Anreisewege

 

Wie man hierher kommt …

Viele Wege führen nach Rom, aber nur wenige in diese verlassene Gegend. Eigentlich sollten hier, in der Finnmark, keine Menschen mehr leben. Zuerst hatte dies die deutsche Besatzungsmacht versucht, als sie sich vor den Sowjets zurückziehen musste. Verbrannte Erde nannte man die Politik damals. Später fanden die Norweger die Idee, die Menschen zu evakuieren, nicht abwegig. Njet. Hier leben so die zähesten Menschen, darunter mehr als ein Drittel aller Samen, auch Lappen genannt, die viele Jahrhunderte nicht nur den brutalen Naturgewalten getrotzt haben, sondern auch der Unterdrückung durch die Norweger und die Schweden. Ob die Finnen da mitgemacht haben, weiß ich nicht. Die stammen etwa aus der gleichen Ecke in Asien und hatten vielleicht mehr Erbarmen.

Der sicherlich weitaus gemütlichste Weg zum Nordkapp ist der traditionellste, mit dem Schiff. Dieses hat früher die Post zwischen der Hauptstadt Oslo und der Stadt Kirkenes kurz vor der Grenze zu Russland transportiert. Obwohl der Transport der Post bestimmt nicht mehr die Besitzer der Schiffslinie, Hurtigruten, ernährt, hält man an dem Namen fest. Er ist nämlich Programm. Heute fährt das Schiff in Bergen los, Sitz eines Hansekontor ab 1343, Tyskebrygge (Deutsche Brücke). Einst machten hier deutsche Kaufleute und Handwerker (in der Überzahl ohne Handelsrechte) ca. ein Viertel der Bevölkerung der Stadt aus. Heute kommen auch reiche Deutsche vorbei, z.B. um mit der Polarlys abzulegen.

Die Polarlys hat, wie ihre Schwesterschiffe auch, mit den einstigen spartanischen Schiffen der Linie wenig gemein. Ihr Luxus lässt einem die Augen aufgehen - ähem -, die Preise ebenso. Wenn sie am vierten Tag der Reise auf dem Weg nach den Lofoten der Polarkreis überquert, ist man noch lange nicht am Nordkapp. Der Polarkreis liegt nämlich weit unten beim 66. Breitengrad. Bis zum Nordkapp muss man noch Luftlinie 5º und 10 Minuten und 21 Sekunden nach Norden, wobei die Minute eine Seemeile und das Grad 60 Seemeilen bedeuten. Summa summarum 310 Seemeilen bzw. 575 km. Uff!

Am 6. Tag legt das Schiff in Hammerfest an, der nördlichsten Stadt der Welt mit der nördlichsten was …? Dönerbude der Welt! Die nördlichste Brauerei, die nördlichste Feuerwache der Welt usw. befinden sich alle in Hammerfest. Leider ist man immer noch nicht am Nordkapp. Erst muss man mit dem Schiff den Magerøysund passieren. In Honningsvåg wird man dann in Busse verfrachtet, die einen …

Man kann sich die Sache natürlich viel umständlicher gestalten. Ein Bonner hat eine Anreise mit dem Fahrrad geleistet, Abreise auch - so schlappe 5800 km. Wer Nerven hat, fährt im Winter mit dem VW-Bully hierher, sieht natürlich nicht viel, weil die Sonne gerade die Antarktis beleuchtet, so schlappe 18.000 km weiter da unten. Diese ist anders als der Nordpol ein echter Kontinent, aber auch ein sehr kalter. Nirgendwo auf der Welt ist es auch trockener. Was Australien unter warmen Kontinenten, ist die Antarktis unter den kalten, einzigartig sozusagen. Kälterekord und große Trockenheit, wo kommen bloß die 4.500 m Eis her?

Faule Leute fliegen mit einem Bomber nach Alta, noch faulere nach Lakselv. Von da aus fährt man nur noch ca. 150 km nordwärts - und Nu steht man bzw. frau am Nordkapp. Bis dahin hat man aber je nach Geschicklichkeit der Buchung einen halben Tag unterwegs verbracht. Lakselv heißt Lachsfluss, woran man leicht erkennen kann, warum manche Leute aus Deutschland hierher kommen. Dass sie später sehr viel ärmer nach Hause fahren, steht auf keinem Wegweiser. Die Norweger ziehen dem Angler nämlich die Hosen aus. Etwa 45 Euro für die Angellizenz und nochmal so viel pro Tag, um den Fliegen das Schwimmen beibringen zu dürfen. Wenn man den netten Lachsen gefällt, muss man beim zweiten Fisch sofort aufhören und 24 Stunden aussetzen. Auf der Karte steht zwar einen Tag - zum Glück nimmt das keiner Ernst, weil der Tag im Sommer etwa 2,5 Monate dauert. Vielleicht macht es mehr Sinn, zum Nordkapp zu radeln … Da darf man sich rühmen, an einem einzigen Tag es von Wanne-Eickel zum Nordmeer geschafft zu haben - ungelogen! Ehrlich!