Tauchen …, vom feinsten

 

Wer die heutigen wohl geordneten Tauchbasen kennt, die Tauchen zu einer Art Industrie entwickelt haben, wird nicht verstehen können, dass wir auf La Digue erst einmal vor einer Hütte gestanden haben, in der ein Kompressor sein sollte. Das eben war die Tauchbasis. Nur kompressieren wollte die Kiste nicht, wie sie sollte. Ihre Zündkerze hatte das Zeitliche gesegnet. Hier würde man einfach die nächste Tankstelle aufsuchen und eine neue kaufen. Doch nicht auf den Seychellen! Man deutete uns an, diese Kerze müsse in Deutschland bestellt werden. Eine Woche Däumchen drehen, bis der Wertgegenstand eintrifft?

Manne war Handwerker und Tüftler, wie es im Buche steht. Nach ein paar Stunden gesellte sich dem Put-put der Generatoren der Krach des Kompressors. Mann! Hat der schön geklungen. Leider, leider waren auch die Filter nicht mehr in jungfräulichem Zustand. Dass die Luft nicht so taufrisch schmeckte, haben wir gerne in Kauf genommen.

Schlimmer stellte sich der Zustand des Tauchbootes heraus. Dass sich Klaus wirklich nur den Schönheiten des Landes gewidmet hatte, erkannten wir nicht nur anhand der Damen, die täglich nach ihm Ausschau hielten. Dem Boot, das wir bereits zu Hause bezahlt hatten, und das nicht zu knapp, fehlte ein Sonnendach. So musste die ganze Baggage in der prallen Tropensonne fahren. A propos Tropensonne: Sie ist zwar sehr intensiv, aber an vielen Orten abgeschwächt durch Staub und sonstige Lufttrübungen. Auf La Digue fehlte der Staub völlig, und zu unserer Reisezeit fehlten auch die Luftbestandteile, die sie trüb erscheinen lassen. Die Sonne knallte also ohne Erbarmen.

Ob die Basis gut aussah oder nicht, wir wollten raus. Der Käpt´n, der bereits beschriebene Jeffrey, war erstens ein Abenteurer vom Herrn, und zweitens dunkelhäutig und braun gebrannt. Wir Weißlinge zählten zu den wenigen Figuren auf der Insel, die weder schwarz noch gebräunt waren. So blieben Ausfälle nicht aus, zumal sich die als „erfahrene Tauchergruppe“ zusammen gestellte Truppe zur Hälfte als „Möchtegern-Cousteaus“ erwies. Sie konnten gar nicht tauchen, wollten aber die einmalige Reise nicht versäumen. Da sie aber die Bootsfahrten bezahlt hatten, kamen sie fast immer mit. Und brieten in der Sonne, während die andere Hälfte in der Tiefe weilte. Und das doppelt so lange wie geplant, weil wir auch die Flaschen der Tauchermimen aufbrauchen durften. Ich hatte üblicherweise vier Pullen, manchmal auch eine fünfte. Mit den notwendigen Ruhepausen über Wasser kann man sich vorstellen, dass praktisch der ganze Tag mit Tauchen verging. Auch eine miserable Organisation kann sehr vorteilhaft sein. Bei gut organisierten Tauchbasen kann man heute häufig nur zwei Mal am Tag tauchen und muss auch noch mit einer halbvollen Pulle nach oben, weil der Tauchgang nur eine Stunde dauern darf.

Die Tauchbasen sind darüber hinaus noch sehr kreativ darin, einem das Tauchen zu vermiesen. So muss man bei manchen mit 50 bar in der Flasche ans Boot kommen, weil ansonsten die Flasche Wasser ziehen könnte. Andere meinen, dies wäre eine Reserve dafür, dass man verloren geht oder aus einem anderen Grunde viel schwimmen muss. Derlei Stories gibt es viele. In Wirklichkeit stammt die Sache aus der Zeit, als es keine Finimeter gab. Man tauchte blind und hoffte, mit der Luft haushalten zu können. Damit man aber trotzdem sicher sein konnte, hatte das Tauchgerät einen Hebel, den man zog, wenn die Flasche leer schien. Dieser gab die letzten 50 bar frei.

Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Menschenleben diese Sicherheitsmaßnahme gekostet hat. Wenn der Hebel nämlich sich während der Füllung nicht in der richtigen Positon befunden hatte, bekam man nur die letzten 5 bar frei. Das reichte für einen röchelnden Schluck und für die letzte Ölung.

Mit welchen schönen Worten lässt sich eine Umwelt beschreiben,  die nicht nur alle Erwartungen übertroffen hat, sondern auch bis heute das Gefühl gibt, ein Highlight erlebt zu haben? Vielleicht lässt man es lieber sein, weil die Sache wie bezahlte Werbung klingt.

