Aufregende Tage …

 

Allzu einfach war es nicht, meine Frau davon zu überzeugen, dass Madagaskar die ultimative Destination für mich wäre. Vor etwa zehn Jahren hatte ich das zuerst von Sipadan behauptet, um das Jahr darauf auf die Philippinen zu fliegen, weil ich auf Sipadan immer wieder die Schiffe bewunderte, die in Richtung Philippinen ablegten. Als ich dann auf den Philippinen weilte, wurden die Touris aus Sipadan in die Gegend verschleppt, wo ich gerade war. Die Sache mit der Gegend sollte man allerdings nicht wörtlich nehmen, denn vom fernen Deutschland aus schrumpfen 500 km zu kleinen Punkten auf der Weltkarte. Dass die Abu Sayyaf Rebellen nicht mich, sondern andere verschleppt hatten, machte die Aufregung nicht geringer.

Wenn Ehemann auch noch in eine Gegend reisen will, wo es a) Rebellen, b) Vulkane und c) auch noch Tsunamis gibt, Indonesien, kann Ehefrau vor Aufregung kaum schlafen. Als die Krönung des Ganzen, die Fluten in Jakarta u.ä. in den Zeitungen stand, musste ich die Reise absagen. Aus lauter Trotz habe ich dann nicht verraten wollen, wohin ich jetzt fahren wollte. Madagaskar? Nun, ja… Gelbfieber gibt es dort nicht, man soll nur die Pest kriegen können. Cholera wär noch gut zu ertragen, es sterben nur etwa 10% der Infizierten. Aber malaria tropica? Eine Chance von 66,66 % als Gewinn beim Zocken wäre fantastisch, aber nicht beim Überleben.

Da uns die Sauflieder aus dem Studentenheim noch gut in den Ohren klingen, aus denen man für die Insel eine nicht gerade schmeichelhafte Rolle ableiten kann, kannte die familiäre Aufregung kaum Grenzen. Ein Blick auf die Website des Auswärtigen Amtes offenbarte auch nichts Beruhigendes …

Man kann sich in eine Angst reinsteigern, wenn man zu viele Ratschläge zum Überleben bekommt. Für Abkühlung sorgte indes die Aufzählung der Hotels und Restaurants für Fremde. Wenn nämlich alle Touris von Pest und Cholera gebeutelt werden, wären die Hotels leer, und in den Restaurants müssen sich die Überlebenden selbst bedienen, weil die Einheimischen von den Krankheiten ja schon längst dahingerafft sein müssten.


Muss man solchen beschwichtigenden Hinweisen glauben? Hatte mir doch vor Jahren ein Tierkenner die Angst vor den Löwen im Okavango genommen, indem er erzählte, dass Reiter und Pferd zusammen eine Figur ergäben, die nicht nach Beute aussieht. Dann musste ich vor Ort als erstes eine Schulung über mich ergehen lassen, wie man sich als Reiter zwischen Löwen benimmt. Die vom Okavango sind nämlich viel gefährlicher als andere, weil die Families durch das Leben im Wasser ihre natürliche Rivalität vergessen. So kann es sein, dass ein Rudel Löwen einen weg galoppierenden Reiter nur deswegen halbherzig verfolgt, weil auf der anderen Seite eine befreundete Family mit offenen Mäulern wartet. Sei´s drum. Gebucht, geflogen. Schließlich verkauft Air Madagaskar auch nicht immer Einwegtickets. Vielleicht haben sie es getan, als sie noch MADAIR hießen. Da die Jungs nur Französisch sprachen, haben sie nicht gemerkt, dass die Beamten der Luftfahrtbehörde bei der Registrierung des Namens ganz hässlich gegrinst haben. Madair!

Einige Tage vor der Abreise hatte sich die Aufregung gelegt. Das soll bei Hinrichtungen auch so sein - wenn man merkt, dass nichts mehr hilft, beruhigt man sich. Ich widmete mich meinen diversen Angeln, denn fischreich sollte die Reise werden.

Anreise komfortabelster Art …

Man vergesse den Witz, dass der Papst JP II, der Reisepapst, bei der Ankunft in einem Land den Boden deswegen küsse, weil er mit der Alitalia geflogen ist. Von Berlin aus nahm mich ein gut mit netten Italienern gefüllter Bomber von Alitalia nach Mailand Malpensa. Das einzig Schlechte an dem Flughafen war für mich der Name. Diesmal habe ich eine andere Seite kennen gelernt, kompletter Rechnerausfall für eine halbe Stunde. Das Schöne aber war, dass sich kaum jemand aufregte.

Da ich den Anschluss nicht verpassen wollte - Flüge nach Madagaskar sind Mangelware - flog ich vorsichtshalber so früh nach Mailand, dass ich noch eine Runde in der Stadt drehen konnte. Sie ist wirklich sehenswert, vor allem der Dom und die Galleria Vittorio Emanuele II, die größte Passage Europas. Der Dom präsentiert sich derzeit wie manche Frauen islamischen Glaubens, mit Kopftuch.

Nach einem Weinchen in einem Cafe an der Straße wanderte ich zurück zum Bahnhof Cadorna, wo die nicht zu kurze Rückreise nach Malpensa anstand. Man fährt etwa 45 km und zahlt für beide Fahrten so um die 14 €.

Mit dem Einchecken hatte ich keine Eile, weil ich dachte, die paar Leute nach Madagaskar wären eh in Minuten abgefertigt. Von wegen - vor nicht weniger als vier Bändern stand eine große Meute von buntgemischtem Volk, Italiener, Franzosen, Schweizer, und Schwarze aller Schattierungen, denen man die Nationalität nur anhand des Passes ansehen konnte. Mir fiel nur auf, dass die meisten Schwarzen gar nicht wie Afrikaner aussahen, und zudem überdurchschnittlich gut. Was das bedeutet, sollte ich noch kennen lernen.

Gegen 22 Uhr bestiegen wir eine der beiden Boeing 767 von Air Madagascar - nicht mehr MadAir genannt. Das Symbol an der Heckflosse hat indes weitaus mehr mit Reisen zu tun als die Kennzeichen der anderen Airlines. Es stellt den Reisebaum dar, Ravenala madagascariensis, eigentlich kein Baum sondern eine Riesenstaude. Er gibt dem Reisenden Wasser und allen ein Dach überm Kopf. Die Hütten und Häuser von Madagassen sind traditionell mit Matten aus Blättern dieser Staude gedeckt.

Beim Fliegen waren wir allerdings nicht auf Wasser angewiesen. Eine freundliche Crew verwandelte den Bomber in einen fliegenden Teppich mit reichlich Speis`und Trank.

Die Zeit verging - natürlich wie im Fluge. Anders als bei anderen Airlines gab es hier mehrere Musikkanäle mit wohl klingenden, aber unbekannten Liedern. Auf Madagaskar hört man gerne eigene Musik - und sie hört sich nicht einmal dann schlecht an, wenn man sie gar nicht kennt. Leider hören sich die amerikanischen Schauspieler in dem obligatorischen Film wie Franzosen und Italiener an. Nix Deutsch, nix Englisch. So schlief ich bald ein.

Als ich wieder zu mir kam, war bereits Tag - und was für einer! Äußerst selten sieht man den tropischen Himmel vollständig ohne Dunst. Eine unendliche See aus Öl - der Indische Ozean - darüber viele tausend Schäfchenwolken, und ganz oben wir.

Nach der Landung kamen wir in ein winziges Gebäude, in dem viele Beamte werkelten. So was kannte ich bereits aus dem Mittleren Osten. Auch das, wogegen die Madegassische Regierung die hochverehrten Gäste mit Plakaten um Hilfe bittet - Korruption. Aha! So einen dicken Hinweis, wie man schnell durch den Zoll kommt, hat mir bislang kein Land gegeben. Auf weiteren Plakaten konnte man lesen, was die Regierung keineswegs duldet - Drogen und Kinderprostitution … Nochmal aha!

Mein Beamter war nur vergesslich. Er schrieb mir auf, das Visum würde 15 € kosten. Ich gab einen 20 €-Schein, mit dem er verschwand. Na, gut. Das Reisebüro hatte mir was von 25 € geschrieben, und die Botschaft in Berlin wollte gar 30 € haben. Irgendwie habe ich dennoch Geld gespart.

Draußen wartete Alex, einer der Besitzer der Tauchbasis. Der Service ist perfekt. Die Botschaft hatte von sich aus bei mir angerufen und mir das Ausfüllen des Einreiseformulars erklärt. Später hat mir das Reisebüro eine mit Buntstiften gezeichnete Karte des Urlaubsortes geschickt. Jetzt holt mich auch noch der Tauchlehrer ab.