Nicht immer Hai, aber öfter …

 

Das Tauchen fing morgens etwa bei 7:00 Uhr an, damit man bis zum Abend drei Tauchgänge absolvieren konnte. Angeboten wurden im Reisepreis zwei Tauchgänge am Tag, ein Nachttauchgang in der Woche. Das ist zwar weit weniger als das, was ich gewohnt bin. Aber mit zwei Anfängern im Schlepp doch ganz schön viel. Ich hatte nämlich zwei Vereinskameraden davon überzeugt, dass sie Taucher werden sollten. Und die haben es getan. Nun ging es darum, die beiden auf einem Safarischiff unterzubringen. Leicht ist das nicht. Die meisten Safariboote verlangen eine Mindestzahl an Tauchgängen. Die kann man zwar frisieren, aber nicht von 0 auf viel. Zudem merkt jeder Taucher bereits beim Anziehen, ob der Nachbar neben ihm auch satisfaktionsfähig ist. Während eines Tauchganges sieht man es sogar im Augenwinkel. Anfänger bewegen sich anders.

Auf der Aisha ging es gut. Die anderen, es waren drei Berliner/innen, zwei Ösis, drei Sachsen sowie der Veranstalter und seine Frau, die zwar etwas verwundert waren ob der Anzahl der Tauchgänge meiner Kameraden. Sie haben es mit Fassung getragen. Wir hatten noch einen Kölner mitgebracht. Die Truppe wurde gut betreut von zwei bis drei Mann, wozu zwei Tauchguides gehörten. Ein Malediver und ein Schwabe. Wenn man noch die Besatzung (Sri Lanka, Bangladesh, Malediven) dazu zählt, kommt ganz schön Multi-Kulti zusammen. Da sind der Veranstalter (Ossi, wohnhaft in Österreich) und seine Frau (Australierin) nicht mitgezählt.

Die Patchwork-Truppe hielt die ganze Tour prima zusammen, wofür die vorhandenen Bekanntschaften mitverantwortlich waren. Dennoch fand ich das Ganze außergewöhnlich. Nicht so gut ist das Verhältnis zu anderen Tauchern - wenn man ein anderes Boot mit Tauchern an Bord sieht, wittert man Italiener. Und die sind … Na, ja. Schlimm können sie nicht sein, da die Harpunen bereits am Flughafen aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn sie überhaupt welche mitbringen. Dennoch - jeder Taucher ist Rivale um die besten Plätze. Nicht überall, aber da, wo die „alten“ Inseln in der Nähe sind, Maayafushi, Bathala, Elliadhoo. Bei meinem ehemaligen Lieblingsplatz Maaya Thila dachte ich an James Bond Filme, als plötzlich eine andere Gruppe Taucher bei uns einbrach. Ein Glück, dass die Harpunen weg waren und die Tauchermesser allenfalls als Bierflaschenöffner geeignet.

Angesichts dieser Szene verzichteten wir weise auf den letzten Nachttauchgang in Maaya Thila. Dort sollen sich ganze Herden von Tauchern nachts austoben. Tagsüber sah das entsprechend aus. Für mich die zweite Vertreibung aus dem Paradies. Die erste war, als ich im Bosporus, wo ich Sichtweiten von 50 m gewohnt war, plötzlich eine Wolke Dreck auf mich zukommen sah. Seitdem gucke ich ihn, den Bosporus, nur von oben an.

Nun, ja. Es gibt eine Maaya Thila II. Und von dort stammen die Bilder vom Hai und Leopardenhai. Dort spielten sich Szenen ab wie einst bei Fishhead, wo die Grauhaie bereits beim Ausbringen des Ankers in Stellung gingen und auf die Taucher warteten. Auch diesmal kamen sie uns so nahe, dass man sehen konnte, ob die mit dem Auge blinzeln, wenn sie sich das Buffet angucken. Dieses, bestehend aus vielen Tauchern, mit Kameras aller Größen bewaffnet, lag an der Riffkante und musste nur die Parade abnehmen. Als ich von hinten kommend in die Szene eintrat, gab es Tumult, weil ich in das Blickfeld einer Hai-End Kamera geraten war. Wie kann man nur!