Als unsere Crew nach der ersten Fahrt den Anker ausbrachte, kamen etwa 60 Fledermausfische zum Boot als Vorabkommando zur Begrüßung. Als die Leute die Fische sahen, sprangen sie in wilder Formation ins Wasser, sobald sie ihre Plünnen anhatten. Plünnen ist richtig, denn damals sah ein Taucher eher wie ein wenig gepflegter Maurermeister nach der Arbeit aus. Selbst Hammer und Meißel fehlten nicht. Das riesige Messer zum Abstechen von Haien bammelte an der Seite, diverses Werkzeug an allen möglichen Stellen der Kleidung. Die Taucherweste war noch nicht erfunden worden, man tauchte mit der „Klobrille“, und die hatte keine Taschen. Das Mitbringen von Souvenirs war auch noch nicht verboten worden.

Plötzlich stand ich da allein mit der schwarzen Crew, die bei mir Angst ausgemacht haben wollte. Einen Buddy hatten die mir nicht da gelassen. So schwamm ich alleine weg, allen Sicherheitsmaßnahmen Hohn lachend. Im Nu fand ich mich in einer Lage, die sich mit dem Goldbad von Onkel Dagobert vergleichen lässt. Eine große Fischsuppe umschwärmte mich, und eine kurze Berechnung nach den Preisen im Geschäft ergab ein paar Millionen DM, die um mich herum schwammen.

Bei 28º C Wasser in Fischsuppe schwimmen ist etwas, wovon man am Mittelmeer, wo ich bislang getaucht war, nicht einmal träumen konnte. Dort hat man in Tiefen, wo sich das Tauchen lohnt, etwa 7º C, während die tropischen Gewässer bis in große Tiefen, in die der Taucher sowieso nicht kommt, die gleiche Temperatur aufweisen. Zudem muss man in den Tropen nicht gleich 40 m tauchen, um Interessantes zu sehen. Drei Meter tun´s auch.

Plötzlich kam mir der Manne entgegen, mit einem Tauchgerät unter dem Arm. Huch! Keine Sorge, einer hatte es wohl vorgezogen, ohne Gerät weiter zu schwimmen, und bei Manne Gerät und Blei entsorgt. Bei seiner Rückkehr zum Schiff hat er etwas entdeckt, was ich auch gesehen hatte: Ein Ammenhai schlief neben dem Anker. Manne, ganz witzig, hat den Schwarzen einen Zettel in die Hand gedrückt und aufgetragen, jeden Rückkehrer nach der Größe des Hais zu fragen.

Der sollte nicht der einzige Hai bleiben, den wir gesehen haben. Als ich einige Kameraden unter Wasser ausgemacht hatte, waren sie dabei, am Schwanz eines schlafenden Ammenhais zu ziehen. Einer hatte sich vor dem Hai, aber versteckt in der Koralle, postiert, um zu filmen. Der arme Kerl, ich meine den Hai, torkelte schlaftrunken durch die Gegend. Der große Regisseur sollte aber später noch zu einer denkwürdigeren Szene kommen. Diesmal handelte es sich wieder um einen etwa 2 m langen Ammenhai, der auf mich zu schwamm. Ich schoss schnell ein paar Bilder und drehte mich nach dem Filmer um. Er hatte die Kamera gar nicht in der Hand und die schwebte so in der Luft. Der Hai schlug mit seiner Schnauze auf meine Maske. Einen Augenblick lang blitzte ein blöder Gedanke durch meinen Kopf: Festhalten, damit er filmen kann. Intuitiv langte ich nach der Rückenflosse des Hais, fühlte die Haut wie Sandpapier und hielt mich fest. Nach einigen Metern schüttelte der Hai mich ab und verschwand.

Die Kamera war doch an gewesen, was der Tauchfreund erst zu Hause gemerkt hat. Beim Anblick der Szene verbot mir meine Frau für zwei Jahre das Tauchen. Eigentlich eine milde Strafe, denn Haie mögen Grapscher genau so wenig wie fremde Frauen, sie können sich aber anders als diese nach hinten drehen und sehr beißend artikulieren. Bei Frauen bleibt es häufig beim Verbalen.

Wäre dieses Hailight woanders vielleicht ein echter Höhepunkt einer Reise gewesen, auf den Seychellen blieb sein Wert bescheiden, weil das Meer mit wahrlich unbescheidenen Schönheiten aufwartete. Tief zerklüftete Vulkanfelsen mit Korallenriffen allerlei Formen bedeckt, unendlich scheinende Fischschwärme, Barrakudas in Hülle und Fülle, Stachelmakrelen, deren Jagdkünste die der Haie wahrlich ammenhaft erscheinen ließen, u.v.a.m. Und der Hai unter dem Schiff? Nach den Aufzeichnungen der Crew war er zwischen 1,50 m und 3 m lang gewesen.

Wo ist die Tauchbasis?

Die Tauchgründe