Sir Henry

 

Das war sehr lustig für alle bis auf Peter und Gesellen. Kann man denn einen Fisch auf dem Grill lassen, wo doch die beiden Hunde davor lagen? Ich sagte ihm, dass Hunde keinen Fisch essen. Schon gar nicht einen Fisch vom Grill runter holen. Der Blick auf die dösenden Hunde bestätigte meine Aussagen. So folgte uns Peter mit Gefolge den Hügel hoch.

Als Herr Kux den Eingang in die Lagune gefunden hatte, kletterten wir wieder nach unten und gingen zurück zu unseren Tischen. Den Schrei, der danach folgte, werde ich nie vergessen. Neben dem Grill lagen zwei Köter mit voller Wampe und glasigen Augen. Und dicht daneben Sir Henry, d.h. was von ihm übrig geblieben war, sein Gerippe. Die Augen, ebenfalls glasig, guckten schön traurig in den Nachthimmel.

Als Entschädigung trug Frau Kux jede Menge Koteletts und Wein auf. Wie viel Baldrian Peter dazu getrunken hat, hat er nicht verraten. Die Weinmenge konnte man aber klar sehen. D.h., er nicht mehr sehr klar.

Sir Henry war kein Adliger. Nicht einmal Mensch war er. Seinen Titel verdankt er einem Fisch, den ich gegrillt habe. Nachdem mein großer Traum, einen großen Fisch im Stück zu grillen (nächste Seite), durch die Hilfsbereitschaft des Hotelpersonals in Trümmern geendet hatte, wollte ich einfach einen relativ großen Fisch kaufen und diesen grillen. Doch niemand wollte sich an dem Fisch beteiligen, der etwa sechs Mäuler satt gemacht hätte. Einen halben Tag jagte ich einer Beteiligung nach, ohne Erfolg. Dann beschloss ich, den Fisch mit meiner Nachbarin zusammen zu essen.

Gesagt, getan! Als der Fisch so etwa nach zwei Stunden auf dem Grill uns mit glasigen Augen anzugucken anfing, kamen auch die Fliegen, ich meine richtige Schmeißfliegen in Form meiner Freunde, die etwas vom Fisch abhaben wollten. Ach, nee, das ist ein Egoistenfisch, lautete meine Antwort. Und wir aßen den Fisch für sechs zu zweit auf.

Das ließ einem bestimmten Menschen namens Peter keine Ruhe mehr. Er, von Natur Hektiker und Neurotiker, regte sich fürchterlich auf und sann auf Rache. Den nächsten Morgen mussten wir Claude wecken, damit er mit uns schießen geht. Er machte sich gleich an einen Zackenbarsch von etwa 3 kg. und schoss den armen Kerl. Peter kaufte ihm den Fisch ab und verschwand damit in der Küche. Die Damen erzählten ihm, er möge sich gedulden, die würden den Fisch schon zubereiten. Dafür müsste der erst einmal ausgenommen werden.

Peter überließ nichts dem Zufall, und den Fisch den Damen. Wer weiß, was die damit anstellen. Er nahm seinen Fisch selbst aus und bahrte ihn auf einer riesigen Platte auf. Er behauptete, der Fisch hätte so einen Blick wie Henry Fonda, etwas glupschäugig. Ich hätte auf Mel Ferrer getippt. Henry war aber sein Fisch.

So gegen Mittag wurde Henry sorgsam mit Salz bestreut, obwohl es bis zum Abend noch lange hin war. Peter wollte sich einfach mit dem Tier beschäftigen. Sein Mittagessen fand kaum Beachtung. Alles war auf den Abend ausgerichtet. Nun, ja, man kann den Fisch doch anfangen zu würzen, oder?

Spätestens als er anfing, den Fisch nach der Meinung der Damen falsch zu würzen, creole ist anders, deuteten sie ihm an, er möge sich in eine Ecke setzen und das Ende des Mittagstrubels abwarten. Dann würden sie sich mit Henry beschäftigen. Pardon, der hieß nicht mehr so. Sir Henry, brüllte Peter, Sir Henry! Die Frauen verstanden Bahnhof und schüttelten den Kopf.

Am frühen Nachmittag fingen sie an, Sir Henry einzubalsamieren. Oder war es eher würzen? Nach etwa zehn Minuten hatte Henry eine noch bräunlichere Haut und den Geruch von einem Gewürz, bei dessen reichlichem Genuss sich junge Damen vor Schwerenötern und Draculas sicher fühlen dürfen. So kam Henry zu seinem vollen Adelstitel: Sir Garlic Henry.

Nach der Zeremonie der Einbalsamierung und Aufbahrung des toten Sir Henry fing Peter an, um mich herumzuschleichen. Wie lange es wohl dauern würde, bis Henry gar ist? Er traute seinen Ohren nicht, als ich ihm zwei Stunden sagte. Er verschwand im Haus der Kux und kam triumphierend wieder. Frau Kux hatte ihm gesagt, so etwa zwanzig Minuten wären wohl genug. Peter hatte den Fisch Frau Kux gar nicht gezeigt. Sie hat wohl an einen Portionsfisch gedacht und nicht an einen Brummer.

So wurde am Strand das Feuer für eine relativ kurze Bestattung angefacht, Feuerbestattung! Peter und seine Mitesser saßen schon Messer bei Fuß, als der Fisch auf den Rost kam. Gläschen Chablis, und lebe wohl Henry! Doch der dachte nicht im geringsten daran, gar werden zu wollen. Meine zwei Stunden waren nicht so daher geredet.

Das Feuer musste mehrfach erneuert werden, und die Gläschen Chablis zählte keiner mehr. Peter und Konsorten schielten ständig in Richtung Henry und zogen öfters den Speichel aus den Mundwinkeln hoch. Vor ihnen lagen die beiden Hunde von Herrn Kux, der draußen vor der Lagune segelte. Mit einem Auge im Schlaf, mit dem anderen zum Fisch schielend, gaben sie ein Bild des Friedens. Und Peter gab den Gastgeber, erzählte über den Werdegang des Fisches am heutigen Tag, wie Claude ihn schoss und wie er zum Titel Garlic kam.

Während wir auf das Garwerden des Fisches warteten, wurde es dunkler. Die tropische Abenddämmerung kommt so schnell, dass man nicht merkt, was einem da dämmert. So war´s auch. Plötzlich kam Frau Kux und fragte uns, ob wir ihr einen Gefallen tun könnten. Die plötzliche Dunkelheit wäre nicht nur durch den Sonnenuntergang verursacht, sondern durch einen Stromausfall auf der Insel. Ihr Mann könne nicht mehr in die Lagune, weil die Lichterkette, die er anpeilen musste, um die Öffnung in der Lagune zu finden, nicht brannte. Wir sollten mit unseren Taucherlampen Richtfeuer spielen.


Verfluchte Technik