Wanderer kommst Du nach Monument Valley…

 

In der Wüste regnet´s nie, fast nie …

Vorbei an grandiosen Bergen und Ebenen, die so aussehen, als wären sie soeben für einen John Ford Film hergestellt worden, fuhr ich ins Monument Valley ein. Dort, etwa 20 Meilen nach Kayenta sollte ich übernachten. Erst aber die tolle Aussicht genießen.

Als die Sonne mir unmissverständlich zeigte, dass auch sie eine Ruhepause benötigt, fuhr ich zum Lodge und fragte nach dem Zimmerpreis. Vielleicht hätte sich das Zimmer gegenüber dem Preis im Internet verbilligt, weil viele Leute buchen, aber nicht erscheinen. Da kann man ein Schnäppchen machen. Aber nicht bei Goulding.

Das Mädchen am Empfang sagte so routiniert nein, dass ich befürchtete, sogar das teuere Hotel wäre ausverkauft. War auch. Kein Problem, Sir, in Kayenta gibt es drei große Motels. Und ganz große. Beim ersten Motel empfing mich bereits am Eingang ein Mensch, der meinte, es hätte keinen Sinn, in Kayenta ein Bett zu suchen. Ich sollte zu Goulding …

Danke, da kam ich her. Na, denn, ab nach Halchita. Nur 30 Meilen nordwärts. Eine Frau, die neben mir stand, erstarrte zur Salzsäule und meinte, sie könne keine 30 Meilen mehr fahren. Dann eben nicht! Ich eigentlich auch nicht. Was soll man machen, wenn die Motels ausgebucht sind? Ich klapperte vorsichtshalber alle drei ab. Keine Chance. Nicht einmal eine Besenkammer haben sie angeboten. Ich wäre sogar bereit, in der Lobby zu schlafen. So etwas macht man aber nicht in Amerika. Ob ich nicht zu den Indianern gehe, um in der Scheune zu schlafen? Als letzte Idee fiel mir ein, zu Navajo National Monument zu fahren, wo ich ohnehin nachts fahren wollte, um mit einem Schamanen Sterne zu beobachten. Dort könnte ich im Auto schlafen, wenn alle bösen Geister sich verzogen haben.

Der Plan fiel buchstäblich ins Wasser. Nicht in das vom Colorado, sondern in das, das sich in zwei Aggregatzuständen bemerkbar machte, Regen und Nebel. Der dritte Zustand, Eis oder Schnee, sollte noch kommen. Der Schamane hatte wohl am Nachmittag noch einen Auftrag für einen Regentanz ausgeführt - erfolgreich, leider.

Halchita könnte nach der Beschreibung der Dame an der letzten Rezeption meine Rettung sein. Die Rettung der 270 Seelen, die dort wohnen, ist der Ort wohl nicht. Nach dem letzten Census leben dort 1,85% Weiße und 98,15% Native Americans, bei Karl May Indianer genannt, weil sich der „Entdecker“ Amerikas in der Richtung geirrt hatte. Er wollte nach Indien, fuhr aber in genau entgegengesetzte Richtung. Damit er sich wegen der großen Tat feiern lassen konnte, hat er seinen Fehler nicht zugegeben und die 100 Mio Einwohner Amerikas zu Wilden erklärt. Als Columbus seine „Entdeckung“ vollendete, sollen in Amerikas etwa so viele Menschen gelebt haben wie in Europa. Und die „Wilden“ hatten so nebenher einige Pflanzen gezüchtet, ohne die es weder die italienische Küche geben würde noch die französische. Vielleicht die deutsche? Auch nicht, Kartoffeln, Tomaten und die Gartenbohne stammen aus indianischer Kultur, der Tabak in der Pfeife, die der Opa am Kamin rauchte, auch. Den Kürbis haben sie schon vor 8.000 Jahren gezüchtet, als die Menschen in Europa noch auf den B. lebten und die Bären im Winter nackich durch die Gegend rennen mussten, weil ihre Felle anderweitig gebraucht wurden. Wann die Sonnenblume kultiviert wurde, weiß man nicht genau, dass sie aus Amerika kommt, sieht man aber auch in Monument Valley.

