Die Luft war so rein, dass das Licht sich ungehindert in den Weltraum bewegte und nicht zu sehen war. Wir sind etwa vier Stunden um die Insel getaucht und Langusten gesammelt wie andere Nüsse unterm Walnussbaum. Da die Lampen insgesamt nur 45 Minuten brennen konnten, mussten wir sie so oft wie möglich ausschalten. Schwarz, schwärzer, noch schwärzer geht nimmer. Seit dieser Nacht habe ich ein gebrochenes Verhältnis zu meinem Beruf entwickelt, Lichtingenieurtum!

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich noch etwas erlebt, was sich jeder mindestens einmal gönnen sollte: Sternenschein im Wasser. Wenn man im Wasser ist und kein Lichtlein weit und breit, sieht man plötzlich ein Vielfaches an Sternen, die auch noch viel größer erscheinen. So schwimmt man unter einer Kuppel voll Gemmen, deren Wiederschein im Wasser die Wirkung noch vervielfacht. Wenn man sich auf einen Felsen setzt, sieht man zwei Mal Tropenhimmel. Wenn man dann auch noch den leisen Untergang des Kreuzes des Südens beobachten darf, ist das Vergnügen mehr als perfekt. So etwa nach einer Stunde im Dunkeln kann sich jeder Atheist standhaft loben, wenn er immer noch nicht an die Allmacht der Schöpfung denkt.

Diese Gedanken konnten etwa 400 der Krustentiere nicht mehr fassen. Sie füllten den Bauch des riesigen Einbaums, und wir hatten Krämpfe in den Hüften, weil alle mit hochgezogenen Beinen zurück fahren mussten. Gegen Mitternacht stießen wir auf La Digue. Gesehen hat sie nur Jeffrey, für uns waren nur undeutliche Schatten zu entdecken. Das Gekrabbel unter uns hatte ein Ende. Ein leckeres!

La Digue war von dem ersten Morgen an, an dem ich dort aufwachte, der Südseetraum schlechthin. Später fanden das auch andere Leute, die die Welt vermutlich viel besser kennen, die Werbefritzen. Viele atemberaubende Werbefilme sind auf La Digue entstanden.

Die Insel ist nicht ganz flach, aber auch nicht so bergig wie die Nachbarinsel. Was das ausmacht? Während wir jeden Nachmittag, wie gesagt, auf Praslin den Regen nieder prasseln sahen, konnte man auf La Digue gemütlich sein Bierchen in der Sonne genießen oder den Tauchgang nach dem Tauchgang vor dem Haupthaus von Pierre. Auch das Radeln fiel in der Tropenhitze nicht so Schweiß treibend aus. Verkehrsmittel gab es auf der Insel so gut wie nicht, wenn man den einen Ochsenkarren mit den städtischen Verkehrsbetrieben in Berlin vergleicht. Dafür war die Behandlung weniger ruppig.

Das Haus hatte es in sich. Unten konnte man am Strand essen, während eine Etage höher die wildesten Parties gefeiert wurden, die ich jemals gesehen habe. Unter wild meine ich ausgelassen. Tout La Digue, wirklich Alles, was seine Beine bewegen konnte, tanzte eine ganze Nacht lang. Sonntagnacht! Das war die Bedingung, unter der der örtliche Vertreter des Heiligen Vaters das sündige Treiben erlaubte. Früher sollen seine Schäfchen in der Kirche den fehlenden Schlaf nachgeholt haben. Der pfiffige Pope meinte, man könne bei der Arbeit am Montag auch schlafen. Ganz im Sinne des Herrn war das ja nicht, denn Domenica ist sein Tag. Da sollen Menschen ruhen, und nicht so tun, als wären sie frisch verwildert. Dem Herrn Pfarrer kann man eine gewisse Durchtriebenheit nicht absprechen.

Seine Rechnung ging tatsächlich auf, weil man damals auf den Seychellen nicht unbedingt hart arbeiten musste, um zu überleben. Fisch und Kokosnüsse gab es reichlich, so dass die Mädels erst beim vierten Kind geheiratet haben. Das ging wohl recht schnell, weil der damalige Papst die Verhütung untersagt hatte.