Einer meiner Anfänger, der vorher nicht so gern gehört hatte, dass da unten irgendwo Haie lauern, lag in Greifweite zum bzw. Schnappweite vom Hai. Dieser hatte aber weder Lust noch Laune, seine Jause aus dem Gummi zu pellen.

Noch ein paar Figuren, die keinen Bock auf Taucher im Gummimantel haben, hatten wir einige Tage früher gesehen. Das waren zunächst Mantas, die bekanntlich nur Plankton vertilgen und deswegen meist nur im Trüben zu finden sind. Dann macht die Kamera leider nicht so scharfe Bilder, weil das Plankton ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Gar kein Bild machte meine Kamera aus Mobulas, das sind die Babies der Manta, genau gesagt, kleinere Teufelsrochen. Die ganz großen heißen Riesenmanta und sind, wie mir eine bekannte Online-Quelle verraten hat, ovovivipar. Wem das zu hoch klingt, sollte nach Guppy gucken. Die leben auch im Trüben, oft in Reisfeldern, und schmeißen die Babies lebend aus dem After raus anstelle sie anständig abzulaichen und auszubrüten. Die gut erzogene Verwandtschaft der Mantas, die Haie, machen es mal umgekehrt. Sie kleben die Eier im Riff an passender Stelle, wo man die Entstehung des Nachwuchses sogar mal filmen kann, so man die Stelle passiert.

Die Familie Manta und Hai hat weiterhin Verwandtschaft, deren Brutverhalten gar nicht bekannt ist. Sie kommt und geht, man weiß, dass sie im Trüben fischt - sie frisst nicht nur Plankton -, und weder Frau Lotte Hass angreifen, wie der Manta in einem Hans Hass „Dokumentarfilm“ (!), noch an Tauchern und Surfern nagen, wie Jaws und seine restliche Familie. Die Rede ist von Walhaien, die sich bislang von mir distanziert haben. Egal wo ich getaucht bin, Walhaie waren immer in weiter Ferne. Nicht so diesmal! Fast alle von uns haben einen Walhai gesichtet, manche sogar zwei. Die Jungs können bis 18 m lang werden und 12 Tonnen auf die Waage bringen. Der größte echt vermessene Wahlhai war 13,7 m lang. Die 18 m langen wurden wohl während mac-dives gesehen, bei denen man mit einer Lupe bewaffnet auf Kleinigkeiten im Meer losgeht. Alternativ kann man auch annehmen, dass das Alkoholverbot nicht angemessen beachtet worden ist. Auf Tauchschiffen darf man zwar trinken, aber in den letzten Jahren nur noch danach. Früher war das halt anders.

Eigentlich reicht für mich die Nachricht von der Sichtung eines Walhais, denn ich hatte seit meiner Kindheit die Viecher nur von der Presse gekannt. Leute, denen es so ergangen ist, sollen sich auf den Weg auf die Malediven machen, denn es gibt dort Tauchbasen mit Walhai-Garantie - Geld zurück, wenn keiner gesehen wurde.

Ich schätze mal, dass am letzten Tauchtag einige Guides in einen großen gepunkteten Schlauch schlüpfen und am Riff rumturnen. Wenn man den Gast am Abend vorher noch zu einem Umtrunk eingeladen hatte, kommt man billiger weg als mit der Rückzahlung. Das einzige Problem wäre, den Guides beizubringen, das Maul weit aufzureißen. Manchmal muss man auch das nicht extra einrichten.

