Wenn die eigenen Künste versagen …

 

Warum muss man alles selbst machen? Es gibt doch genügend Leute, die die Fische aus dem Wasser ziehen. Nicht ganz - in manchen Ländern sind diese Herrschaften Mangelware geworden, weil der Tourismus irre viele seetüchtige Menschen benötigt. Da sie nicht auf Bäumen wachsen und daher selten sind, kann man sie in freier Wildbahn bestenfalls in Heimatmuseum antreffen, oder im Kafenion bzw. in ähnlichen Etablissements um das Mittelmeer herum, zuweilen am Schlauchende einer Shisha. Nicht so auf Nosy Be, hier gibt es richtige Fischer, die mit den Touris nicht viel im Sinn haben.

Da meine Nächte wg. Strommangel nicht sehr lang waren, bin ich häufig morgens früh ans Fenster gegangen und deren Treiben beobachtet. Die Fischer paddelten oder segelten bei oder gar vor Sonnenaufgang los und verschwanden nach einer oder zwei Stunden aus meinem Blickfeld. Nur noch mit dem Fernglas konnte ich sie sehen, während ich mein Frühstück einnahm. Später trafen wir sie bei der Ausfahrt zum Tauchen. Meist angelten sie wie zu meiner Kindheit mit einer Handangel. Traumhaft! Man kann beim Anbiss sogar fühlen, wie groß der Fisch ist. Als Jugendlicher konnte ich sogar die Barsche nicht nur nach Größe differenzieren, sondern deutlich von den anderen Fischen trennen. So kann man z.B. durch lahmes Ziehen dafür sorgen, dass der ungewünschte Fisch sich selbst befreit. Einen Schleimfisch oder gar Petermännchen vom Haken nehmen, kann sich als sehr schmerzlich erweisen. Die letzteren können einen sogar töten, was als Qualifikation für den Darwin Award gilt (schlüssiger Nachweis der Fähigkeit, die Welt von den schlimmsten Genen, den eigenen, zu befreien). Beim Handangeln entwickelt man ein inniges Verhältnis zum Fisch, bis die Pfanne oder der Grill uns scheidet.

Naturgemäß gehen nicht alle Fischer angeln. Manche werfen Netze aus, die sie voller Sardinen zurück bringen. Oder sie ziehen einen Paternoster hinter sich her. Andere schleppen Reusen aufs Meer, voll mit stinkendem Muschelfleisch u.ä., was den Langusten wie ein Festessen vorkommt. Je stinker, desto fang!

Die Fischer kommen am Nachmittag mit vollem Bauch - vom Boot - zurück. Am Strand sitzen Top-Fachleute, die genau abschätzen können, welches Boot am besten beladen ist, mit den Fischen, die die Leute vermutlich nie unter Wasser sehen. Auf einmal kommt Bewegung in die Meute, wenn das Boot den Sand berührt. Dann rennen sie alle los und packen an. Meistens helfen Frauen. Ist das Boot so weit rausgetragen, dass die nächste Flut es nicht mehr erreichen kann, geht das Geschnatter los. Man versucht, naturgemäß, die besten Stücke zu ergattern. Wer aber eine wilde Keilerei vermutet, irrt. Ich wünschte, die Leute in Berliner Kaufhäusern würden sich so angenehm benehmen wie die Madegassen, deren Einkommen bei weniger als 200 Euro liegt, im Jahr!

Wenn der Fischer mit Netzen gearbeitet hat, wird der Fisch erst einmal gemeinsam vom Netz befreit - oder das Netz vom Fisch, wie man´s nimmt. Als ich die Szenen filmen wollte, hatte ich zuerst Angst, weil man in Afrika so allerlei erleben kann, wenn man ungefragt filmt. Wenn ich aber fragen würde, wären die Szenen gar nicht so authentisch. Meine Sorge war unbegründet, die Leute nahmen mich nicht einmal wahr. Das Land ist offensichtlich noch nicht Touri-verseucht.