Einige Jahre später sollte ich in der Karibik lernen, wie es anderen Bewohnern des Paradieses ergeht.  Während man auf La Digue die Kokosnüsse von der Nacht davor noch am Abend am gleichen Ort finden konnte, waren auf Martinique die Nüsse entweder gleich weg, oder man fand die leere Schale. Die Seychellois ließen sich gut ergehen, obwohl sie sehr arm waren. Heute sind sie nicht mehr arm, werden aber den schönen Fisch vermissen, den sie einst nachgeschmissen bekamen. Die feinen Touris aus Übersee und die weniger feinen Fischer aus Japan und Taiwan sorgten dafür, dass es weitaus weniger paradiesisch zugeht.

Pierre hat sich, obwohl viel älter, als fantastischer Freund erwiesen. Aber auch als Profi-Hotellier. Als ich bei ihm moserte, dass der Fisch abends beim Essen nicht frisch vom Grill kommt, zeigte er mir unsere Runde und sagte: „Wie soll ich 18 Mäuler mit Fisch voll stopfen, ohne die halbe Insel in einen Grill zu verwandeln.  Geh doch zu den Mädels und lass dir frisch gegrillten Fisch nach deinem Geschmack geben.“ Einem Angler sagt man so etwas nicht zwei Mal. Die untergehende Sonne sah mich eine Stunde vor dem Abendessen in der Nähe des Grills lauern, bis die ersten Fische aussahen wie die aus meiner Kindheit. Ein zwei kleine Bonitos habe ich verputzt, bevor man sich zu Tisch begab.  Dort wurde erst richtig Fisch gegessen.

Touri! Willst Du richtig Fisch essen, geh dahin, wo Franzosen, Italiener, Türken und Griechen gewesen sind. Das Antiprogramm kann man oft auf den Malediven erleben. Dort schaffen Köche selbst Fische in Briketts zu verwandeln, die vor einer Stunde noch selber nach Fisch gelechzt haben. Die ersten Jahre auf den Malediven waren so schlimm, dass ich es mir angewöhnt habe, immer mit einem Handgrill zu verreisen.

Was viele Leute als Fisch bezeichnen, hat manchmal zehn Beine und einen kräftigen Schwanz. So kräftig, dass es einem die Hand zermalmen kann. Die heißen auf den Seychellen zwar Lobster wie deren Cousins aus kälteren Meeren, weisen sich aber durch fehlende Scheren aus. Sie sind halt nicht soo Furcht erregende Monster wie die Hummer.

Mit den Krustentieren sollten wir nicht nur beim Abendessen Bekanntschaft schließen. Als der Mond der Erde seine dunkle Seite zugewandt hatte, sagte der Kapitän unseres Tauchschiffes, Jeffrey, einer meiner Freunde und ich sollten in der nächsten Nacht mitkommen. Was er zu bieten hatte, erlebe man garantiert nirgendwo anders.

Als sich die Tropensonne anschickte, ihren Platz an die Dunkelheit zu überlassen, fuhren wir auf einem langen Einbaum los. Mit von der Partie waren drei  wirklich pechschwarze Afrikaner und natürlich auch Jeffrey. Bei Sonnenuntergang hielten wir vor einer unbewohnten Insel und gingen mit Tauchlampen ins Wasser. Sobald sich das Licht der Sonne stark abgeschwächt hatte, leuchteten viele hundert Augenpaare auf. Ganze Langustenrudel verließen ihre Tagesverstecke, um auf Aasfang zu gehen.

Als es dunkel wurde, habe ich gelernt, erstens was saubere Luft heißt und zweitens, wie schwarz schwarz sein kann. Es war unmöglich, einen der Afrikaner zu sehen, wenn er seine Lampe ausmachte. Wenn er sie in den Himmel hielt, sah man keinen Lichtstrahl.

Wo Werbefilme gedreht werden