Ankunft im Camp

 

Luxus im Busch

Das Camp bestand aus einer Zahl von Zelten, die man eher als Bungalow ansehen könnte, würden sie nicht alle halbe Jahre vollständig entfernt. Sie liegen hübsch unter Bäumen und bieten Ausblick auf einen Flussarm, den die Hippos häufig benutzten, wenn sie ihren Standort wechseln wollten. Diese niedlichen Tierchen, die bei uns Großstädtern beinahe einen Kuscheltrieb auslösen, stellen vor Ort die größte Bedrohung dar.

Das Zentrum des Camps bildete das große Lagerfeuer unweit des Esstisches. Warum dieser überdacht war, würden wir noch zu erfahren bekommen. Der Regen war nicht der Grund, im Okavango regnet es etwa einmal in sieben Jahren. Das wunderbare Grün von der Größe von etwa halb Schweiz ist ein Geschenk des Flusses Okavango, der hier zu einem Delta auseinander läuft. Dessen Wasser kommt jenseits der Grenze aus dem ehemaligen Angola. Ohne dieses Wasser würde hier die Wüste Namib herrschen. Das kann sogar wirklich passieren, weil man das Wasser des Okavango mit einem Staudamm einfangen will.

Zur rechten des Lagerfeuers waren unsere Zelte aufgereiht, zur linken befand sich ein kleines afrikanisches „Dorf“. Das waren die Bediensteten, die für unser wohl sorgen sollten. Dahinter lebten die Pferde, die - wie gesagt - von einem Elektrozaun geschützt wurden, damit die Löwen ihr Frischfleisch woanders holten. Nur einer doofen Hyäne war es gelungen, den Zaun zu überlisten. Sie trieb im Camp ihr Unwesen, konnte aber nicht mehr weg.

Das wunderbarste an diesem Camp waren die unaussprechlichen Orte. Man hatte sie hinter dem jeweiligen Zelt errichtet. Ihr Zentrum bildete naturgemäß ein großes Loch über einer etwa drei Meter tiefen Grube. Neben dem Sitz türmte sich ein Sandhaufen in die Höhe, den man mit einer Gardena Schaufel in die Grube löffelte. Neben dieser Luxus-chaufel reihten sich einige der mächtigsten Insektensprayflaschen der Weltgeschichte. Ob die Geschichte wahr ist, dass die stärkste von ihnen, DR. DOOM geschafft hat, eine Königskobra in die ewigen Jagdgründe zu befördern, lässt sich leider nicht mehr prüfen. Auf jeden Fall hat sie die beruhigende Wirkung nicht verfehlt.

Gegen die Hyäne wäre aber selbst DR. DOOM ohnmächtig gewesen. Allerdings hatte sich das Tier mit der ungewohnten Nachbarschaft abgefunden und ließ sich nicht blicken, wenn das Camp wach war. Abends musste man mit einem sog. flashlight durch die Gegend laufen, damit die Hyäne endgültig das Gefühl entwickeln sollte, die  Leute hier wären nicht ganz dicht. Schnell verstecken.

Wenn man schlafen ging, tat man gut daran, die Schuhe ins Zelt zu nehmen, weil der ungebetene Gast sich auf die spezialisiert hatte. So ein Paar schöne Reitstiefel einpfeifen - gar nicht so schlecht! Mir konnte das Untier nichts anhaben. Meine Stiefel befanden sich noch in Frankfurt.

Vor dem Lagerfeuer am Wasser schaukelten sanft die Mokoros, die Einbäume zum Staken. Sie tragen bis zu vier fünf Personen oder entsprechend viel Gepäck. Wenn das Wasser zu heftig kommt und das Land zum größten Teil tief begräbt, versorgen die Boote die Außencamps. Auch ein Schnorchel hilft dem Truck nicht mehr weiter, der aber immerhin in so tiefem Wasser fährt, dass die Insassen bis zum Bauch nass sind.

Zu meinem ganz großen Leidwesen hörte das Material der Einbäume nicht etwa auf den Namen Holz. Bayer Leverkusen könnte durchaus der Ursprungsort gewesen sein. Nur der famose Antrieb des Bootes, die Stakstange, bestand aus Holz. Man konnte mit den Booten auf die andere Seite übersetzen, aber möglichst nicht aussteigen, denn dort liefen viele leckere Herden herum, häufig mit einem Löwenrudel im Gefolge.

Wenn man nachts am Lagerfeuer bei einem Gläschen Rotwein die Flammen zählte, schallten manchmal herzzerreißende Geräusche von der anderen Seite herüber. Morgens um fünf war die Welt wieder in Ordnung, die Schlacht der Nacht war geschlagen, die Bäuche voll.

Wir schlugen unsere Bäuche recht feudal an einer langen Tafel voll. Zum Dinner wurden wir vom Tischdiener gerufen, der vor dem Zelt stehend in seine Faust klopfte und „Tock! Tock! Dinner is ready, Sir!“ ausrief. Die Tischsitten glichen nicht denen von einem Trappercamp, sondern eher denen vom Hotel Atlantic in Hamburg. Wir durften allerdings das Jackett im Zelt lassen, während man bei Atlantic dieses Requisit immer bei sich haben muss, sei es nur, um es über den Stuhl zu hängen. Hanseaten!

Was die Afrikaner von uns hielten weiß ich nicht, sie verraten´s nie. Komisch muss es denen schon vorkommen, dass einer sein trautes Heim verlässt, 6.000 km fliegt, um im Busch zu zelten. Wie komisch wir denen vorkommen müssen, habe ich bei den Bemerkungen eines der Pferdeknechte entdeckt. Dieser wollte heiraten und erzählte, dass er für die Hochzeit eine schöne afrikanische Tracht gekauft hätte. Und die Braut? Die zieht was Europäisches an, mit einem Fliegennetz oben drüber. Hochzeit in Weiß!