Jagd um den Globus
 

Am zweiten Abend wurde das Essen früher serviert. Alle waren irgendwie aufgeregt, was wir, die beiden Gäste, nicht verstehen konnten. Die Kopra-Arbeiter verließen die Insel nicht wie am ersten Tag gegen Sonnenuntergang. Irgend etwas war zugange.

Dann haben wir sie gesehen. Sie kamen - leider nicht so wie bei Käpt´n Cook in Auslegerkanus, aber mit vielen Booten. Manche in voller Montur von Kriegern, andere mit Kindern auf dem Schoss. Die Insel schien vor einem Eroberungszug zu stehen.

Allerdings stiegen die Krieger ganz gesittet aus und versammelten sich auf einer offenen Fläche, wo einige Stühle aufgestellt waren. In der Mitte des Platzes wurde eine große Bastmatte ausgebreitet, auf der die Familien der Neuankömmlinge Platz nahmen. Wir durften neben der Familie Douglas auf den Stühlen sitzen. Die Krieger setzten sich in kleinen Zirkeln zusammen und reichten sich eine Kokosschale, die öfter nachgefüllt wurde. Kava! Wie kiffen! Der Kavastrauch ist eine endemische Pflanze, aus deren Wurzeln man ein Getränk zubereitet, das einen richtig in Rausch versetzen kann.

Dann fing der Tanz an und dauerte in mehreren Wellen mehr als eine Stunde. Wahrer Südseetanz!

Ich fragte Flora, wie viele Leute wohl gekommen wären. Sie sagte, das wären 45. Und warum sind sie da? Ja, um Euch willkommen zu heißen. Dafür machen sie sich den ganzen Weg von fernen Inseln? Ja, so gehört es sich hier. Und, wie viele Leute leben auf unserer Nachbarinsel? 60, die anderen sind entweder zu alt oder zu jung.

Wow! Menschen strömen auf eine Insel, um nur zwei Figuren willkommen zu heißen! Ich hielt das für ein Gerücht. Irgendwie muss man die bezahlt haben!

Stimmte nicht. Es gehörte sich wirklich so. Das aber war noch lange nicht alles. Als ich drei Jahre später mit meinen Kindern zurück kehrte, kamen jeden Tag entweder Leute, um mich zu begrüßen, oder Abgesandte, die mir Grüße überbrachten. „Du kennst doch … Er lässt sich entschuldigen, dass er nicht persönlich kommen konnte.“ Als mein erster Aufenthalt zu Ende ging, standen alle, die an diesem Tag auf der Insel waren, am Strand und sangen ein Abschiedslied, in dem alle den Wunsch äußern, die Reise müsse ein Ende haben, und ich solle wieder kommen.

Drei Jahre später, die Insel war jetzt richtig in Betrieb, die selbe Szene. Naives Marketing!

Angekommen auf Matagi Island

Einst hatte ich den Gentleman aus der Geschichte von Somerset Maugham bewundert. Er, Herrscher über eine Kolonie im Lande der Dayaks, Malaysien, zog sich jeden Nachmittag zum tea, und jeden Abend zum dinner nach feiner englischer Sitte an. Er las auch jeden Tag seine Zeitung, die zwar mehrere Monate alt und im Paket angekommen war. Jeden Tag eine.















Als Schulkind hatte ich die Sache nicht verstanden. Zumal der einzige Gentleman aus UK, dem Königreich, den ich kennen gelernt hatte, ein Schotte war, den die Interpol suchte. Verhaftet von meinem Vater, sass er jeden Tag an seinem Tisch, anstelle im Gefängnis zu landen.

Später erfuhr ich, was dieser Mann denn verbrochen hatte. Gegen das britische Gesetz verstoßen! Er hatte in seinem Hotel Alkohol ausgeschenkt, am Sonntag! Dafür war er verurteilt und zur Fahndung ausgeschrieben worden. Man, das sind Sitten!

So sittsam etwa ging es auf Matagi auch zu. Das
Essen, welches auch immer, wurde zelebriert. Noel,
ein wahrer Gentleman, saß, wo der Vater zu sitzen hat, Flora, wo die Mutter. Da ich meine Sitten aus der Kindheit, in der Hippyzeit etwas abgelegt hatte, wo man Fliege zu Jesuslatschen tragen durfte, und Jesuslatschen zum Dinner ohne Fliege, fehlten mir die Utensilien. Die Sitten waren aber so fein, dass dies nicht bemerkt wurde.

Etwas Ähnliches, oder fast dasselbe, habe ich danach in Culloden House, in Schottland, erlebt. Dort wohnten wir in einem Hotel, das halt ein Hotel war. Das Dinner gestaltete sich aber formvollendet. Der ganze Raum schwelgte in dunklem Mahagoni und gepflegtem Brass.   Der Hotelier benahm sich wie der Käpt´n auf der Queen Mary beim Captains Dinner. Diesmal war ich allerdings vorbereitet.

Fast ein Jahrzehnt später, im Okavango, Reitercamp. Vor dem Zelt steht der Butler und klopft in die Faust „Knock, knock, Sir, dinner is ready“. Die Tafel steht zwar im Freien, ist aber nicht weniger fein gedeckt als bei den hier genannten Orten.

Dann stellt sich der Butler an die Spitze des Tisches und verließt feierlich das Menü. Dabei hatte sich meine Frau unter so einem Camp eine Ansammlung chaotischer Figuren verstanden, die nichts besseres im Sinn haben, als wild durch die Gegend zu reiten. Zu viel Western gesehen? Wer viel Western sieht und sich die Szenen genau anguckt, die sich in der Familie abspielen, kann Ähnliches wie auf Matagi auch dort sehen, wo einst nur Mord und Totschlag geherrscht haben sollen. Rau waren die Sitten schon, aber förmlich wo angemessen. Übrigens, von dem Schotten habe ich meine erste Krawatte geschenkt bekommen, als Lohn für Dolmetscherdienste.

Heute leiste ich Dolmetscherdienste für die Polizei. Dort geht es zwar nicht ganz so zu wie in der Serie KDD (Kriminal Dauer Dienst), aber die Figuren und deren Handlungen kommen mir bekannt vor. In solchen Gegenden, die man bei uns gemeinhin für wild bezeichnen würde, kommen solche wilden Figuren wie im KDD wohl selten oder gar nicht vor.

Sitten über Sitten

Schulbus auf Fijianisch. (Foto Gayle Parent) Man sieht, dass man es mit der Sicherheit nicht allzu ernst nimmt. Anderswo in ähnlichen Ländern (z.B. Borneo) müssen die Kinder sogar auf Flüssen Weste tragen. Die Menschen von Fiji glauben halt an das Schicksal.

Bei dem verunfallten Schiff nebenan hätten die Schwimmwesten vermutlich auch nichts genützt, weil der Orkan aus dem Nichts kam und nur 10 Minuten gedauert hat. Der auf Fiji war zum Glück kein Orkan und hatte sich zudem lange vorher angekündigt. Daher war der Kapitän zwischen den Inseln zickzack gefahren, damit er nirgendwo weit weg vom Land war. Bei Matagi hat der Sturm ihn doch erwischt.

Schön, wenn Katastrofen ein lustiges Ende nehmen. Die Ladung Whisky wurde, kaum geborgen, standesgemäß verwertet,. Alle Helfer fühlten sich als Held - und natürlich munter.

Die Landschaft um Matagi wird geprägt durch viele kleine Inseln, meist mit Regenwald bewachsen, teils mit Kokospalmen, die von einem Saumriff umgeben sein können. Die Unterwasserlandschaft weist viele Facetten auf, und ist naturgemäß tropisch.

Fiji ist ein beliebtes Ziel für Hochseeangler, Taucher oder auch Faulenzer. Zu der Zeit, als ich dort war, hatte man gerade die Inder zum Teil aus dem Staat gejagt, die die Macht übernehmen wollten. Deswegen konnte man sich eine Insel mit 10.000 Palmen darauf für ca. 25.000 $ (US) kaufen. Wer so leben möchte wie einst Malediver und deren Touristen, Fisch und Reis abwechselnd mit Reis und Fisch, beides an Kokos, konnte dort ewig billig leben. Tropical delight! Haushaltspersonal für schlappe 40 $ im Monat gab´s oben drauf.

Matagi ist im Laufe der Jahre sehr fein geworden, und auch teuer. Ob es preiswert ist, muss man selber feststellen. In der Nähe lebten früher nicht nur Malcolm Forbes, sondern auch eine amerikanische Sekte, die sich veganisch ernährte. Kontrastprogramm zu ganz früher! In dieser Gegend lebt man eben zwischen Gestern und Heute (Bild Wikimedia Commons, P. Lenz)

Matagi - Das Revier

Wenn man sein Zelt an einer günstigen Stelle auf der Insel aufschlägt, braucht man eigentlich nur einen gesunden Kompressor und nicht einmal ein Boot zum Tauchen. Wasser kommt reichlich von oben. Insbesondere wenn ein Zyklon kommt. Die bilden die weniger angenehmen Erscheinungen.

Die Hitze ist erträglich, wenn man im Winter anreist.  Es kann sogar „kühl“ sein, bis 16º C. Der Passat bedeutet zum einen schöne Segelwinde und zum anderen mächtigen Regen, wenn er Berge und Hügel trifft. Davon findet man viele auf Fiji, weil das Land von Lava geformt worden ist.

Fiji ist zwar tropisch, kennt aber die Tropenkrankheiten nicht. Das mag an der isolierten Lage liegen, die Inseln befinden sich weit ab vom Schuss, UTC+12, bedeutet am Ende der Welt, von London aus gesehen.

Tierisches

Zu den schönsten Sitten auf Matagi Island gehörten
sicherlich die frischen Blumen, die täglich zweimal über
mein Bett und im Bad gestreut wurden. So etwas wird
es vermutlich auch nicht in 7**** Hotels geben, so es
die jemals gibt. Die Mädchen, die die Blumen brachten,
hatten Hibiskusblüten hinter´m Ohr. Leider sahen viele
nicht so gut aus wie die in der Karibik. Die Fijianer
nehmen leider zu viele Kalorien zu sich.

Blumiges

Neben den Pferden (s. Tauchen), die man auf einem Resort erwarten könnte, auch wenn nicht in der Südsee, lebten noch viele andere nicht gerade endemische Spezies auf Matagi. Einige lebten länger, weil sie langsamer wachsen, so die Kühe, andere umso kürzer, die Hühner. Nicht nur dass man die meisten von ihnen bereits früh als Ei in die Pfanne haut. Nachmittags zum Cocktail wurden leckere kleine Schenkel, knusprig gegrillt, gereicht, auf denen kurz zuvor Küken rumgelaufen waren.

Die Hühner haben mir angetan. Anders als die Pferde, die einfach im Wald verschwunden waren, kamen sie jeden Abend vom Krater herunter geflogen und landeten neben dem Hühnerschlag, wo sie für die Nacht eingesperrt wurden. Dass am nächsten Morgen nicht alle wieder den Berg hoch krabbeln konnten, weil manche bereits den Kühlschrank von innen begutachteten, haben die dummen Viecher nicht gemerkt.

Allerdings erlebten die Hühner, sofern sie noch lebten, nicht nur die Freiheiten, die ein Vogel auf einer schönen Insel genießen kann, sondern auch die Nachbarschaft von Tieren, die unsere europäischen Hühner nie sehen würden. Palmendiebe! Diese Krebse bevölkerten große Teile der freien Fläche der Insel, die keine Felsen waren. Sie erreichen die Größe von Hummern, können aber auch ganz klein sein. Die Statur erkennt man an
der Größe des Lochs in der Erde, Pardon im Sand. Ob die kleinen Exemplare, die die Hühner pickten, auch
Palmendiebe waren, kann ich nicht bezeugen. Aussehen taten sie aber ähnlich. Nicht zu verwechseln mit
Einsiedlerkrebsen, von denen manche an Land leben und auch so groß werden wie Hummer.
Deren Scheren stellen nämlich mörderische Werkzeuge dar, mit denen sie allerhand anstellen,
Mülltüten aufschneiden und den Inhalt einverleiben, zum Beispiel. Die lebten auch auf Matagi.

Vermisst habe ich nur die Verwandtschaft der Dinosaurier, die Varane. Auf anderen Inseln machen
die sogar Jagd auf Hühner. Entweder gab es die Varane hier nicht oder die Hühner waren so blöd, dass
sie in der Wildnis brüteten. Sowas haben die Varane nämlich zum Fressen gern.

Was die Insel sonst so an Tierleben geboten hat, weiß ich leider nicht mehr, weil mich der Wassersport
mehr interessiert hat. So geht man an biologischen Raritäten vorbei, als wären sie alltäglich.

Ein Schulboot im Sturm

Dass auch im Paradies manche Dinge nicht so ablaufen wie gedacht, erlebte ich eines Tages, als wir wegen eines Sturms nicht auslaufen konnten. An diesem Tag musste aber ein Boot die Kinder von Nachbarinseln von der Schule nach Hause fahren. Als der Alarm lief, erinnerte ich mich an ein Schiff, das mit etwa 400 Schulkindern vor den Augen der Eltern unter gegangen war. Ich war auch häufig mit dem Schiff in die Schule gefahren.

Das Schulboot war kurz vor Matagi gesunken. Alle rannten los, um Tauchgeräte zu holen. Die wurden auch tatsächlich eingesetzt: Zum Bergen einer großen Ladung Whisky. Die Kinder waren selbst auf die Insel geschwommen. Ein großer Empfang war ihnen sicher.

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