Halchita ist CDP, so nennt man in den USA Orte, die keine Ortschaft sind, aber wegen der Konzentration der Menschen als Ort angesehen werden. Sie haben insbesondere keinen Sheriff. Rentner ohne Rente gibt es in Halchita reichlich, alle über 65jährige leben in Armut, die Hälfte der U18 auch. Männer verdienen im Schnitt 63.000 $, Frauen 0,0 $. In so´ne Gemeinde soll ich nachts fahren?

Die Fahrt sehr gemütlich zu nennen, käme dem Ehrenwort eines bekannten Politikers gleich. Während es in Arizona im Jahr 32 cm regnet, was die Einheimischen als den Abstand von zwei Regentropfen bezeichnen, schüttete es in dieser Nacht aus allen Wolken. Als Autofahrer muss man Regen nicht mehr fürchten wie einst, in der Wüste gilt dies aber nicht. Denn alle Nase lang standen Schilder am Wegesrand, betont durch zwei rote Flaggen, die zur Vorsicht mahnten: „Flashflood“. Bedeutet so viel wie eine Überschwemmung aus heiterem Himmel. Wirklich nicht allzu gemütlich so´ne Nacht.

Hinzu kam, dass die Scheinwerfer des Autos eher die Räder desselben zu beleuchten schienen als die Prairie. Fernlicht näher als Fahrlicht. Da blieb mit nichts anderes übrig als auf andere Autos zu warten, denen ich dann folgte. In vielen Gegenden der Welt hat mir so etwas keinerlei Probleme bereitet. Aber in dieser Gott verlassenen Gegend wollte niemand lange verfolgt werden. Meinen dritten Leithammel verlor ich, als wir einen Fluss überquerten. Da, links, war eine scharfe Kurve mit Abfahrt. Und nu stand ich vor einem Motel. Leider zeigte die Neontafel rechts neben der Tür keine guten Nachrichten, „No Vacancy“ stand da leuchtend geschrieben. Die ländlichen Motels wollen einem das unnötige Aussteigen ersparen und zeigen meist in grüner Schrift „Vacancy“ an, wenn was frei ist. Links davon befinden sich zwei doofe Zeichen N und O. NoVacancy in diesem Fall hieß noch einmal 30 Meilen fahren, und fragen.

Der Ort heißt Mexican Hat, und Gott weiß warum der so heißt. Egal, ich muss 30 Meilen im Regen ohne funktionierende Scheinwerfer fahren, und die Straße hat keine Markierungen. Was noch sichtbar war als Rand, wird zunehmend durch rote Erde und Felsbrocken zugedeckt. Ich fahre nach Gehör, nach Sicht fahren is´nich!  Ich sinniere, ob der Name von dem Felsen kommt, den man bald nicht mehr bewundern wird, weil er einfach abstürzt. Hoffentlich stürzt in dieser Nacht nichts ins Auto oder auf die Fahrbahn.

Nach einer schlappen Stunde bin ich in Mexican Hat. Das Motel finde ich auch schnell, der Ort ist ja nicht riesig. Leider, leider, steht an der Tür geschrieben, dass die Betten alle belegt sind. Hätte ich doch beim letzten Halt ein paar Bier getrunken. Nicht auszumachen, wie ich dann gefahren wäre. Eher gar nicht. Da hätte ich mich vor der Tür des Motels breit gemacht und im Auto geschlafen. Brrr! Die Nacht wird kalt hier, weil wir in fast 1500 m Höhe sind. Nebelschwaden fegen über die Straße. Dann hagelt es. Au, backe!

