orten, wo die Fische große Betriebsamkeit an den Tag legen. Für hardcore Taucher ist das alles nix, die wollen ins Blaue, Haie sehen, Stachelmakrelen, die schnell durch´s Riff schießen, Barrakudas, die Snapper meucheln und so … Thilas gehören auf die sanfte Seite des Lebens. Auf die Sonnenseite …
Meine Lieblingstila hieß Maaya Thila. Mindestens 20, eher 30 Tauchgänge habe ich dort absolviert. Etwa 50 Stunden zusammen. Hatte stets das Gefühl, ich wäre im Nirvana oder so. Bei meiner letzten Reise traute ich mich allerdings nicht ins Wasser. El Nino hat die Riffe bis etwa 15 m vernichtet. Ob Maaya Thila darunter ist, will ich nicht wissen. Deswegen bin ich im Boot geblieben und habe die Ohren zugehalten, als die anderen ihre Erlebnisse austauschten. So lange unter Wasser bleiben, wie die Luft reicht, gibt es auch nicht mehr. Früher streckte ich die Luft je nach Schönheit der Thila derart, dass der Tauchgang zwischen 40 Minuten und fast drei Stunden dauerte. Jetzt muss man nach einer Stunde an die frische Luft.
Es gibt noch andere Inseln, die man lieben muss. Sie sehen von oben wie ein Spiegelei aus. Sie sind etwa rund und sind am Rande zu Wasser hin bewachsen. Am Wasser selbst herrscht weißer Sand vor. Die Palmen reichen nur bis zu halben Höhe sonstiger tropischer Palmen. Damit die Inseln nicht umkippen? Man kann in weniger als 10 Minuten um die Insel laufen, eine habe ich in etwa 10 m Tiefe in zwei Stunden umtaucht. Die besten besitzen ein Hausriff, und man kann Flaschen an bestimmte Stellen bestellen, die man gegen leere tauscht. Mit etwas Kondition kann man so seine 10 bis 14 Stunden im Wasser verbringen. Von Langeweile keine Spur!
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde