Ein Koch besonderer Art

 

Peter musste zuerst eine halbe Flasche Cognac trinken, und das schnell. Als die erwünschte Wirkung eintrat, stellte ihm der Koch die andere Hälfte hin und sagte „Schluck, wenn weh“. Danach formte er Kugeln aus Watte, die er mit Spiritus befeuchtete und anzündete. Die Flamme näherte er zunehmend auf die Zehen von Peter, die wirklich wie Seeigel aussahen. Als die Haut heiß wurde, fing der Patient an zu brüllen. King Kong war Dreck gegen dieses Gebrüll. Der Chinese goss schnell einen doppelten Cognac ein und flößte ihn Peter ein. Wieder Watte, Gebrüll, Cognac usw. Ab und an gab es einen Toddy, Palmschnaps, der seinen Namen verdient.

Nach einer halben Stunde hatten alle Stacheln Peters Haut verlassen - und zwar ohne lästige Reste. Die Haut, die abwechselnd erhitzt und abgekühlt wurde, ließ die Stacheln trotz Widerhaken frei, nicht ganz freiwillig, man könnte die Sache eher hitzefrei nennen.

Die Story endete allerdings nicht ganz happy. Die Flasche Cognac (und noch ein paar Toddy), schnell getrunken, hat Peters Kreislauf derart herumgewirbelt, dass er sich bis zum Ende der Reise nicht mehr ganz erholen konnte. Der echte Mediziner nennt so etwas Nebenwirkung, der Bader hingegen sprach eher respektlos aus, was er dachte: „Peter, plemplem!“

Auf La Digue badeten wir nicht nur beim Tauchen in Fisch. Jeden Tag landeten die Fischer, allen voran Jeffrey, große Mengen Fisch, meist noch lebend. Zwar hat Pierre nicht alle 400 Langusten gekauft, aber genug, um auch zum Frühstück Languste zu essen. Nicht einmal auf den Malediven, wo es früher außer Fisch und Reis nichts gab, habe ich in so kurzer zeit so viel Fisch gegessen.

Zubereitet wurden die Tierchen unter der Regie eines recht seltsamen Chinesen, der auch der Bader der Insel zu sein schien. Zwar legte er keine Schlangen ein, weil es einfach keine gab, aber Seeigelnadeln raus ziehen und so war schon sein Metier. Er ließ von den Mädels ein großes Feuer machen, über dem ein noch größerer Rost schwebte. Darauf nahmen viele Fische Platz, aber nicht so viele, dass unsere ganze Truppe (18 Mann) und die Hotelcrew satt werden konnte. Daher wurde in zwei Stufen gegrillt. Für einen Frischfischfanatiker wie mich war die Sache allerdings nicht so begehrenswert. Solche Leute essen Fisch „mit Saft“, was so viel heißt wie, dass der Fisch vom Grill genommen wird, sobald sich das letzte Fleisch von der Gräte gelöst hat, und unverzüglich verspeist. Pierre, dem ich mein Leid geklagt hatte, hatte ja gleich Rat gewusst: „Geh doch zu den Mädels und lass dir den Fisch geben, sobald er nach deiner Meinung gar ist.“ Gesagt, getan - lange vor dem offiziellen Abendessen fühlte sich mein Bauch glücklich. Frisch vom Grill, mmmhh …

Da die ganze Truppe aus Taucherinnen und Tauchern  bestand, störten wir und nicht daran, dass uns fast nur Fisch, Muscheln, Schnecken oder eben Lobster aufgetischt wurden.

Alles frisch! Alles frisch? Eines Abends, als es Lobster ohne Ende geben sollte, meldete sich mein Bauch, ehe die anderen richtig mit dem Essen angefangen hatten. Mein Magen ist gegen verdorbenes Fleisch derart empfindlich, dass ich nie in die Gefahr einer Vergiftung käme. Ich warnte die anderen 17 und vertiefte mich in ein wenig appetitliches Geschäft in einer kleinen Zelle. Die lieben Mittaucher und Mittaucherinnen lachten mich aber aus und erinnerten mich an die allmorgendlichen Fischlieferungen. Wie sollte da etwas verdorben sein?

Es war nicht das erste Mal, dass ich mich so elend fühlte, nachdem ich „frutti di mare“ gegessen hatte. Auf Capri, auf Landurlaub von einer Schiffsreise, war mir ähnlich ergangen. Es waren aber andere Zeiten, am Mittelmeer gab es Cholera. Alle Symptome deuteten darauf hin, dass mich diese erwischt hatte. Ich ging trotzdem nicht zum Schiffsarzt hin, weil man sofort das ganze Schiff unter Quarantäne gestellt hätte. Glück für alle - die Schuld trug „frutti di mare“ - nicht so frisch wie sonst, weil die Touristen Capri gemieden hatten. Auch die Geschichte verfing nicht.

Am nächsten Tag ging ich alleine tauchen. Die gesamte Crew stand vor den Toiletten Schlange. Was war geschehen? Unser chinesischer Koch hatte sich das Leben etwas leicht gemacht und uns immer den frischesten Fisch aufgetischt.  Wohingegen nichts gesagt werden kann, es sei denn, er lagert den früheren Fang in der Tiefkühltruhe, für schlechte Tage. Da die Generatoren aber nachts immer abgeschaltet wurden, hatte sich in der Tiefe der Truhe eine Fischpopulation angesiedelt, der das Wort Frische ziemlich Spanisch vorkam. Und die hatte uns mit voller Wucht getroffen.

Man merke: Eine Truhe war nie eine ideale Lagerstätte, wofür auch immer. Will man an die untersten Teile, muss man den ganzen Klumpatsch ausladen und wieder einladen. Deswegen heißt die Fortentwicklung der Truhe „Kommode“, weil sie „commod“ war und ist. Daher Augen auf beim Kauf oder genügend Magentabletten bereit halten.

Eine der weniger freundlichen Eigenschaften der Inseln um La Digue machte sich bei einem Taucher namens Peter schmerzhaft bemerkbar: Es gab zu viele Seeigel, denen man schleunigst ausweichen musste, und natürlich auch geschickt. Peter benahm sich aber eher wie ein Tier, das man ansonsten Wüstenschiff zu nennen pflegt. Er trampelte in der Botanik rum. Eines wunderbaren Tages traf er sein Schicksal, einen formidablen Seeigel, der sich gerade über seine Stacheln freuen wollte. Das Wort Treffen trifft voll zu. Aus der nach vorne offenen Flosse sah man das Spiegelbild eines Seeigels, alle Stacheln gingen vom Fuss aus.

Normalerweise kann man bei einem solchen Unfall Gott anflehen, dass man keine Blutvergiftung bekommen möge. Ansonsten muss man damit leben, dass die Stacheln langsam aus dem Fleisch raus wachsen. Bis zu vier Wochen schmerzhafte Erinnerungen an den einen Fehltritt muss man über sich ergehen lassen. Nicht so Peter! Er ging zum Koch und fragte ihn, ob die Stories mit seinen Heilkräften und so wahr wären. Der Koch kratzte sich am Kopf und erwiderte, sie seien schon wahr. Ob Peter aber schonmal gehört hatte, was chinesische Tortur heißt?

Peter, ganz Held, ließ sich nicht beirren. Was soll denn das? Er war doch ein ganzer Kerl! Der Chinese grinste und warnte ihn zum letzten Mal. Als die Warnung immer noch nicht ankam, schritt er zur Tat.

Frischfisch vom Feinsten

Ein Koch als Bader