Ich freue mich riesig, als ich viele Lichter sehe. Verkehrskontrolle. Ich freue mich trotzdem. Ein Deputy Sheriff kommt zu mir und fragt ganz höflich nach meinen Papieren und riecht ins Auto hinein. Sir, die Kontrolle führen wir durch, damit wir sicher sind, dass alle Fahrer nüchtern sind. Ich bin nüchtern. Und ernüchtert. Bei den Indianern meiner Jugend handelte es sich um halb nackte Menschen, die über die Prairie galoppierten. Hier, in deren Land muss ich Regen, Nebel und Hagel erdulden. Muss man eben. Halb nackte Indianer gibt es nur in den Filmen oder im Sommer unten im Canyon.

Die Sheriffs lassen mich durch, als ich erzähle, ich wäre Europäer. Als wenn die nicht saufen können. Ich passiere die Absperrung und warte auf den nächsten. Er führt mich zu meinem Traumort, wo ich endlich ein Bett finde. Zuerst nach Bluff, dann nach Blanding, weil NoVacancy, noch mal ca. 50 Meilen. Zehn Uhr durch. Da ich frisch aus Europa rüber bin, zeigt meine Körperuhr Vormittag. Macht nix, ein Königreich für ein Bett. Denkste! Im Motel die gleiche Story. Diesmal erzählt von drei Indianerinnen. Die hüten die Rezeption, die nichts mehr zu vergeben hat.

Ich höre irgend was mit Denver oder Salt Lake. Hey, das ist John Wayne Country. Gebt mir doch seine Bude. Nix! Ich soll einer Frau folgen, die zum Camping Platz fährt. Dort soll es Hütten geben. Ja, die gibt es, sagt ein deutscher Tourist, der uns empfängt. Er kam aber nicht mehr rein und müsste heute Nacht auf der Toilette schlafen. Gute Nacht!

Ich beschließe, die Fahrt nicht mehr fortzusetzen. Versuche das Auto irgendwo zu parken, um zu schlafen. Leider fängt die Kiste an, sich langsam zu senken. Der Boden ist weich. Da fasse ich den Beschluss, zurück nach Oljato zu fahren. Dann ab zu Goulding, und irgendwo auf dem Gelände schlafen. Die haben Wächter, die mich hoffentlich nicht entdecken. Etwa zwei Stunden später erreichte ich die Lodge, nachdem ich wechselnde Regengussstärken, langsam verschwindende Straßenbeläge, auf die Fahrbahn gespülte Felsbrocken u.ä. passiert hatte. Auf dem Gelände des Lodge sah es nicht anders aus. Das Wasser lief in Strömen, hinterließ aber immer noch einen roten Belag.

Vorsichtshalber fragte ich noch einmal nach, ob ein Bett frei sei. Als die Dame am Empfang meinte, leider sei niemand gestorben, bat ich sie um ihre Kanone. Sie grinste und sagte, so bekommen Sie auch kein Bett, Sir. Bett oder nicht. Ich parkte zwischen den Autos der glücklichen Gäste, die ein Bett hatten, senkte die Sitzlehnen so weit wie möglich nach hinten und zog meine einzige Jacke an. Da die Luft draußen etwa 12º warm war, stopfte ich alles Papier, was ich im Auto finden konnte, unter das Hemd, und schlief irgend wann mal ein. Draußen heulten die Koyoten - träumte ich. Und der Mond schien über die Prairie - wollte ich mir einreden. Die Reaität hieß a…kalte Nacht mit Wolken, die kurz über der Erde aufhören. Kein Koyote würde diese Nacht außerhalb seines Baus verbringen wollen, nur um der Wild-West-Legende einen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Immerhin - ich hatte einen Schlafplatz! Allerdings ohne die Decke von John Wayne. Den Hut hatte ich leider auch zu Hause vergessen. 186 Meilen in Monument Valley unter strömendem Regen, ohne Hut.