Nochmal ab in die Tiefe …

 

Von Menschen und Riffen

Meine Vorstellungen vom Tauchen waren zu stark durch flache Korallenriffe beeinflusst, die vor den Inseln die Wellen brechen, durch sog. Barriereriffe. Diese bilden sich bei geeigneter Beschaffenheit des Meeres als eine Mauer vor der Insel, die bei Ebbe gerade mal über die Wasseroberfläche guckt. Dahinter befindet sich eine Lagune, die an der Insel als weißer Sandstrand endet. Sand ist allerdings relativ, es handelt sich um Korallenschutt. In der Lagune herrscht reges Leben, wobei man bei einer Bauchlage im flachen Wasser bestimmt nicht weniger sieht als bei der Taucherei draußen. Vor allem erfreuen die Picasso-Drücker und „Pyjama-Fische“ (Blaustreifen Doktorfisch) das Auge. Beide sucht man in der Tiefe vergebens.

Um die Bewohner des Flachwassers zu finden, nahm ich mir einen Tag Zeit und schwamm an der Küste entlang. Zuerst bin ich vom Hotel aus etwa 500 m aufs Meer hinaus geschwommen, dann drei Kilometer Richtung Westen. Tatsächlich, dort wo die Koralle überlebt hat, herrscht quirliges Leben, reich an Krustentieren. Ich habe sogar die Leiche einer Seeschlange gesehen, die nach fachmännischer Auskunft hier nicht vorkommt. Vielleicht wusste das Tier das nicht.

Im Hotel hatte man mich bereits etwa um Mittag aufgegeben, weil nach Meinung der hiesigen Leute große Haie Schwimmer auffressen. Leider ist mir keiner begegnet. An sich keine Überraschung, denn meine diesbezüglichen Bemühungen, einem große Hai zu begegnen, waren an Stellen, wo große Forscher wie Hans Hass, Jacques Cousteau oder Irenäus Eibl-Eibesfeld von solchen Monstern angegriffen worden sollen, nicht von Erfolg gekrönt. Vielleicht bin ich einfach zu spät geboren worden …

Auch diese Reise ging nicht ohne den einzigen Fisch ab, vor dem ich gerne die Flucht ergreife, den Riesen-Drückerfisch (Balistoides viridescens). Er ist eine lebende Bombe und greift öfter Taucher an, die sich seinem Gelege nähern. Wenn man nur eine Flosse von ihm ausgezogen bekommt, kann man noch glücklich sein. Manche Leute sollen schlimme Bisse erlitten haben. Dieser Bursche hier schien den schlechten Ruf seiner Artgenossen nicht zu kennen oder er war gut drauf. Wir konnten uns großen Fischschwärmen widmen, die sich in seiner Nähe befanden, ohne dass er böse Absichten äußerte.

Die Gegend hier schien ohnehin sanfter zu sein als manch schroffes Gewässer. So habe ich zwar an der Oberfläche einige Male Strömung erlebt, aber nie in der Tiefe. Mir sind einige böse Stellen auf den Malediven und am Roten Meer noch in sehr guter Erinnerung. Mal mussten wir uns an Korallen klammern, um nicht weggeweht zu werden, mal wurde die ganze Truppe wie Müll durcheinander gewirbelt. Zweimal bin ich bei den Brothers sogar in eine „Waschmaschine“ geraten, einen starken Abwärtsstrom. In wenigen Sekunden sackte ich dabei um 10 Meter ab. Andere sollen bis zu 30 Meter gesunken sein, bis sie einen Halt gefunden haben. Nichts dergleichen hier. Vielleicht handelt es sich nur um eine Einbildung, vermutlich mitverursacht durch Roland, der unermüdlich lachte und witzelte. Obwohl er aussah, als könnte er nie ein böses Wort aussprechen, wollten alle sich so verhalten, dass er nicht böse werden konnte.

Während meiner Wasserwanderung traf ich einige Schildkröten, die wahrlich nicht zu klein geraten waren. Obwohl ich weder Hai noch Walhai traf, fühlte ich mich nicht unglücklich. Dafür posierte für mich eine große Netzmuräne ausgiebig. Sie gehört zu den angeblich giftigen Monstern der Tiefsee, wobei man sagen muss, dass tatsächlich welche existieren, deren Biss und auch noch Blut giftig ist. Die leben allerdings nicht in exotischen Ländern, sondern im Mittelmeer, z.B. die Muraena helena. Sie soll die giftigste überhaupt sein. Man darf allerdings giftig nicht mit giftig verwechseln. Richtig giftige Viecher greifen Menschen und Tiere an, während sich Muränen meist zurück halten. manche schmiegen sich sogar sanft an Menschen an. Auch Seeschlangen, vermutlich die giftigsten Tiere überhaupt, erweisen sich als sanft und anschmiegsam. Tödlich hingegen können Tiere werden, von denen man 1 Million braucht, um ein Kilogramm voll zu machen. Hätte Noah doch die beiden Mücken erschlagen sollen?

Bitte nicht nachahmen: Am Roten Meer, wo die berühmten Haikäfige von Hans Hass stehen bzw. standen, die ihn gegen wütende Bisse von Jaws & Co. geschützt haben sollen, ließen sich die Herren Haie tagelang nicht sehen. Da kam ich auf die Idee, einen großen Fisch zappeln und bluten zu lassen. Auch dann kam kein Hai. So hatte ich einige Jahre später keine Sorge, als ich hinter einem Harpunierer namens Claude auf Mauritius herschwamm, der eine Blutspur hinter sich her zog. Auch keine Haie. Wenige Monate später habe ich den Kerl in einem Fernsehfilm wieder erkannt, als er das Team vom Fernsehen zu Haien führte. Dazu hat er einige Fische geschossen und bluten lassen. Im Nu war das Meer voller Haie. Uns hatte Claude geschworen, die Stories über Haie wären frei erfunden. Kann sein. Aber wehe, man trifft einen Hai, der die Wahrheit über seine Verwandten nicht kennt.

Mein Freund, der Drücker …

Keine Tauchreise ohne menschliche Erlebnisse … Diesmal lernte ich eine Frau kennen, die ihren Tauchschein bei einer Nato-Marine gemacht hatte. Eine richtige Unterwasser-Amazone? Leider nein. Als wir in eine Tiefe von 40 m gehen sollten, meinte sie, man dürfte mit Luft nur bis 18 m tauchen. Und danach? Na, ja! Sie würde bei 18 m Stopp machen und auf uns warten. In größerer Tiefe würde nämlich Pressluft unser Gehirn schädigen. Demnach müsste mein Gehirn ziemlich am Ende sein, dachte ich. Aber sie tauchte doch in die Tiefe, zitterte aber wie Espenlaub. Ob ihr Gehirn Schaden genommen hat, ließ sich nicht feststellen, ihre Seele schon.

Ein anderer Mittaucher hat den Vogel abgeschossen. Er konnte nicht, wie andere Tauchers, in den Anzug …, Sie wissen schon. Leider konnte er auch nicht an der freien Luft, weil andere zugucken. Als besondere Finte hat er sich ausgedacht, mit der Gruppe zu tauchen und früh wieder an die Oberfläche zu gehen, wo er in aller Ruhe … Ob die Fische angesichts solcher Helden Tränen lachen, kann man leider nicht feststellen. Zum Lachen war die Sache aber nicht, weil er schlimmer gelitten hat als der sprichwörtliche Hund.