Und noch ein paar Fische mehr

Unseren Veranstalter nenne ich H., weil ich seine Einwilligung zur vollen Namensnennung aus praktischen Gründen nicht eingeholt habe. Denn dann müsste ich auch die anderen beim Namen nennen, oder alle um Genehmigung fragen. Er hatte einst Leute trainiert, denen man Waghalsiges abnehmen darf, Kampftaucher. Diese tun so was aber nur im Einsatz. Im Training bleiben sie auf dem Teppich und verhalten sich wie ein Beamter vom Arbeitsschutz, sicher … Das hatte ich selber schon beim Militär lernen müssen, als uns, 1.000 Kadetten, abverlangt wurde, nach einer Schießübung sämtliche leere Patronen abzuliefern. Sie wurden nicht etwa abgezählt, weil man dann schummeln bzw. etwas übersehen kann, sie wurden unter Zeugen in die Kisten gepackt, aus denen die scharfe Munition entnommen worden war. Siehe da! Eine fehlte. Zum Glück zeigte das Protokoll vom Schießstand, dass alle 6.000 Schüsse abgegeben worden waren. So mussten wir lediglich den Verbleib der letzten Patronenhülse klären. Das verschob unseren Wochenendurlaub etwa drei Stunden nach hinten. Sicher ist sicher!

So bürokratisch handelte H. nicht, aber ebenso konsequent. Alle mussten mit der Wurst tauchen, die auf den Malediven seit dem Unfall von Berliner Philharmonikern auf der Insel Eriyadu Pflicht ist. Die Wurst stellt den Triumph der Einfachheit über High-Tech schlechthin dar. Die „High-Tech“ -Lösung bestand darin, dass man Signalmunition bekam, die man abschießen sollte, wenn von der Strömung gepackt. Das sind hübsche kleine Raketen, die lange abbrennen. Dummerweise weder lang noch hell genug, um unter tropischer Sonne ewig gesehen zu werden.  Die Wurst hingegen ist ein simpler Schlauch mit einer Schnur am Ende. Die füllt man bereits unten mit Luft und lässt nach oben düsen. Das obere Ende guckt etwa einen Meter aus der Wasseroberfläche raus. Und das ewig, so man sie hält. Anders die Raketen. Man kann sie nur an der Oberfläche abfeuern, und das nur theoretisch. Sie waren immer nass und konnten verständlicherweise nicht geprüft werden. Damit waren sie so sicher wie Kernkraftwerke, von denen eines (Greifswald) einfach hochgegangen ist, als ein Elektriker seinem Azubi ein Instrument zeigen wollte. Nach Aussagen des damaligen Leiters lässt sich der Unfall als Tschernobyl halbe bezeichnen. Dass es nicht ganz gereicht hat, war der Mannschaft zu verdanken, die alle Vorschriften gebrochen hat, um das Werk im Werk zu behalten. Bei Tschernobyl war es hingegen nicht gelungen. Noch in 2011 zehren bayrische Wildschweine von dessen Strahlung.

So schön man mit so einer Wurst tauchen kann, so dumm können manche Anbieter von Sicherheitstechnik sein. Mehrere Leute hatten eine etwa 10 m lange Schwimmleine, lose zusammen gelegt bekommen. Man kann sich leicht vorstellen, an wie vielen Stellen einer Taucherausrüstung sich eine Schwimmleine verheddern kann. Gewusel. Nicht so bei richtig ausgerüsteten Tauchern. Sie tragen so´ne Art Winch, mit der man die Wurst meisterhaft fieren kann. Wer etwas respektlos von Wurstwinch redet, verdient alle Verachtung. Kenner sprechen von reel oder spool. Sie tragen auch ein backplate mit stagepack zum Verstauen der Boje bei sich. Der Himmel weiß, wie ich all die Jahre ohne solches Equipment überlebt habe. Übrigens, das blaue Ding zwischen Boje und spool ist eine von den Tieren, die viele hundert „Schnüre“ in einer Länge von vielen Metern hinter sich ziehen können, ohne dass sie sich verheddern. Die Natur ist halt perfekter. Und die Viecher müssen nicht am Ende eines jeden Tauchgangs 5 Minuten Stopp bei 5 m machen. Menschen sind halt lausige Wasserbewohner.

Ein kleiner Nachtrag zur Sicherheit: Als ich einmal bei 6 m meine Dekominuten absaß, wurde ich plötzlich nach oben katapultiert. Mein Nachbar hatte seine Wurst nach oben geschossen, und die Leine hatte meine Weste erwischt. So sieht Sicherheit aus, mit Sicherheit. Sie ist mir aber Wurst.


Sicherheit über alles