Cities of the world

 
 

Kairo war nie meine Traumstadt, seit mein Bruder vor langer Zeit hier als Kadett geweilt hat. Er geißelte die Art, wie die Menschen dieser Stadt lebten. Die Stadt habe ich drei Mal erlebt, so vor 30 und 29 Jahren als flüchtiger Tourist und vor einigen Wochen als echter Touri. Viel vom Charme habe ich nicht erlebt. Allerdings wohnte ich vor 30 Jahren im Hotel Victoria (wie die Königin), die zu Lebzeiten eben dieser Königin eine Wucht gewesen sein muss, während die jetzige Unterkunft ihre fünf Sterne schon verdient hat. Kein Anlass zu meckern.

Nach der Ankunft versuchte ich, etwas zu essen zu finden. Es war spät in der Nacht, der Verkehr rollte noch, die Menschen füllten die Straßen und kauften gen Mitternacht Dinge ein, die ich bestenfalls morgens besorge. Zu essen fand ich nichts. Dafür die vielen Katzen, die die Straßen in Mülllager verwandelten, indem sie die Container leerten.

Der Verkehr der Stadt ist bestialisch. Ob man den überhaupt so nennen darf, wäre zu überlegen. Tagsüber verkehrt nämlich fast nichts mehr, alle Autos stehen dort, wo sie öfter stehen. Wer die Sache kennt, wird sich schon damit abfinden.

Etwa jeder vierte Ägypter soll hier leben. Kein Wunder - in Istanbul lebt jeder vierte Türke, in Athen jeder vierte Grieche … Die Menschen kuscheln sich zusammen, da wo es am schlimmsten stinkt. Dafür stehen die wunderbaren ägäischen Inseln leer. Was in Ägypten leer steht, war nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich nichts, weil sich die Ägypter ständig vermehren. Das Land ist groß, das bewohnbare hingegen sehr klein.

Mein größter Wunsch war der Besuch der Al Azhar Moschee gewesen, weil dort nach Abschaffung des Kalifats in der Türkei die Deutungshoheit in islamischen Fragen zu verorten wäre. Vielleicht ist es so. Uns wurde vom Reiseleiter ein Vortrag gehalten, dass die Scharia richtig ist, z.B. die Hand abhacken, wenn einer stiehlt. Warum muss der denn stehlen? Wer stiehlt, nimmt jemandem anders etwas weg, was er zum Leben braucht! Der islamische Raum sei untergegangen, seit die Menschen nicht mehr nach dem Quran lebten. Stimmt! Nach einer Woche mit diesem Reiseleiter stellte ich mir vor, welche Teile man ihm abschneiden müsste, damit er der gerechten Strafe zugeführt wird. Viel wäre von dem Kerl wohl nicht übrig geblieben. Heilige und Scheinheilige - sie wandeln in den Straßen von Kairo.

Ein Highlight war - was denn sonst? - der Besuch in Gizeh bei den Pyramiden. Die sind wirklich nicht von dieser Welt. Wenn man sich aber die Menschen anguckt, deren Vorfahren diese Wunder vollbracht haben, kann man nur in der Vererbungslehre zweifeln. Vor fünf oder sechs tausend Jahren haben die feinste Figuren bearbeitet - und heute versuchen sie einem Dinge anzudrehen, die mit dem Vorschlaghammer behauen worden sind.

Ein weiteres Highlight sollte das Ägyptische Museum werden. Grauen, dein Name sei Kairo. Das Museum beherbergt die wohl wichtigsten Funde der menschlichen Geschichte. Für jedes der 100.000 Stücke aus dem Museum würden viele Amerikaner ihre Seele verkaufen. Und? Wenn man 100.000 großartige Dinge auf dem Platz von 5.000 präsentiert und noch dazu mit Funzeln beleuchtet, wird man wohl keine großen Freundschaften schließen können. Rumpelkammer - aber mit den edelsten Fundstücken der Weltgeschichte.

Trotzdem - man sollte sich Kairo mindestens einmal im Leben angeschaut haben. Man kann wunderbare Dinge dort finden. Z.B. ist der neu erbaute Turm tagsüber wie in der Nacht ein Juwel. Am Nil zu schlendern, macht Spaß. Wer auch noch den Orient so interessant findet - der ist hier richtig. U.V.A.M.

Kaum eine Stadt der Welt kann sich in der Geschichte mit Kairo messen. Und wenn man sich Scheuklappen anlegt und die Objekte im Ägyptischen Museum getrennt vom Ambiente anschaut, wird kaum etwas Tolleres auf der Welt finden. Kairo ist nicht ein unbehauener Diamant - sondern eher ein total verdrecktes Kleinod!

 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil