Touristenstrand No.1 von Madagaskar

 

Hochstand für Fotofreunde …

Nachdem mein nicht so bescheidenes Gepäck auf dem Pickup von Alex Platz genommen hatte, fuhren wir los in sattes Grün. Leider war dies kein Regenwald, obwohl es hier nicht zu knapp regnet. Viele Bäume sahen mir verdächtig verkrüppelt aus wie in den Kurparks in Deutschland. Die hier werden aus kommerziellen Gründen verkrüppelt. Sie heißen Ylang Ylang und müssen klein gehalten werden, damit man leicht an die Blätter kommt.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, die an einigen Schlaglöchern vorbei führte, kamen wir in Hell-Ville an, der Hauptstadt, scherzhaft auch Höllenstadt genannt. Der Namensgeber hatte aber mit der Arbeitsstätte des Leibhaftigen nichts zu tun. Er war französischer General gewesen. Hell-Ville muss man sich wie eine kleine Stadt vorstellen, in deren Mitte wirklich eine höllische Kiste, ein großer Generator, brummelt. Die Absicht dahinter ist, wie bei jedem E-Werk, die Insel mit Strom zu versorgen. Na, ja, man kann es bescheidener ausdrücken, gelegentlich Strom zu liefern. Die teils bescheidenen, ab und an mal auch schönen, Häuser erreicht man über die Reste von Straßen, die einst wohl mehrheitlich nicht Schlaglöcher gewesen sind. Heute stören die Reste der Straße eher, eine Sandpiste wäre besser.

Der erste Schritt in Hell-Ville kam mir gut bekannt vor, ein Bierchen zu sich nehmen. Das lokale Bier schmeckt gar nicht so schlecht, obwohl nach dem Reinheitsgebot Gerste verarbeitet werden müsste statt Mais. Dazu gab es viele kleine Spießchen von Zebufleisch. Wägelchen gezogen von jüngeren oder älteren Zebus prägen das Bild der Stadt. Sie sind sehr vielseitig, die Zebus. Zum einen geben sie einen feinen Braten ab, zum anderen schnitzt man aus ihren Hörnern allerlei Andenken für Touris.

Dann ab zum Strand. Etwa 1,5 km Strand haben sich zwei Orte unter sich aufgeteilt, Madirokely rechts und Ambatoloka links. Dahinter befindet sich das Dorf Darassalam, in dem nicht nur Touris leben, sondern richtige Menschen. Dieser Strand soll Modell für die Tourismusentwicklung von Madagaskar sein. Tatsächlich finden sich hier etliche Hotels, deren Abstand vom Strand sich täglich zwei Mal erheblich ändert. Bei Springflut ist kein Strand mehr übrig, die Wellen schlagen direkt an die Häuser und sammeln allerlei Äste, Blätter und Schilf zusammen. Bei Ebbe wird der Strand so um die 80 m breit. Nix wie hin, Grundstücke verkaufen …

Wie weit sich das Wasser bewegt hat, sieht man an einem Gürtel von Strandgut, in dem sich erstaunlich wenig Müll befindet. Dieses wird entweder von fleißigen Händen, wirklich von Händen, zusammen gekehrt und manchmal verbrannt, oder es wird den Wellen übergeben, die es auf die See tragen.

Wenn man schwimmt, kommt das Zeug einem wie Müll vor. Wenn man aber ganz langsam mit einem Boot durchfährt, kann man sich nicht des Gefühls erwehren, dass es sich um eine Art Arche handelt. Die Äste und Blätter schützen Schwärme von kleinen Fischen, und alle größeren dienen Krebsen als Transportmittel zu neuen Ufern. Auch winzige Kalmare ziehen in ihrem Schutz auf den Ozean, Richtung Moçambique. Ob ich dieses Land wirklich in der Ferne gesehen habe oder eher davon geträumt, weiß ich nicht. Nachts wurde ich aber fast immer von Fernweh überwältigt und wünschte in Moçambique zu sein. Seltsames Gefühl, ich war doch in der Ferne.

Abends saß ich meistens in einem Restaurant am Strand und träumte vom Meer.

Mein Hotel, wenn man überhaupt davon sprechen darf, besteht aus einem zweistöckigen Haus und einer Terrassenbar zur linken Seite. Oben befinden sich die Zimmer, genau drei Stück. Im Sommer, pardon, Winter, werden noch ein paar Bungalows betrieben, und es kommt noch ein Restaurant dazu. Da ich gerade zum Ende der Regenzeit ankam, war ich der einzige Gast der Französin, die das Hotel betrieb.

Abends saß ich vor meinem Fenster und blickte in die Dunkelheit - bis auf zwei Nächte hatte der Ort keinen Strom. Tagsüber war mehr zu sehen, z.B. die Piroggen, die morgens mit Ostwind aufs Meer segelten und nachmittags bis abends voll mit Fisch zurück kamen, mit Westwind. Dann warteten viele Frauen und ein paar Männer auf die Ankunft. Man half den Fischern, das Boot hoch zu schleppen. Dann fing das Feilschen an.

Am Anfang dachte ich, die Frauen würden den Fisch für die Familie kaufen. Später sah ich auf der staubigen Hauptstraße von Darassalam, dass viele von ihnen den Fisch grillen und warm verkaufen. Leider war ich zu vorsichtig, um was zu essen, weil man abends wirklich nichts sah. Gaslaternen geben zwar romantisch warmes Licht ab, um die hygienischen Verhältnisse am Grill zu beurteilen, reicht es aber nicht.

An dem Strand findet man nicht nur Fischer und ihre Kunden oder Touris, sondern auch hübsch angezogene junge Frauen, die nicht von Fisch leben wollen. Meist ziehen sie zu zweit durch die Gegend und bieten Massage an, offensichtlich wirklich Massage. Andere Damen, die man an den glitzernden Taschen oder sonstigen bunten Kleidungsstücken erkennt, sind auch auf Fischzug. Meistens beißen da Herren in gesetztem Alter mit grauen Haaren an. Deren Alter und Herkunft lässt sich leicht einschätzen. Sie singen meistens Lieder von Domenico Modugno oder Peppino di Capri, so etwa „St. Tropez Twist“ oder „Volare“. Die Herren müssen im Jahre 1958 etwa 15 bis 20 Jahre alt gewesen sein. Und Chansons aus den 50ern mit Edith Piaf oder Charles Aznavour, Gilbert Bécaud und Jacques Brel sind hier immer noch Hits.

Für mich war die Musik, die mal gespielt, mal gesungen wurde, eine Reise in meine Kindheit. Ciao, ciao bambina! Als Modugno „Nel blu, die dipinto di blu“ sang, ging ich am liebsten Angeln - wie hier und mein Boot sah etwa so luxuriös aus wie die Piroggen.

Der Strand bildet die Hauptader des Lebens hier, weil die Wege und Straßen mal abrupt aufhören, mal an einem Bach enden und zudem voller Schlaglöcher sind. Der Strand hingegen wird täglich zwei Mal frisch gebügelt, vor den Hotels und Restaurants sorgfältig geharkt und von Kind bis Kegel für allerlei Spiele, Treffen und Verkaufsaktivitäten benutzt. Anders als sonstige tropische Strände wird dieser in der Sonne nicht unerträglich heiß, weil er die Feuchtigkeit lange hält. Man kann sogar mittags barfuss darüber laufen - wenn es denn sein muss. Viele brettern mit Motorrädern darüber - einer hat ihn vor meinen Augen sogar zum Wakeboarden missbraucht. Er ließ sich von einem Motorrad ziehen. Ja, hier kann man ein besonderes Land erleben, kurz vor Afrika, aber nicht von Afrikanern besiedelt, arm aber trotzdem reich an vielen Dingen, die uns fehlen.