Bei der Gelegenheit habe ich mir die Boote näher angeschaut. Sie haben wirklich Charakter, was man von deren Pendants in vielen Ländern nicht behaupten kann. Die Malediver haben ihre wunderschönen Lateinersegel abgelegt und durch stinkende Diesel ersetzt. Auch den großen Bogen am Bug sucht man vergebens, er stört. Schlimmer erging es wohl den Kayık, den typischen Booten in Istanbul und in der Ägäis. Sie mussten ihren Platz seelenlosen Plastikbooten überlassen. Nur die Gullets aus Bodrum bewahrten ihre Tradition und stehen von der Adria bis zu den Malediven hoch im Kurs. Leider habe ich den Eindruck, dass denen die Kunst des Segelns abhanden gekommen sein muss. Die Käpt´ns, die viele Gullets auf der Blauen Reise kommandieren, stammen vermutlich von jenen Menschen ab, die viele Jahrhunderte, vielleicht einige Jahrtausende, das Mittelmeer ihr Meer genannt haben, mare nostrum. Segeln können sie allerdings schon lange nicht mehr, die Madegassen hingegen sehr geschickt. Und zwar mit dem elegantesten Segel, dem Lateinersegel. Die Fischer segeln allerdings mit einem Vierecksegel, wohl ein ärmlicher Nachfahre des Krebsscherensegels aus der einstigen Heimat Polynesien.

Das Meer vor Nosy Be ist nicht allzu tief, so dass man beim Schnorcheln den Boden sehen bzw. ahnen kann. Manchmal schwamm ich einen Kilometer oder länger, ehe ich einen Fisch sah. Manchmal schwamm ich über einen formidablen Schwarm. Meine Kenntnisse aus dem Mittelmeer waren hier genauso unbrauchbar wie die aus den Tropenmeeren, um das Verhalten der Fische zu verstehen. Vielleicht sind nicht nur die Viecher an Land so eigenartig, dass ca. 80% der Fauna endemisch sein soll. Das gibt es nicht einmal auf Hawaii!

Auf die Existenz von viel Fisch kann man nicht nur wegen der vollen Netze am Nachmittag schließen, sondern auch wegen der vielen Delfine. Da dieses Land nicht so zivilisiert ist wie anderswo, ist man z.B. nicht auf die glorreiche Idee gekommen wie einst die Regierung von Island, die Orcas von der US-Luftwaffe hat mit Raketen abschießen lassen, damit sie nicht den Fisch aufessen.

 

Rückkehr sehnsuchtsvoll erwartet …

Zu meinem selbst gegrillten Fisch bin ich gekommen, als ein Fischer seinen Fang in der Nähe meines Hotels landete. Er schien mich nicht zu verstehen, als ich mit dem Finger auf die Fische deutete. Er legte nur einen Haufen Fisch an die Seite. Um mich verständlich zu machen, holte ich schnell einen Plastikbeutel aus dem Hotel. Da zeigte er mit einem Grinsen auf den Fischhaufen und zeigte mit den Fingern eine Drei. Heißt 3.000 Ariary, etwas mehr als ein Euro. Nachdem das Grillgut in Sicherheit war, suchte ich die Gegend nach Kohlen ab, d.h. nach jemandem, der sie verkauft. Da musste ich allerdings etwas mehr Kohle auf die Hand der Verkäuferin legen. Holzkohle ist teuer in Madagaskar, weil ein großer Teil der Wälder mittlerweile erschöpft ist. Schnell im Kopf gerechnet: Etwa drei Euro für einmal Grillen von Fisch für eine Person bei einem Einkommen von 250 $ im Jahr ist echter Luxus. Ich hoffe, dass die Einheimischen beim Zahlen etwas besser behandelt werden. Die letzten Zweifel an einer solchen Behandlung nahm mir die dicke Ladenbesitzerin, bei der ich meine Wasserflaschen kaufte. Die wurden von Tag zu Tag teuerer. Als ihre kleine Enkelin mir mehr Geld rausrücken wollte, erzählte die alte Dame der jüngeren eine kurze Story. Diese guckte traurig zu mir rüber und steckte paar kleine Scheinchen in die Kasse. Ganz wohl war ihr dabei nicht. Wenn mehr Touristen kommen, wird sie den tieferen Sinn schon verstehen lernen. Dann wird man auch nicht mehr für drei Euro Grillen können.