Cities of the world

 
 

San Francisco, zweifellos eine amerikanische Stadt, ist die europäischste der Städte der USA und so nah an Asien wie keine andere, wenn man von Honolulu absieht. Kolonien darf man nicht überbewerten. Das Chinatown dieser Stadt riecht nicht nach Retorte. Sie war von Anfang an Lebensraum von Chinesen, die vor allem die Eisenbahn aufbauten.

San Francisco wurde als letzte der „heiligen“ Städte an der Westküste der USA gegründet, weil man den Ort einfach nicht gefunden hatte. Daher blicken Los Angeles, San Diego, San Jose, Santa Maria etc. auf ein längeres Leben zurück. Von Geschichte muss man nicht gleich reden, wenn eine Stadt so mal 200 Jahre alt ist. Der Grund für die späte Entdeckung bildet zugleich den Grund für viele Dinge, die man in und um San Francisco erleben kann. So haben die Seeotter (Monterey Bay, Carmel) nur überlebt, weil die Küste ein Mikroklima hat, das auch im Sommer sehr kühle Tage garantiert. Kurz dahinter in Kalifornien (Death Valley) ist aber die Wüste heiß wie selten anderswo. Es gibt auch sonderbare Bäume, die nur durch dieses Klima überleben konnten. Die Redwoods. Sie haben einst die ganze Erde bedeckt. Jetzt gibt es sie nur noch hier und in China, wo auch die Sommer kühl und feucht sind. Der Kalifornienstrom schiebt kühles Auftriebswasser an die Küste und sorgt für reichlich Nebel. Und dahinter verbarg sich die Landschaft, die jetzt Stadt geworden ist.

Das Wahrzeichen der Stadt, die Golden Gate Bridge, verhüllt sich auch nicht selten in Nebel. Man kann ihn manchmal sogar die Straßen hoch kriechen sehen. Mollig warm wird einem auch im Sommer nicht. Wo der Name der Brücke her kommt, ist es wesentlich wärmer, in Istanbul. Das Goldene Horn ist der Namensgeber.

Das kalte Wasser drumherum hat SF noch eine Berühmheit geschenkt, Alcatraz bzw. „the Rock“, ein Hochsicherheitsgefängnis, brutal geführt um brutalsten Verbrechern die Seele zu brechen. Einer der schlimmsten von ihnen, Scarface Al Capone, hat aber das Gefängnis geschafft. Er hatte gleich zwei Mal hintereinander die Höchststrafe, 38 Tage in einer Gummizelle, nackt und ohne Licht, bekommen. Das war zu viel! In Alcatraz saß die gesamte Avantgarde der US-Gangsterwelt ein, so auch Robert Stroud, birdman of Alcatraz, der die Methode erfand, einen mit einem Dolche aus Eis zu erstechen.

San Francisco hat aber auch eine gewaltfreie Geschichte, sie ist die Best Gay City und die Heimat der Flower Power Bewegung. Sie blüht heute noch, die Blume der Liebe. „Make love, not war“, mit dem Slogan zogen Jugendliche und Studenten gegen den Vietnam Krieg auf die Straße. Janis Joplin trieb die Stimmung im Summer of Love (1967) in ungeahnte Höhen, und das Lied von Scott McKenzie „San Francisco“ wurde nicht nur zur Hymne der Stadt sondern auch ein Welthit: „Be Sure To Wear Some Flowers In Your Hair.

Weniger friedlich war die Zeit nach 1849, Gold Rush war angesagt. Noch weniger friedlich verlief das Erdbeben am 18. April 1906, in dessen Folge etwa 700 Bürger ihr Leben einbüssten. Schlimmer traf es die Redwoods, weil der große Brand die Stadt verwüstet hatte. Der Staatsbaum von Kalifornien büsste danach einen großen Teil seiner Bestände ein, weil die Stadt zum Aufbau Holz brauchte.

Das Liebenswürdigste in SF ist ein Dinosaurier des ÖNV, das cable car. Diese Dinger werden von einer Stahltrosse in der Erde gezogen, an die sich der Wagen klemmt. Das besorgen lustig bis abenteuerlich aussehende Typen, die sich nicht drum scheren, dass die Wagen voll behängt mit Menschentrauben durch die Gegend fahren.

Mein bestes Erlebnis auf See, nach mehreren Jahrzehnten Tauchen und Segeln, fand hier statt: Beim Paddeln tauchte vor mir ein Grauwal auf!

Das Schlimmste hier ist nach einem Heiligen benannt, San Andreas, eine Verwerfung, die die Stadt eines Tages auslöschen könnte. Das schwerste Erdbeben lag bei 7,8 auf der Richterskala, das mit dem schlimmsten Tsunami im Jahre 2004, hatte 9 erreicht. Man baut aber immer munter weiter, auch Hochhäuser. Diese Stadt hat keine Absicht, sich unterkriegen zu lassen.


 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil